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Adrian Kasnitz
Sag Bonjour aus Prinzip
Gegen das Meer getürmter Granit, die Wracks gezählt
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Adrian Kasnitz
Sag Bonjour aus Prinzip
Gedichte mit Grafiken von Sibylle Schwarz
Corvinus Presse, 2013
32 Seiten, Buchdruck, japanische Bindung,
vom Autor nummeriert und signiert
20,00 Euro
ISBN: 978-3-942280-25-9
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Aus dem Urlaub kann man die unterschiedlichsten Dinge mitbringen: Devotionalien wie Muscheln, getrocknete Seesterne und formschönes Strandgut, verwahrloste Katzen, die eine oder andere Geschlechtskrankheit, leicht modifizierte Diesel-Shirts, auf denen der Indianer ein Stirnband trägt, sowie geschmacklose Souvenirs für die bucklige Verwandtschaft.
Auch der in Köln lebende Schriftsteller (Lyrik, Roman und kurze Prosa) und Herausgeber (Parasitenpresse) Adrian Kasnitz ist von Zeit zu Zeit im Urlaub. Im Sommer 2010 bereiste er für 14 Tage die Bretagne (mit kleinen Abstechern in die südliche Basse- Normandie), und auch er hat damals etwas mitgebracht: Skizzen und bereits fertige Gedichte, die im September 2013 unter dem Titel Sag Bonjour aus Prinzip bei der Corvinus Presse erschienen sind.
Wer schon viele Reisegedichte gelesen hat, den wird dabei eventuell das Gefühl des Murmeltiertags beschlichen haben. Genau wie Touristen, die Jahr um Jahr die immer gleichen Fotos schießen (X vor dem Eingang der Kirche, Y beim Schnorcheln im küstennahen Wasser, X und Y gemeinsam auf einer Bank am Hafen mit einem Fischbrötchen im Gesicht), wiederholen sich oftmals auch die lyrischen Motive. Neben der Schilderung landschaftlicher Besonderheiten, untergehender Sonnen und funkelnder Sterne tendieren Reisegedichte nicht selten dazu, die alten Schlagwörter zu reanimieren, mit denen Freddy Quinn bereits in den 1950er-Jahren Fernweh bzw. (bei Matrosen auf hoher See) Heimweh heraufbeschwor. Das von Körper und Geist empfundene, im Alltagstrott verschüttgegangene Gefühl der Freiheit, der auf den weiten Horizont geheftete Blick.
Auch Adrian Kasnitz kommt bei der lyrischen Fixierung eines Urlaubs an der Bretagneküste nicht ohne eben die Wörter aus, die einem naturgemäß als erstes in den Sinn kommen; auch bei ihm kommen die typischen Sujets zum Tragen: das Meer und der Strand, der Wind und die Kneipe, die Felsen und die Schiffe. Auf dieser verständlich bebilderten Basis jedoch gelingt es ihm, den Blick von der Oberfläche zu nehmen und mit einer persönlichen Ebene zu verquicken, die über die pure Beschreibung reiseführerkompatibler Szenarien hinausgeht. Wenn er mit dem Phare d'Eckmühl einen der höchsten Leuchttürme Europas beschreibt, dann gilt sein Interesse nicht dessen primärer Aufgabe, die Schiffe in sicherer Route zu leiten, sondern deutlich genug dem eigenen Gefühlsleben, dem versinnbildlichten Wechsel von Dunkelheit und Licht. Bei seinem Gedicht über die felsige, einen guten Kilometer vor der Küste gelegene Insel Mont-Saint-Michel, deren Benediktinerkloster tagtäglich von Touristenströmen heimgesucht wird, geht es ihm nicht um Kloster oder Insel selbst, sondern um die Schilderung von Beständigkeit und die stoische Geduld der Steine, um Ausdauer und Beharrlichkeit. Und auch das Wetter dient in Kasnitz' Gedichten in erster Linie als Synonym zur Bestimmung schwankender Gefühle, nicht der Wahl der sinnvollsten Kleidung.
Einundzwanzig prosaisch daherkommende Gedichte sind es letztendlich geworden, die dem Reiseverlauf chronologisch folgen, vom Tag der Ankunft bis zum Tag der Abreise. Einundzwanzig Gedichte, zumeist getragen von der Sehnsucht nach einem fremden und doch so vertrauten Körper, von der Sehnsucht nach Endgültigkeit im positiven Sinne:
Fouesnant
Im Wald gefällt mir dein Kleid besonders
aber ich sage nichts aus Takt und Gefühl
sondern streiche nur Crème mit Vorsicht
auf deine Schultern deine samtige Haut
blicke verstohlen zur Bucht und wünsche
alle Schiffe hier sollten ruhig havarieren
dann zählte ich die Wracks bis du ja sagst
Und das Buch selbst, der Korpus? Wunderbare Haptik, Buchdruck mit japanischer Bindung, hergestellt in 180 nummerierten und vom Autor signierten Exemplaren; mehr muss über das Erscheinungsbild eines Buches der Corvinus Presse wohl nicht gesagt werden – seit gut 25 Jahren gibt Hendrik Liersch Bücher heraus, die es zu lesen und zu sammeln lohnt.
Sag Bonjour aus Prinzip enthält (in der regulären Ausgabe) fünf Grafiken der Künstlerin Sibylle Schwarz, darunter zwei grobe Schnitte. Dass alle Zeichnungen und Schnitte, wenn ich es denn richtig erkenne, menschliche Körper darstellen, hat dazu geführt, dass ich die Illustrationen beim ersten Blättern als nicht unbedingt zu den Gedichten passend empfand. Irgendwie wirkten sie für mich fehl am Platze. Gedichte einer Reise, und immer nur Körper und Gesichter? Und wie leicht ist es mir schlussendlich gefallen, diesen Eindruck zu revidieren, mich selbst zu korrigieren: Geht es in den Gedichten dieses Bandes doch in erster Linie um die Menschen. Um Menschen in einer Landschaft, ja, um Menschen auf Reisen, ja, aber eben um Menschen.
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Stefan Heuer
Lyrik
honig im mund
galle im herzen
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