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Taschentiger
Literaturzeitschrift

Zeitschrift No. 5978 und nicht zuviel
Taschentiger
Taschentiger
Das gONZo Magazin
Hrsg. v. Miriam Spies
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Das Editorial der neuen Literaturzeitschrift Taschentiger, die vom Gonzo Verlag Mainz herausgebracht wird, sagt es mit wunderbarer Deutlichkeit: Besteht die Notwendigkeit einer neuen Literatur­zeitschrift? Natürlich nicht. Ist diese Recht­fertigungen eintreibende Frage aber überhaupt von Belang? Ebensowenig. Die Mainzer Verlegerin Miriam Spies besinnt sich in diesem Punkt auf mit großer editorisch-literarischer Ehrlichkeit: Wir sind reiner Luxus. Punkt. Diese feine, luxuriöse Konzept bedeutet nun aber nicht, dass der Taschentiger nur von Leuten gelesen werden kann, die die verbleibende Lektürezeit auf einer Breguet ablesen, dass er brillant auf foliantenformatiges Photopapier gedruckt ist, und man den neuesten Flash­player herunter­laden muss, um das Druckerzeugnis überhaupt aufblättern zu können. Ganz im Gegenteil hat sich der Taschentiger pur in den Dienst des Nobelartikels Text gestellt, und kommt recht spartanisch daher. Das Schriftbild ist schlicht, und kokettiert nur in Fußzeilen und Über­schriften mit der Schreibmaschine, das Papier ist weiß und in Schwarz wurde gedruckt, auf den 130 Seiten finden sich, von (Eigen-)Werbung abgesehen, nicht mehr als vier Illustra­tionen, und auch dabei ist die Abbildung des Vor­satzblattes schon mitgezählt.

Die seitenstarke Zählung ergibt sich aus der markantesten Äußer­lichkeit des neuen Periodikums, bzw. (ich folge der Selbstbeschreibung) Anti­perio­dikums. Mit einem Wort: Ein Taschentiger hat die Abmessungen eines Reclamheftes, er liegt in der Hand wie die Kreisleriana; die Seiten sind nur wenige Millimeter breiter. Und nun wird man der Herausgeberin mit gebotenem Respekt widersprechen dürfen: so etwas war durchaus nötig. Eine Zeitschrift, die sich geradezu puristisch des Texttransportes annimmt, und dem jungen urbanen Publikum mit urbanem Text und Pragmatismus entgegenkommt: ein Format für U-Bahnen, für die kleinsten Fächer des Rucksacks, ein Tiger in sämtlichen Taschen, ein Büchlein, das sich konzentriert wie ein Riegel oder Schlagbolzen.

Damit endlich zu den Ingredienzien und Inhalten der Nr.1. Der Taschentiger versammelt Texte von noch weitgehend unbekannten Autoren, was allerdings nicht heißen soll, dass noch niemand etwas von ihnen gehört hat, oder man auf hiesiger Homepage nicht fündig wird. In dieser ersten Nummer sind Tom Bresemann, Niklas Hughes, Thomas Jacobs, Dominic Memmel, Ron Mertiny, Holger Sasum, Benjamin Schaefer, Clemens Schittko, Dominik Schönecker, Lutz Steinbrück, Bernd Ternes, Kathrin Weßling und Andreas Wagner zu Gange. Dem Ein-Wort-Motto des Gonzo Verlages getreu geht es hier mehr um Erlebtes, um Sprache, die sich auch sprechen lässt, um Boden unter den Füßen, im Großen und Ganzen mehr als um vertrackte Sprachkristalle; auch wenn einige der abgedruckten Gedichte durchaus mit dieser Sphäre liebäugeln. Im Taschentiger finden sich so ein Bericht von einer Frankfurter Kulturmesse, oder was eine hätte werden sollen, eine Musikreportage in verschiedenen Zeitzonen zu Rio Reiser, Erzählungen, in denen gereist, Zeit verbraucht, ge- und entliebt wird, Betrachtungen von Thomas Jacobs zu Zufall und Chaos, und eine scharf­sinnige Analyse des Dschungelcamps von Bernd Ternes, um die bunte Mischung nur anzuschneiden. Dem Taschentiger angeheftet ist eine kleine CD mit zwanzigminütigem Akustikbonusprogramm: gelesene oder zum klang­unter­malten Hörspiel erweiterte Texte und Musik, moderiert von der Herausgeberin Miriam Spies.

Die schon angesprochene Bewegung durch den urbanen Raum kann vielleicht als das natürliche Biotop dieser bunten Mischung angesprochen werden, wozu auch die Länge der Texte stimmt: aber die Qualität der einzelnen Teile genügt auch dem „klassischen“ Lesen in einer bequemen und unbewegten Sitzgelegenheit. Ganz im Gegenteil wird man sich bei solcher stilleren Lektüre freuen, keine Halte­stellennamen mehr im Augenwinkel behalten zu müssen.

Zum Gonzo Verlag

Tobias Roth     02.02.2009    Druckansicht  Zur Druckansicht - Schwarzweiß-Ansicht    Seite empfehlen  Diese Seite weiterempfehlen
Tobias Roth