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André Schinkel
UnwetterwarnungDas Kräuseln deiner Stirne Am Morgen ist mein innerer Gottesbeweis: hinter den Schmalen Tälern der Haut, in den Abgründen des Selbst regt sich, was wir Nicht begreifen. Du verhandelst im Schlaf Schon mit mir – ich solle, Sagst du, mich um die Wirklichkeit kümmern: Das würdest du, tagsüber, Nie tun. Oder gerade. Aber dafür liebe ich dich – Du kommst mir im Schlaf mit der Wahrheit, Und du könntest, wenn Ich nicht erwache, Denkt mir, mich augen- Blicklich verlassen. Also beobachte Ich dich, liege nächtelang Neben dir wach und Registriere die Zeichen Deiner Entfernung von Mir, bin froh jeden Morgen, An dem du zurückkommst. Manchmal auch rührt Mich das Lachen der Andern, Der Aufschlag ihrer Herrlichen Augen; und Deine Wut, wenn du es Erfährst, bohrt sich zweifelnd und Falb in mein Herz. Dabei Würde ich dich niemals Verlassen – alles, was ich Dort finde, vergleicht Sich mit dir, findet sich wieder oder Spiegelt auch nur deinen Duft. Das Schwellen deiner Lippen Im Zorn ist ein abstrakter Teil meiner Begierde: Deinem Haß ausgesetzt, be- Greife ich endlich, Was mir fehlte an dir. Indessen der Sturm Meiner Liebe eine wetterwendische Lilie: wer ihn nicht Immerfort prüfte, – auf die Kraft seiner Böen, wer Ahnte um die stille Bejahung Im Zentrum, im Nichts. Abgöttisch und fallsüchtig Ist meine Liebe zu dir; In den Sturzblüten anderer Frauen reift immer Dein Bild, treibt mich Eisern an deine Seite zurück. Wenn ich fortwollte Von dir, für einen Schluck Luft oder nur, um Die Blumen zu gießen – Gleich gingen in uns Die sanften Unwetter los. Das sind die schrecklichsten, Sag' ich: wir verletzen Uns, blind vor unbändiger Liebe, reden verzweifelt Die Nächte entzwei, Jeder im Kopf die Blicke Der Andern ... Und bringen Die Jahre, die wir sind, Erkenntnislos zu, schwelgen Im sekundigen Blitz der Erleuchtung; und in den Nächten kräuselt der Schlaf Dir heimlich die Stirn, Und macht mir den Schweigenden Vorwurf, Deine Schönheit Nicht genug zu besingen, Während du schläfst Und dich um etwas anderes Kümmerst als mich, meine Karge Verruchtheit. Zart dein stoßweiser Atem, Unmerklich und zart; – Die Hand, die dein schlafendes Kinn birgt, schätzenswert Schön – weil sich dein Duftender Leib in ihr spiegelt, Von mir unverdient. Die Trompeten der hinter- Gangenen Liebe im Ohr, reißt der Wind beherzt An den Gitarren; – Du regst dich, die Sonne Geht auf, im meinem Kopf singt einer: On The Turning Away. Dieses Gebirg' ist meine Festung, sag' ich, und ich reite, Ein Ritter im goldnen Ornat, Vor unserem Bett auf Und ab – es ist die schönste, weiß ich, Sache, die mir vergönnt ist. Aus: Unwetterwarnung. Raniser Texte. Lese-Zeichen, 2007
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André Schinkel
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