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André Schinkel
Out Of This World

Tot und im Herzen zerlumpt bin ich und jetzt schon –
Aber meine Zeit kommt, sagen die Freunde:
Der Atem der Städte, wenn er angehalten ist:
Einst wird er dir gehören, sagen sie oder der eine,
Dem noch nicht auffiel, daß ich ein Freundloser bin;
Das kommt, weil er lange im Grab liegt und fast
So wie ich heißt oder auch anders. Neulich sah ich:
Ein trunkener Dichter bekotzte Straßenbahnschienen,
Während die eben noch heißlaufenden Muschis
Der Weiber sich abwandten und schwiegen: Das ist,
So scheint es, die Aufgabe des Schreibers: Enttäuschen
Und Stellungen schaffen für Halbkreisingenieure
Und Totengräber ... In zwei Jahren oder auch zehn
Wird dieser Dichter, der in einem anderen Staat ein
Übler Protokollant war, an eingeschlagenen
Zähnen sterben oder einer schwer vereiterten
Nille; und es wird mir egal sein, weil ich üble
Menschen verachte, oder auch nicht, weil ich
Um mein Exempel gebracht bin. Out Of This World
Heißt ein Lied, das mir das Schweigen der Zeitung
Versaut hat. Und genauso aber fühle ich mich,
Wenn ich, nach unzähligen Versuchen, das Fenster
Zu öffnen, durch das Milchglas das Treiben der
Andern betrachte, tiefer und weiter in die trügerischen
Schlünde hinein. Gestern saß ich den ganzen Abend
Allein im Café und war sogar froh darüber. Es war
Mein einziger Abend auf lange, den ich zum Versitzen
Hatte, und die Zeit für Massenaufläufe ist, scheint's,
Für mich vorbei. An den Tischen flanierte das
Zeigbare des Viertels vorbei und war aber abgewandt,
Wenn ich aufblicken wollte, und hatte keine Augen
Für mich, der ich auch ein Gleisreiherer bin. Die Ein-
Samkeit dieses Lebens lerne ich langsam verkraften.
Das Sitzen in Blindheit ist mir egal. Den Atem
Der Städte kann ich nicht hören. Aber nach einer
Zuhörerschaft halt' ich noch Ausschau: mit
Meinen gestorbenen Versen: für den vereinzelten,
Absterbenden Hals.
André Schinkel  2007   

 

 
André Schinkel
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