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Clemens Umbricht 
 Im Zimmer der falschen Dinge
1 
Der Briefkasten im Zimmer der falschen Dinge bleibt leer, 
egal was du oder sonst jemand hineinstopft 
oder wie lange du hier schon wohnst. 
 
2 
Im Zimmer der falschen Dinge schreibt der Regen 
mit unsichtbarer Tinte an die Wandtafel des Philosophen. 
Schreibt er noch immer?, fragen die Schlaflosen. 
 
3 
Im Zimmer der falschen Dinge ist Zeit keine Erleuchtung, 
die Zypressen wachsen mit den Toten, 
der Kreis ist das ewige Vieleck der Gedanken. 
 
4 
Ja, antworten sie viel später, wenn sie 
von der Tapete nicht mehr zu unterscheiden sind, 
schwarze Untermieter des vorigen Tages. 
 
5 
Im Zimmer der falschen Dinge schläft die Giraffe im Feuer. 
Sie saugt den Wörtern die Luft ab, die ihr fehlt. 
Sie füllt sie in ihr halbleeres Glas. 
 
6 
Die Gardinen reichen hinunter bis zur Goldfischschüssel. 
Vor der Verandatür posiert ein Granitblock. 
Der Himmel ist die Staffelei, die Tür hat die Form eines Baumes. 
 
7 
Dort in der Ecke stehen die alten Anglerstiefel, 
in denen du bis über den Kopf drin steckst 
mit dem Seeteufel und dem wetterfesten Wunschdenken. 
 
8 
Im Zimmer der falschen Dinge gibt es immer einen Punkt 
ausserhalb der Bedeutungen, auch wenn niemand 
weiss, wo und wie gross er gerade ist. 
Aus: Clemens Umbricht. Museum der Einsichten. Orte Verlag 2012 
  
 
 
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