Jan Volker Röhnert
Sofia-Sonne
Des abgedankten Diktators kahler Schädel,
Witoscha, gletscherweißer schrundiger Granit,
neigt sich über jedem Zarenboulevard, Wolke,
die dem blausten Himmel selbst ein Schatten ist -
Orpheus' Pegasus trabt anderswo,
Latein die Schriftzüge der Investbank,
Limousinen vor den Tischtanzbars
gefallen sich im Anschein eines Europas,
das nie in die Häuser eingezogen ist,
Fremdwort dem Steppengelb des Mörtels,
der durch ein Wunder Mietskasernen und Mansarden
seit hundert Jahrn zusammenhält:
Nichts als Alptraum, sagst du, doch
die Rhodopen seien nah. Noch nie
war die Weisheit in Person so schön,
breitete so glänzendgold die Arme aus
über eine Unterführung, deren Kellerwände
sich ein Sexshop, eine Kirche, Akkordeons
und das Notfallsministerium teilen –
jeder, der flaniert, ist eingeweiht,
die Mädchen in den Charme, die Kerle in das Geld,
ins reine Grün der Frühling, der plötzlich die Parks
wie ein Schauer überzieht, so sehr die Welt gewöhnlich wird
bliebe sie kyrillisch hier, und rosenölessenzbehaucht.
Jan Volker Röhnert 05.05.2009
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Lyrik
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