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Lutz RathenowGelächter, sortiertDurchwachsen Kritik
Er nennt sich einen „etablierten Außenseiter“, der eher „merkwürdige Literaturpreise“ bekommen habe und 15.000 Seiten eigener Stasi-Akten zur Kenntnis habe nehmen müssen. Tatsache ist, dass Lutz Rathenow einer der wichtigen Gegenwartslyriker ist. Außerdem ist der vielseitige Schriftsteller mit einem bemerkenswerten Bildband über Ostberlin und einem hübschen Kinderbuch zum Bestsellerautor geworden. Der Verlag Ralf Liebe, ehemals Landpresse, wiederum macht bekanntermaßen schöne Bücher und hat sich nun eine ganz besondere Buchreihe ausgedacht, nämlich die „Edition der Tausend". Dem Verlagsprospekt ist zu entnehmen, dass „künftig zweimal pro Jahr sechs bis acht Bände – Prosa, erzählende Sachbücher und Lyrik – erscheinen“ sollen. Einer der ersten Bände ist Lutz Rathenows Gedichtband Gelächter, sortiert. Die ersten tausend Exemplare haben transparente Umschläge, Leinenbände, Fadenheftung, Kapitalbändchen und Lesebändchen und sind mit Prägung nummeriert. Gelächter, sortiert ist ein durchwachsener Gedichtband, vielfältig wie Rathenows Werk und Biografie. Als einer der wenigen zeitgenössischen Lyriker versteht er sich als Autor, der Stellung bezieht. Er bedichtet Hitlers Berchtesgadener Bergfestung ebenso wie „Die Vogelgrippe und Europa“. Manchmal ist das ein wenig platt, manchmal anspielungsreich komisch: „Auch sie rückt immer näher, es reicht nicht mehr/ ein paar Tauben vergiften zu gehen im Park.“ Wie viel Komik mancher Text entfaltet, zeigt gleich das erste Gedicht „Das blaue Leuchten“: „Handys an einem frühen Winterabend / funken ihr kleines Licht / in die Augen der jungen Frauen, / Männer. Verirrte Sterne / wandern über den dunklen weiten Platz.“ Vielfältig sind auch Rathenows Themen. Da steht Poetologisches neben Naturlyrik, eine Art Liebesgedichte („Liebesgedichte schaffen es / nicht, Lust zu vertreiben") neben Politischem („Die Unauffälligen werden als Täter entlarvt“). Doch wer viel schreibt, wie das bei Lutz Rathenow der Fall ist, wird leicht geschwätzig, selbst in kurzen Texten („Graffiti“). Und gegen Ende hat man gar den Verdacht, der Gedichtband habe unbedingt gefüllt werden müssen. Da finden sich „Bemerkungen in Prosa“ oder die Feststellung, dass „Gedichte nicht besser (werden) durch das Lesen in Stasiakten“ oder ein lyrischer Text, der aus den verschiedenen Buchtiteln Rathenows montiert ist. Sogar einen „poetischen Instantroman“ hat der Autor eingeschmuggelt, der mit dem unmöglichen Satz „Er hatte sich ganz schrecklich in sie verliebt“ beginnt und im Verlauf der einen Seite auch nicht besser wird, weil er nicht komisch ist, sondern nur „komisch gemeint“. Rathenows Gedichte sind denn oft nahe am Parlando, an der Prosa und – Gott sei Dank – nicht sortiert. Das Gelächter bleibt auf einer Seite aus (weil der Text zu ernst ist), setzt auf der nächsten ein (weil das Gedicht so platt ist, siehe „Fragen eines Fußballfundamentalisten“), setzt sich auf der übernächsten fort (weil das Gedicht wirklich komisch ist) und bleibt dann wieder aus (was etwa für die anrührenden Gedichte anlässlich der Beerdigung von Wolfgang Hilbig gilt). Wer Lutz Rathenows reichhaltige lyrische Produktion über die Jahre verfolgt, hat das Bedürfnis ein „Best-of" zusammenzustellen, in dem all die starken, eindringlichen, bildreichen, witzigen Gedichte versammelt sind, die die schwachen, geschwätzigen, klischeetriefenden, gar nicht komischen Textgebilde vergessen machen.
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Matthias Kehle
Lyrik
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