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Nadja Küchenmeister
stille kreise
die tage sind nun wieder kürzer und es ist alles
wie im letzten jahr: der husten und die kälte, die
empfindlichkeiten, und nicht sehr viel, wovon man
gerne träumt. erst war der mond verdeckt von dunklen
wolken, dann war der himmel wieder klar; und kein
gedanke an ein wiederkommen: wir wussten ja
dass man sich selten täuscht. und was du sahst auf
deiner letzten reise: vielleicht das morgenlicht zwischen
den zweigen, vielleicht war auf dem weg ein mann, der in
den guten tag aufbrach und wusste nicht, dass er am leben
war, wer weiß. wir zogen immer stillere kreise, es kam nur
selten vor, dass einer sprach. das telefon, die straßenbahn:
geräusche, die es immer gab. es ist kein trost, es ist hier
unerträglich leise, und keiner spricht noch ein gebet. die nacht
kommt über uns in einer weise, dass man vor angst nicht
schlafen kann und spät nach mitternacht noch in der küche
friert, man merkt es kaum. der mond, verdeckt von wolken
scheint bloß selten auf, und um uns leuchten die verlassenheiten
du bist ja nur im nebenraum.
Aus. Alle Lichter. Schöffling & Co. 2010
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Nadja Küchenmeister
Lyrik
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