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Norbert Lange
HOLBEIN
ben zi bena, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sose gelimida sin!
(Knochen an Knochen, Blut zu Blut, Glied an Glied –
so als ob sie zusammengeleimt)
zweiter Merseburger Zauberspruch
Und fräsens aus den Augenhöhlen –
welche ans Cafe gesetzte Figuren;
und stellen dieses ausgeschabte Bild
so dann vor den Kiefer eingebaut,
dass, Spielbein-Standbein, dieser Typ
mit Lanze / Sense – lässig auf den
Sensetresen lehnt: der Knochenmann,
der den Kiefer lässig kreisen lässt,
verdrahtet – und mit speziellen Stiften
grad noch so zusammenhalten soll:
fideler Pikenier aus dem Ikeakatalog,
die Augenfarbe Hohl; und lassen's
sachte in die Schläfen ab, Erinnerung
per Ansaugröhrchen in den Kopf,
so schmerzlich nah – da steht er dann
und baut sich vor uns beiden auf,
er nimmt nur eine Feinjustierung vor,
Fingerdruck, der Kiefer schnappt
und rastet schliesslich in den Schädel
ein – zu sehen phosphorweiß da
im Gesicht; sieht aus wie das Skelett
mit dem ich als kleiner Junge
spiele – und lassens aus den Rippen
tönen: leise das Gerippe spricht
vom Fieberstand im Thermometer und den
gemaserten Tapeten, vierzig Grad,
von Fieberwänden, seiner Hand auf meiner Stirn,
und hält mir einen Schraubenzieher hin.
[aus: Das Schiefe, das Harte und das Gemalene, Luxbooks 2012]
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Norbert Lange
Lyrik
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