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Katrin Marie Merten
Rückwärtslaufen
Das Leben ist nicht Wünschdirwas
Eine dieser Autorinnen mit den Doppelnamen: Katrin Marie Merten
hat nach Gedichten jetzt auch Prosa veröffentlicht
Kritik |
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Katrin Marie Merten
Rückwärtslaufen
Edition Muschelkalk
Wartburg Verlag
Weimar 2011
72 S., 11 Euro
Zum Verlag
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Es muss immer eine Richtung geben. Vor allem montags, damit „die Füße nicht nur vor sich hintreten.“ Die Ich-Erzählerin versucht das, geht brav und pflichtbewusst zum Arbeitsamt. Doch für Akademiker gibt es momentan keine Jobs. Vielleicht will sie auch gar keinen, will nicht immer eine Richtung haben, will sich gegenüber Jannes nicht dauernd rechtfertigen müssen. Ständig nörgelt er herum. Ihre Wohnung sei ihm „zu laut“, in ihrem Viertel würden „nur Spinner“ wohnen. Er findet das Übertünchen von Graffiti „super“, sie findet es einfach nur „typisch deutsch“. Er wirft ihr vor, sie trete auf der Stelle. „Ich sitze“, antwortet sie.
Katrin Marie Merten, die 2009 mit einem Gedichtband debütierte, legt mit „Rückwärtslaufen“ nun ihren ersten Prosaband vor. Es ist nicht nur ein Buch mit Geschichten, sondern auch eine literarische Selbstsuche der Autorin. In elf Kurzgeschichten verhandelt sie ihren eigenen Ton, ihre Sujets. Hauptsächlich spielen zwischenmenschliche Beziehungen eine Rolle. Es geht um Liebende, Geschwister, Eltern und Kinder, auch Menschen und Tiere, und oft geht es um das Was-wäre-wenn. Mertens Geschichten bleiben in der Schwebe, verhandeln über Möglichkeiten: „Die Reise nach Berlin ist eine, die ich nicht gemacht habe.“ Kurz darauf ist die Erzählerin dennoch in Berlin, mit Karl, und versucht, „an der Haltung seines schlafenden Körpers den Fortgang unserer Geschichte abzulesen“. Vielleicht war das aber nur ein Traum. So genau verrät das die Autorin nie. Auch der Beginn einer anderen Geschichte öffnet ein Verwirrspiel, das nicht aufgelöst wird: „Ich bin die Schwester, die sie sich wünscht.“
Thematisch über Möglichkeiten zu schreiben, heißt in Mertens Fall auch, die Möglichkeiten des Schreibens zu testen. Wie wirkt jener Stil, wie muß man das verpacken, wie wird jene Idee zu einer Kurzgeschichte, welche Mittel benötigt man? Passen das Vokabular und das Tempo? Einige der Erzählungen lassen diese Fragen durchscheinen, weshalb sie an Notwendigkeit für den Leser verlieren. Zu offensichtlich sind die Kniffe, bestimmte Situationen und Typen literarisch lebendig werden zu lassen. Das wirkt dann wie die Befolgung der Bastelanleitung für Autoren: „Stelle mich vor sie, wenn die Wut in seinem Gesicht wallt, wenn die Wut sein Gesicht in Furchen legt, eiskalte Züge, blitzende Augen“ – das ist die Darstellung eines jähzornigen Mann kurz bevor er zuschlägt, wenig raffiniert, wie auch der Rest jener klischeebeladenen Geschichte: „Wir werden alles vergessen. Der Vater wird nicht mehr schlagen. Nicht mehr laufen über den Flur. Die Mutter wird nicht mehr weinen. Nicht mehr trinken.“
„Das Leben ist nicht Wünschdirwas“, sagt der Kapitän in einer von Mertens Geschichten und das gilt wahrscheinlich auch für das literarische Schaffen, vor allem zu Beginn. Manchmal gelingt ein kleines Meisterstück, manchmal geht's in die Hose. Das schmälert diesen Band aber nicht. Denn die meisten Texte verfügen über verheißungsvolle Schlüsselreize. Auch wenn manches zu konstruiert wirkt, um nicht plump zu sein, an anderer Stelle schreibt die Autorin fein, klug und einfühlsam und trifft jenen Ton, von dem man hofft, daß sie genau diesen gesucht hat und festigen wird. Es sollte eben immer eine Richtung geben, der man leidenschaftlich folgt. Daß Katrin Marie Merten genau das tut, weiß man als Leser schnell. Man hat da so eine Ahnung: „Du kennst mich doch gar nicht“, sagte sie, „warum bemühst du dich so?“ – „Ich weiß nicht, es ist so ein Gefühl.“ – „Das ist viel“, hat sie gesagt, „eigentlich alles, was zählt.“
Zuerst veröffentlicht in der Literaturbeilage der Jungen Welt, 15.3.2012
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