POETENLADEN - neue Literatur im Netz - Home
 
 
 
 
 
 
 

Bruno Preisendörfer

Die letzte Zigarette

Von Fröschen, Frauen und dem Dschinn des blauen Dunstes

Bruno Preisendörfer | Die letzte Zigarette
Bruno Preisendörfer
Die letzte Zigarette
Ein Liebesroman
Eichborn Berlin 2006

Während hierzulande das Rauchverbot für öffentlichen Räumen diskutiert wird, stellt Eichborn auf der Frankfurter Messe Die letzte Zigarette vor. Ein Ratgeber gegen das Rauchen? Weit gefehlt. „Einem Raucher zu sagen, er soll nicht mehr rauchen, ist das Gleiche, wie einem Frosch zu sagen, er soll kein Frosch mehr sein.“ Also eine zweihundertseitige Lobpreisung des krebserregenden Lasters? Keineswegs. Befinden sich doch alle dem Nikotinkonsum verfallene Figuren zwischen den Kapiteln „Anfangen aufzuhören“ und „Aufhören anzufangen“. Die meisten dieser Figuren sind Frauen, genauer gesagt: Ex-Frauen des Erzählers. Also ein Liebesroman, wie es der Untertitel verspricht? Beinahe. Tatsächlich geht es um drei Leidenschaften und eben darum, wie sie Leiden schaffen: Frauen, Nikotin und Literatur.

Bruno Preisendörfer, Jahrgang 1957, war, wie sein namenloser Protagonist, vor seinem hauptberuflichen Schriftstellerdasein als Redakteure tätig. Beide: dem Nikotin verfallen. Der Autor portraitiert seine Romanfiguren anhand detaillierter Rauchgewohnheiten (inklusive Tabaksorte und Teerwert) und dokumentiert ihre Methoden, dem Dschinn des blauen Dunstes zu entkommen. Herrlich ehrlich und voller Ironie beschreibt er die menschliche Schwäche im Kampf gegen die Sucht und die kleinen Lächerlichkeiten im Prozess des Versagens.

Kurzweilig plaudert der Protagonist aus dem Nähkästchen seines Herzens; erzählt von Melanie, deren Wohnung einer Zigarettenfabrik gleichkommt; Carmen, deren Aufhörphilosophie darin besteht, „die Frequenz bis zum Selbstekel zu steigern und dann für alle Zeiten erlöst aus dem Fegefeuer zu steigen...“; der Künstlerin Anne, deren Abstinenzversuche unterstützt von Nikotinkaugummis, autogenem Training und Akupunktur immer nur befristet erfolgreich sind und der perfekte Paula, Nachwuchsanwältin in mit Prädikatsexamen, die sich in ständiger Begleitung ihres inneren Schweinehundes „Paul“ befindet. Und er erzählt von Kreta, der einzigen seiner Frauen, mit der er verheiratet war; der einzigen, die niemals aufhören wollte und täglich den Konsum von drei mal drei Roth-Händle zelebriert; der einzigen, die er noch immer liebt. Die Ehe scheiterte, als der Erzähler sein geregeltes Leben als Redakteur für Vermischtes aufgab, um Bücher zu schreiben.

Er versuchte sich erfolglos an einem historischen Roman über den Franzosen Jean Nicot im 16. Jahrhundert, der (wie sollte es anders sein?) maßgeblich an der Verbreitung des Tabaks in Europa beteiligt war und zu dessen Ehren der Gattungsname Nicotinia tabacum gewählt wurde. Auszüge dieses Projektes bieten dem Leser eine unterhaltsame Historie des Rauchens, ergänzt um Zitate von Freud, Tschechow, Wilde, Sartre und Thomas Mann. Nicht vergessen wird Italo Svevo, der in seinem Roman „Zeno Cosini“ ununterbrochen seine letzte Zigarette zu rauchen versucht.

Nun gut, die Bezeichnung „Bildungsroman“ wäre ebenso unpassend, wie das Buch neben die Ratgeber ins Regal zu stellen. Konstatieren wir also: Ein Stück Rauchkultur, eingestrickt in ein kurzweiliges Sammelsurium amüsanter Anekdoten, originell verschachtelt zu einem Roman, der nicht nur Raucher zu unterhalten weiß.
Bruno Preisendörfer, geboren 1957 in Aschaffenburg, studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Soziologie in Frankfurt a.M. und Berlin. Er war Redakteur bei der Berliner Stadtzeitung zitty und der Zeitschrift Freibeuter und lebt zurzeit als Publizist in Berlin. Im Frühjahr 2006 ist sein Erzählungsband Die Beleidigungen des Glücks beim Liebeskind Verlag erschienen.

Katrin Merten     04.11.2006

Katrin Merten
Bericht
Lyrik
Prosa