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Theo Breuer

Im Wortgestrüpp • Landen • usw.

Lyrikstationen 2009

Reich bin ich durch ich weiß nicht was,
man liest ein Buch und liegt im Gras.
Robert Walser

Das Haus, das Verrückte macht
Die in den Wellblechpalästen tanzen


Leichtfüßig, peppig, spritzig kommen die satirisch grundierten, hier iro­­ni­­schen, dort sarkas­­tischen, gele­­gent­­lich zynischen, mit Allusion, Echo und Versatz­­stück aus Dichtung und Volksmund durchwirkten, zwischen Sinn und Unsinn mäandern­­den, dem auf den Kopf gestellten Schein des Seins in rasant vorge­­tragenen Sequenzen auf die Schliche kommenden, bizarr wortschöpfenden, Alliteration, Anna­­gramm und Reimprise ein­­streuenden, faszi­­nierend verrückt assozi­­ieren­­den, wort­­spielenden, zeilen­­sprin­­genden Gedichte von Tom Schulz in Kanon vor dem Verschwinden daher. Hier dirigiert die surreale Lyrik­­schlag­­kraft, Oxymoron und Paradoxon tanzen den Pas de deux.


  Tom Schulz
Kanon vor dem Verschwinden
Gedichte
Berlin Verlag 2009
99 Seiten, 16,90 Euro

Kritik  externer Link



Ich / schrieb das schnell auf, bevor / der Moment in der verfluchten / Abgestorbenheit Kölns / wieder erlosch, heißt es in Rolf Dieter Brinkmanns Gedicht Einen jener klassischen. Ich tue es Brinkmann gern nach. Und wenn ich an diesen blätter­­fall­­süch­­tigen, dunklen, kühlen, nebligen, regne­­rischen, stürmi­­schen letzten Tagen des Jahres wie Erich Kästner gefragt werde: Und wo bleibt das Positive, Herr Breuer?, kann ich wie der von Asterix nach dem Passier­­schein A 38 gefragte römische Amts­­vorsteher des Hauses, das Verrückte macht ganz lässig antworten: Hier ist es doch:

wie verrückt: Regen /
bella umbrella. seit Tagen
übernächtigt. Wolken
aus Granit.

Thien Tran



Zehn Lyrik Leser Listen

Wiedermal so ein Jahr den Styx hinunter
Peter Rühmkorf

Bereinigt um Bücher, deren nur scheinbar poetische Wortansammlungen ich auf keiner Seite lesenswert fand, versammle ich in der die Lyrikstationen 2009 abschließenden zwölften Station alle mir in diesem Jahr in die Hände ge­­fallenen und gelesenen Lyrikeditionen mit der Zahl 2009 im Impressum, die ich in diesem Essay – exem­­plarisch – vorstelle und zum Abschluß einer jeder Station ins Zentrum der Aufmerk­­samkeit rücke, wie, bei­­spiels­­weise, Kevin Perrymans Der nicht ver­­jährte Traum – sein neunter Gedichtband und der erste, den ich von ihm lese (am 9. November 2009 – so wird dieser Tag auch in der heute stark ver­­nebelten Abge­­schiedenheit der Eifel zum Festtag):

Bring einen Stein.
Trage zu unserem Singen bei.
Bring deinen Stein.
Du wirst ihn in den Bergen
aufgehoben haben,
ihn mit dir mitgetragen.
Leg ihn zu den anderen.

Dies ist, bei lyrischem Lichte betrachtet, eine schmerzhaft künstliche Auswahl für einen im Kern als persönliche Lesereise angelegten Text, vernach­­lässigt die Liste doch die möglicher­­weise eindrucks­­volleren Bücher und Zeit­­schriften früherer Jahrgänge, die ich mir in diesem Jahr zu Gemüte führte – beispielsweise am 11. November André Schinkels resche Lyrik in Löwenpanneau (Mittel­­deutscher Verlag, Halle 2007): Das große Gedicht An der Saale versetzt mich schlagartig zurück in den Augenblick, als ich mit UNI/vers(;)-Herausgeber Guillermo Deisler und uräus-Handpresse-Verleger Hans-Ulrich Prautzsch an jenem Fluß stand und wir am gegen­­über­­lie­­genden Ufer mehrere Biber bei der Arbeit beobachteten; am 17. November Kim Jong-Dils konfu­­zianisch angehauchte Gedichte in Nachtkerze (Edition Peperkorn, Thunum/Ostfriesland 2003); am 29. November Günter Her­­bur­­gers forschen Gang Im Gebirge (Luchterhand, München 1998) – und ohnehin den gesamten Bereich der Prosa, den ich in Bücher, Menschen und Fiktionen 2009, gleichsam Zwillingstext von Lyrikstationen 2009, vorstelle.

Wenn ich überhaupt einen interes­­santen Aspekt am Zu­­sammen­­hang von Literatur und Jahrgang sehe, dann den, womit ich mich innerhalb eines Jahres literarisch konkret befaßt habe. Was aber tun wir nicht alles, um der gras­­sierenden Unüber­­sicht­­lich­­keit zu trotzen und auf diese Weise das eine oder andere Buch sichtbar zu machen. Wir müssen auch 2009 von mehreren tausend neu gedruckten Gedicht­­büchern ausgehen, unter denen sich möglicher­­weise ein Buch versteckt, das ich großartig fände, wenn ich es denn je läse. Angesichts dieser unge­­heuren Zahl ziehe ich mich gern auf den einen wie auch immer gefundenen, hoffent­­lich einzig­­artigen Gedicht­­band zurück, der mich zunächst eine Stunde, einen Tag und sodann – mehr oder weniger – lebenslang begleitet. Am 4. Dezember (im Lyrik­­kalender lese ich das Gedicht Übersprung von Christian Röse) ist es Heinrich Deterings Wrist, von dem ich mich an diesem kalten Tag sehr gern in Birken- und Brach­­vogel­­wälder und blühende Dschungel im / Schotter zwischen den Gleisen verschleppen lasse.
  So wird mir Lyrik von Tag zu Tag mehr zu einer Faktoren wie Auflage, Avantgarde, Autor, Bestenliste, Buch, Chimäre, Dramatik, Epoche, Favorit, Genie, Hörbuch, Idee, Jung­­vogel, Koryphäe, Leichtgewicht, Mode, New­­comer, Original, Preis, Programm, Quengler, Richtung, Star, Talent, Titel, Urgestein, Verlag, Wasser­­träger, Zeitgeist „usw.“ usw. ver­­schlingenden und amalga­­mie­­renden universalen Gestalt aus Klang, Rhythmus und Wort, deren in einem fort schwingender Sound jeden noch so hart­­näckigen Tinnitus locker verdrängt, als ziehe [es] mir das rauschen / des weltalls ins ohr. (Dieter P. Meier-Lenz, Im Wortgestrüpp)


Die Dichtung wird von allen gemacht    (Lautréamont)

BAUMBEIN
Blaurosa Wolken,
der Wind aus den Seen,
die ausgeleuchteten Wälder
aus zweibeinigen Bäumen,
doppelt schlagen sie aus.
Flecken im Schatten und in Tränen
die Sonne trägt der Berg,
hängt durch in den Mitten.

Swantje Lichtenstein


Das 120 Titel umfassende Füllhorn der Antho­­logien, Einzeltitel, Magazine, Portale und Schachtel­­editionen, deren Zustande­­kommen ich den unter­­schied­­lichs­­ten (glücklichen) Zufällen verdanke, vermittelt hoffent­­lich einen einiger­­maßen exem­­plarisch-reprä­­senta­­tiven Quer­­schnitt des vielköpfigen, kakophonen Chors, der 2009 im dicht­­bevöl­­kerten lyrisch-deutsch­­sprachigen Ameisen­­staat mit mehr als vierhundert Editionen, Redaktionen, Verlagen und Hand­­pressen (von denen sechsund­­fünfzig hier auftauchen) den Sound bestimmt:
  Gedichtbücher von jüngeren und älteren, bekannten und weniger be­­kannten Auto­­rinnen und Autoren, Bücher aus großen und kleinen Ver­­lagen, die Antho­­logien, Einzel­­titel, Essay­­bände, Gesamt­­ausgaben, Maga­­zine und Übersetzungen als Hardcoverband mit Schutz­­umschlag, Bro­­schüre bzw. Taschen­­buch, biblio­­philes Kleinod oder Kunst­­schachtel in winzigen, kleinen, mittleren und größeren Auflagen in der Hoffnung veröffent­­lichen, Leserin­­nen und Leser zu finden, die diese Bücher ihren Sammlungen einverleiben wollen.

  Ulrich Koch
Lang ist ein kurzes Wort
Gedichte
Lyrikedition 2000, 2009

Books on Demand werden nur auf Bestel­­lung erstellt, sie sind nie vergriffen, aber auch in keiner Buch­­handlung präsent. Wie wohl wirkt sich das auf die Auflage aus? Ich jeden­­falls lasse mich immer wieder gern vom viel­­ge­­stal­­tigen Programm der Lyrikedition 2000 anlocken und lese auch im Verlauf dieses Jahres wieder eine Reihe mich stark anregender Gedicht­­bücher aus dieser seit einiger Zeit von Heike Hauf betreuten Edition – so Ulrich KochsLang ist ein kurzes Wort (Der Mond war ein Leckstein auf der Pferdeweide), Swantje Lichtensteins Landen, Ludwig Steinherrs Kome­­ten­­jagd sowie Nikola Richters do-re-mi-maschine, die vom ersten Gedicht an schwungvoll rotiert:

er kann jetzt nicht mit dir tanzen, sagt einer, und ich sage,
das ist überhaupt nicht mein problem, denn ich hole meinen
freund von der bushaltestelle ab, wir weinen zur begrüßung
und pinkeln zwischen autos in der nebenstraße. und wenn
einer sagt, das ist doch mal wieder kein gedicht, dann sag
ich nix, aber pass mal auf, denn hier ist das leben, hier
hab ich eben noch telefoniert, als einer die treppe herunter
rannte und mich mal kurz küssen wollte, ich schlug ihn
weg, weil eben noch ein anderer mich drückte und wieder
andere mir sagten, dass ich sie suchen solle. die welt ist
groß genug für alle, sagten manche eben noch und andere
wollten schwimmen gehen (das sind die ungehemmten dates).
ich habe einen neffen, der schon nudeln sagen kann,
und ich mit meinem neuen job kann nichtmal sagen, was ich will.

Die Hoffnung ist – Was sind das für Zeiten? – oft trügerisch angesichts der überwältigenden Konkurrenz von vielen hundert Verlagen und tausend und weit mehr Autoren mit jährlich vielen, vielen, vielen neuen Gedichtbüchern, ganz zu schweigen von der überwältigenden Präsenz der guten Seiten im Internet.
  Wer, beispielsweise, regelmäßig Portale wie Fixpoetry, Forum der 13, Lyrikline, Lyrikwelt, Lyrikzeitung, Poetenladen, Reimfrei, Titel oder Matthias Kehles Lyrik-Blog anklickt und die dort angebotenen Buch­­besprechungen, Essays, Features, Gedichte, Glossen und Porträts scrollend liest (und sich dazu die tägliche Lyrikmail schicken läßt), braucht keine Bücher, wenn Bücher ihm nicht das bedeuten, was sie mir bedeuten. Was dem einen das Buch in der Hand, ist dem anderen die Zeigefingerbeere an der Maus. Indem ich letzteres eben um der Erfahrung willen erstmals an einem Lyrik-eBook ausprobiere, spüre ich spontan, daß ein eBook kein Gedichtbuch ist, wie ich es meine, und schon mal gar kein gefühltes.

So ist es längst keine Ausnahme mehr, daß Lyrikbücher auch bekann­­terer Autoren zwar publiziert, aber kaum mehr von den Leserinnen und Lesern wachgeküßt werden, folglich nie ein lebendiges Dasein führen können. Dennoch glaube ich weiter­­hin an genügend leiden­­schaftliche Bücher­­menschen, die dafür sorgen, daß die Befürchtung eines Philip Roth (dessen Romanen ich seit Jahrzehnten hoffnungslos verfallen bin), die Menschheit wachse in eine buchlose Zukunft hinein, sich als übertrieben pessi­­mistisch herausstellen wird.
  Verleger und Autoren, die allerdings meinen, Leser liefen ihnen irgendwie schon zu, bezahlen diesen Irrglauben mit der Tatsache, daß immer wieder auch viel zu teuer angebotene Bücher in Kartons verpackt dahindämmern (hoffentlich wurden sie wenigstens auf Recycling-Papier gedruckt) oder bis auf wenige Exemplare gar nicht erst gedruckt werden, nachdem die Fördergelder kassiert sind. Aber auch das kann man schon wieder positiv sehn, wie Gerard Manley Hopkins, von dem zu Lebzeiten nicht ein Gedicht gedruckt wurde: Ein Dichter ist sich selbst sein Publikum.
   

© Corvinus Presse


Daß vor allem kleine/re Verlage und Zeit­­schriften kommen und gehen, ist eine bekannte Erfahrung. Anderer­­seits gibt es erfreulich viele Gegen­­beispiele für Haltbar­­keit und Stabi­­lität, man jammert nicht, sondern arbeitet einfach, Buch um Buch, weiter am originel­­len Programm. Ich benenne, pars pro toto, Hendrik Lierschs auch buch­­künstle­­risch besonders wertvolle Berliner Corvinus Presse mit rund zweihundert­­fünfzig Büchern seit 1990 – zuletzt Heinrich Osts sehr klare, sehr nachdrückliche, sehr schöne Gedichte In Trümmern Spiegelglas (Das Holzpferd singt / zur Himmelsmahlzeit), Werner Buchers im schweizerischen Appenzell angesiedelten orte-Verlag mit mehreren Buchreihen – Im November 2009 erschienen Horst Bingels beherzte Gedichte Den Schnee besteuern – und der Zeitschrift orte, deren 160. Ausgabe 2009 erschien, sowie die seit Jahr­­zehnten die Welt der Lyrik bereichernden Kleinverlage Ulrich Keicher (Leonberg) und Peter Engstler (Ostheim an der Rhön), der mit Egon Günther, von dem 2009 hegt traum kerne erschien, einen Autor im Programm hat, dessen spannende Gedichte ich bislang nicht kannte.
  Auch in den letzten Jahren sind wieder neue Verlage (mit Luxbooks als Senk­­recht­­starter) und Edi­­tionen begründet worden: Bei Fixpoetry und in der Silver Horse Edition erschienen 2009 insgesamt mehr als ein Dutzend schlicht-schön gestal­­teter Lyrik­­bändchen, die Edition Lyrik Kabinett macht mit vorzüglich edierter inter­­natio­­naler Lyrik von sich reden, und so kann ich mit Das Buch der Niederlage endlich ein voll­­ständiges Gedichtbuch von Bei Dao lesen:

Zielort

Ungeraden Zahlen folgend
und Funken, die Aussprache üben
bist du auf Reisen, von Landkarten
blickst du hinab auf die Grablegung der Straßen
so tief gegraben
daß sie reichen an ein Gedicht in seinem Kern

Keine Satzzeichen können aufhalten
die Wehen der Reimgesetze
Du bist nahe an den Metaphern des Windes
gehst ergraut in die Ferne
Die dunkle Nacht öffnet ihren Oberkiefer
und entblößt ihre Stufen

Es ist in jedem einzelnen Fall schade, wenn der eine oder andere Verlag nicht weiter­­machen kann oder will, die Welt der Lyrik geht bei der kaum über­­schaubaren Verlags­­vielfalt im deutschen Sprachraum allerdings keines­­wegs unter, wie 2009 hier und dort suggeriert, sondern bietet Verlagen, die bis dato viel zu wenig beachtet wurden, die Mög­­lich­­keit, stärker ins Ram­­pen­­licht zurücken – so man dies denn wünscht.
  Mit einer unkommer­­ziell ausgerichteten, auf viel Geduld basie­­renden und den täg­­lichen Einsatz fordernden Mischkalkulation des Verkaufens, Verschenkens und Tauschens gelingt es bislang in der kommuni­­kations-, korrespondenz- und korra­­bola­­tions­­lustigen Edition YE, die ich 1993 hier im sehr dünn besie­­delten, lyrik­­leserarmen Schatten­­reich des Hinter­­lands aus purer Lust am Collagieren, Edieren, Kleben, Lekto­­rieren, Montieren, Stem­­peln und Zusammen­­tragen gründete, um fortan die Kunst­­schachtel­­edition YE, die Lyrik­­zeitschrift Faltblatt sowie die Lyrik­­reihe mit Antho­­logien, Einzel­­titeln und Mono­­graphien herauszugeben, genügend Leserinnen und Leser, die Lust auf deutsch­­sprachige Lyrik haben, auf der ganzen Welt zu finden, um Auflagen bis 500 und 1000 Exemplaren zu rechtfertigen.

Die Lyrik befindet sich in einem jäm­­merlichen Zustand, schreibt Thomas Kunst im Nachwort seines 2008 erschie­­nenen Gedicht­­bands Estemaga, während Axel Kutsch im Vorwort des im Herbst 2009 publizierten, Gedichte von zweihundert Autorinnen und Autoren versammelnden Anthologie Versnetze_zwei betont: Wir leben in blühenden Lyrik-Landschaften.

So unmöglich mit mir
kann es nicht sein

schau
selten gewordene Vogelarten
sind zurückgekehrt
um zu nisten
in den Zeilen meiner Gedichte

Werner Lutz


Wie beliebt der Kaiser zu sagen: Schaun mer mal, dann sehn mehr scho.
  • Bei Dao, Das Buch der Niederlage
  • Horst Bingel, Den Schnee besteuern
  • Heinrich Detering, Wrist
  • Egon Günther, hegt traum kerne
  • Ulrich Koch, Lang ist ein kurzes Wort
  • Axel Kutsch (Hg), Versnetze_zweiKritik  externer Link
  • Swantje Lichtenstein, Landen
  • Werner Lutz, Kussnester
  • Dieter P. Meier-Lenz, Im Wortgestrüpp
  • Heinrich Ost, In Trümmern Spiegelglas
  • Kevin Perryman, Der nicht verjährte Traum
  • Nikola Richter, die do-re-mi-maschine
  • Tom Schulz, Kanon vor dem VerschwindenKritik  externer Link
  • Ludwig Steinherr, KometenjagdKritik  externer Link
  • Thien Tran, fieldings


1
Unheimlich –
im Morgen Nebel Niesel Regen schweift

habe jetzt einen flow von Gedichten
Friederike Mayröcker

  Friederike Mayröcker
dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif
Gedichte 2004-2009
Suhrkamp, 2009

Es regt sich nichts, lese ich in einem Gedicht von Adrian Kasnitz in Den Tag zu langen Drähten (sehr schön in dieser Sammlung von fünfunddreißig Gedichten das Seamus Heaney nachempfundene Gedicht Draht), werde aus der Lektüre herauskatapultiert und lande in den Illmenauer Bergen, wo die Stille unheimlich unheimlich ist:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh'
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde
Warte nur, balde
Ruhest Du auch.

Unheimlich. Mir gefriert das Blut, wenn ich diese Verse lese, und gleichzeitig beginnt es zu wallen. Dieses Gedicht gehört zu den Gedichten, die mich herauszerren aus dem soeben gelebten Moment: Ich schließe die Augen und steige, wie der chinesische Maler in sein Bild, zwischen den offenen Versen in das Gedicht hinein und werde, für Augenblicke, gleichmütig verharrend der Schubertschen Vertonung lauschend, zu diesem Gedicht. In Matthias Kehles Lyrik-Blog lese ich Jaime Gil de Biedmas Worte: Immer dachte ich, daß ich Dichter sein wollte, aber im Grunde wäre ich lieber Gedicht. Aber außergewöhnlich gelungen und besonders originell muß es sein. So wäre ich immer wieder gern Jakob van Hoddis' 1911 entstandenes Gedicht

Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Da Glücken eines Gedichts wird von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr weniger selbstverständlich. Die ersten Gedichte vor rund dreitausend Jahren zu verfassen war zum einen ein gigantischer Schritt aus der lyrischen Sprachlosigkeit heraus, zum anderen trafen die Verfasser der ersten Verse der Menschheit nicht auf den sich gleichsam permanent potenzierenden Ballast der Tradition. Als Dichter kann ich nicht so tun, als schriebe ich das erste Gedicht aller Zeiten – obwohl ich fürs besondere Gelingen u.a. auch gerade diese Grundhaltung brauche.

  Peter Ettl
Samtkrallen Wurzelflügler
Gedichte
Segler 2009


Ich setze mich beim Schreiben unab­­lässig aus­­einander mit der Geschichte der für mich erreichbaren universalen Lyrik aus aller Welt, mit dem mittel­­alterlichen, barocken, romantischen, klassischen, dem modernen, post­­modernen und zeit­­genös­­sischen Gedicht, mit Hans Arp, Gottfried Benn, Rolf Dieter Brinkmann, Paul Celan, Annette von Droste-Hülshoff, Hans Magnus Enzensberger, Elke Erb, Peter Ettl, Walter Helmut Fritz, Friedrich Hölderlin, Ernst Jandl, Thomas Kling, Axel Kutsch, Else Lasker-Schüler, Christoph Meckel, Helga M. Novak, Oswald von Wolkenstein, Oskar Pastior, Rainer Maria Rilke, Jan Röhnert, Walle Sayer, Kurt Schwitters, Georg Trakl, Christian Uetz, Olaf Velte, Walther von der Vogelweide, Uljana Wolf, Annemarie Zornack (usw.), entscheide bei jedem Gedicht, ob ich auf das Gedicht verzichte, das, für sich betrachtet, keines­­wegs miß­­lungen sein muß, gemes­­sen an bereits geschrie­­benen ver­­gleichbaren Gedichten aber nicht unbe­­dingt gut abschneidet, näher betrachtet also nicht notwendig ist und un­­veröf­­fent­­licht bleiben kann.

ihre dichtung hat eine meinen hals ausrenkende höhe erreicht, die so sehr weiter zu steigern ihre absicht ist, daß sie das alter von 150 zu erreichen pro­­klamiert hat.

Ernst Jandl

Friederike Mayröcker (Wörter wie rasende Sternschnuppen niederprasselnd) denkt vermutlich eher selten daran, auf ein Gedicht zu verzichten – wie auch, arbeitet sie doch Tag für Tag immer bloß an dem einen Gedicht, das sie früh erfunden und lebens­­länglich veredelt hat. Ruhig lächelnd sehe ich sie in diesem Augenblick konse­­quent und lässig ihr mit Komma ab­­getrenn­­tes, unver­­wechsel­­bares usw. auf das in die Schreib­­maschine eingespannte Blatt tippen.
  Seit mehr als sechzig Jahren schreibt die unermüdlich das Leben be­­singende Rhapsodin an diesem hoch­­musika­­lischen WORK IN PRO­­GRESS, diesen frei­­metrischen, lang­­zeiligen, zwischen Synästhesie und Katachrese schwingenden Gedicht­­montagen. 2009 erweitert sie mit Scar­­danelli und dieses Jäck­­chen (nämlich) des Vogel Greif ihr in jeder Bezie­­hung großes Werk um zwei weitere Bücher, deren virtuose Ver­­wand­­lung der mit jedem Tag als immer zer­­split­­terter erlebten Welt in Mayröckers Sprache mich wie jedes Mal bezaubern.
  Ist Dichtung eine Form der Berüh­­rung von möglichen und wirklichen Welten? Ähnlich äußerte sich Friederike Mayröcker (die Titel locken aber die unge­­heuren Bücher ungelesen, auf dem Fußboden neben dem Bett), die in ihren neuen Gedichten so frisch und luftig und befreiend wirkt wie eh und je. Was aber sind mögliche Welten, was wirkliche Welten? Sie wird es nicht wissen, ich weiß es nicht. Es ist auch nicht weiter wesentlich. Es gibt, glück­­licher­­weise, diese dritte Welt, in der sich die beiden Welten berühren, zu einer neuen verschmelzen. Und was für einer.

Was Friederike Mayröcker mir an lyrischen Berüh­­rungen und poeti­­schen Ver­­schmelzungen schenkt, kann ich mit Wörtern schwer bloß beschreiben. Bei Richard Dove lese ich auf Seite 170 des groß­­artigen Gedicht­­buchs Syrische Skyline: FM c'est moi. Total und ur­­sprüng­lich wirken diese in schwung­­voller Sprache und kapriziöser Form entworfenen, stets unver­­mittelt ein­­setzen­­den Gedichte, deren Sound sich ent­­faltet aus durch Allite­­ration, Anapher, Antithese, Assonanz, gelegentlich auf­­blitzendem Binnen­­reim, Paro­­nomasie, Variation, Wort­­häufung, (ver­­fremdetes, über­­maltes) Zitat usw. verknüpften Asso­­ziationen, in denen buch­­stäblich ALLES zwischen Himmel und Erde – Alltag, Begeg­­nung, Ekstase (T. S. Eliots grimmi­­gem Gedicht­­auftakt April is the cruellest month begegnet sie trunken froh­­lockend: mich betäubt dieser April dieser süsze Monat so grün und zart), Emotion, Erin­­nerung, Farbe, Freund­­schaft, Liebe, Literatur, Korres­­pondenz, Kunst, Melan­­cholie (ich weine viel), Musik, Natur (Baum, Vogel, Pflanze), Reise, Sehnsucht (ich möchte leben Hand in Hand mit Scardanelli), Sprache, Traum, Umwelt, Wind und Wolken, Zufall, „usw.“ – zu einem großen Ganzen zusammen­­fließt und die mich so teilhaben lassen an der Erschaf­­fung dieser dritten Welt mit Namen Freiheit: Ich lasse mich von meiner Sprache tragen, als sei ich aus­­gestattet mit Fittichen und es trüge mich in die Lüfte, aber ich sehe es nicht und es musz von alleine kommen ..

Friederike Mayröcker, die sich zu ihr Werk beein­­flus­­senden Menschen wie H. C. Artmann, Roland Barthes, Hélène Cixous, Jean Cocteau, Jacques Derrida, Gerhard Rühm, Friedrich Hölderlin, Ernst Jandl, Marguerite Duras, Jean Paul Sartre, Arno Schmidt und Gertrude Stein bekennt, gehört zu den von mir ganz besonders bevor­­zugten Lieblingen unter den Lyrik schrei­­benden Menschen. So lautet mein radikal subjektives Verdikt naturgemäß: Von der Mayröcker muß ich unbe­­dingt jedes neue Buch lesen. In dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif treffe ich auf Seite 73 das Gedicht

„ich bin in Trauer tiefer als du denkst“ (Dusan Kovacivics)
flackernder Schädel, meiner. Ein schräger Schein der Morgen-
sonne im Fenster Viereck graues Gewölk . . die zarte
Figur des Freundes der Freundin, danke mein
Kind
: die Stimme am Telefon, der alten Putzfrau der ich versprach
1 wenig Geld, danke mein Kind – es erinnerte mich an
T.S.Eliots WASTE LAND (danke mein Kind) oh ich sitze im kl.Garten
Am Mittelmeer, heute noch auf dem Wege zu dir aber
Nach Ischl. Die Meridian Rede des Paul Celan, hingeworfene
Vögel. Trage die alten Kittelchen : seien wärmer als frisches
Gewand usw., (be)schreibe die Wirklichkeitsform, sah aus dem blutenden
Fenster mit entzündetem Vergnügen und es heult der Wind („will
Immer studieren“) zieh mich rasch an / religiöses Wolkenmeer, denke
so viel an dich möchte dich wiedersehen, so verzaubert die
Schreibkammer dasz ich weinen musz . . dies getippteste
Begräbnis : eine Art Waldes Maschine, wie die Wolken rasen
über den Himmel, als ich im kalten Zimmer (in Nässjö)
unter die Decke (raubte) VERLESEN während
die Schwalben funkelten und ich im Kalender schaute der wievielte
August, Klaus Schöning sagte in unserem Alter ist alles symbolisch

6.08.05


Thomas Kling unterstreicht: Die Mayröcker gehört zu den Unikat­­künstlern, und nicht zuletzt dieses Verdienst des uner­­müd­­lichen Fort­­setzens von Versuchs­­anord­­nungen ist es, das ihr seit langem den Respekt von Autoren sichert, die gerade halb so alt sind wie sie oder noch jünger. Sie hat viele beeinflußt, das stellt sich immer deutlicher heraus. Zu diesen zählen u.a. Marcel Beyer, Ulrike Draesner, Michael Donhauser, Thomas Kling, Michael Lentz (Die deutsch­­sprachige Poesie ist derzeit die inter­­national bedeut­­samste. Allein schon Friederike Mayröcker zu nennen genügt) und Peter Waterhouse. Mit John Ashbery und Les Murray bildet Friederike Mayröcker mein universales Lyrik­­kleeblatt lebender Dichter. Ich sehe Friederike Mayröcker in ihrer von Büchern, Briefen, Heften, Zetteln übersäten vertrauten Wiener Wohnung vor der Schreib­­maschine sitzen, im Hinter­­grund läuft Musik von Johann Sebastian Bach und ihre Seele spannte / weit ihre Flügel aus, / flog durch die stillen Lande, / als flöge sie nach Haus, usw.
  • Richard Dove, Syrische Skyline
  • Hans Magnus Enzensberger, Rebus
  • Peter Ettl, Samtkrallen Wurzelflügler
  • Walter Helmut Fritz, WerkausgabeKritik  externer Link
  • Adrian Kasnitz, Den Tag zu langen Drähten
  • Friederike Mayröcker, dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif
  • Friederike Mayröcker, Scardanelli
  • Walle Sayer, KerngehäuseKritik  externer Link



2
Achterbahnfahrt –
Schwingen des Staunens

To find a form that accommodates the mess,
that is the task of the artist now
Samuel Beckett

(1)

bzw. seht nur diesen text! wie er einmal angestoßen wächst. und
wächst. hält augenblicklich folgendes bereit: zum geleit. alles be-
ginnt mit dem trimm. gezwitscher aus dem schwödebrei. prosa-
einschub die gerber. dann: die eigentliche prüfung. narbenplatzer.
art schadensbericht. der hat sich gehörig gebimst. subgattung lyri-
sches gespinst. zu guter letzt: ladung tragende aminogruppen wie
etwa: virulenter schleifbox-softy. vom liedhaften approxi süßer
sämischmann
wurde aus gründen des anstands abstand genommen.

Ulf Stolterfoht, fachsprachen XXXI
para-schwarte „schaut auf diese haut“

Gedichte sind keine Sonnenuntergänge, denen Millionen Menschen Jahr für Jahr Tausende von Kilo­­metern hinterherrasen, um sie an dreizehn auf­­ein­­ander­­folgenden Tagen bei Ouzo oder Chianti zu bewundern. Was soll ein Vers, der keine Zumutung ist? Er ist eine Zumutung oder er ist ein Parfüm. Ein Steinschlag, oder Dünger fürs Feuilleton ... Rücksichts­­losigkeit ist die Chance des Gedichts. Sie ist die Aufklärung der poetischen Sprache (Christoph Meckel). Die – der Musik gegenüber ja kaum so ausgeprägte – verstand­­orien­­tierte bzw. dualis­­tische Einstellung vieler Lyrikleser weiterhin nicht kleinzukriegen: Wie ist doch meine Seele zwischen Auge und Ohr getheilt, stöhnt der Tempelherr in Nathan der Weise, und eine ähnlich fatale Trennung – diesmal zwischen Intellekt und Emotion – sehe ich bei Lesern, die erwarten, daß ihnen Gedichte wie reife Geistesfrüchte auf dem Silbertablett dargereicht werden, Gedichte, die ihnen ins gedankliche Konzept passen, sie auf angenehme Weise provozieren, Wohl­­behagen bereiten, Sonnen­­unter­­gangs­­traurig­­keit evozieren und dabei vielleicht noch einen sanften Impuls in sozial­­kritischer Hinsicht geben. Alles Ungewohnte, Unkon­­ventionelle, Unübliche das energische Auseinan­­dersetzung fordert, wird schnell als zu schwer verdaulich empfunden, und man wendet sich mit einem kopf­­schüttelnden Kannitverstan ab. Dabei ist die Sprache des Gedicht doch gerade da in ihrem eigentlichen Revier, wenn sie so unverwechselbar ausdrückt, was anders nicht formuliert werden kann, die Sprache des Gedichts ist das immerwährende Morgen­­sternsche Lalula:

Kroklokwafzi? Semememi!
Seiokrontro – prafriplo:
Bifzi, bafzi; hulalemi:
quasti basti bo ...
Lalu lalu lalu lalu la!

Hontraruru miromente
zasku zes rü rü?
Entepente, leiolente
klekwapufzi lü?
Lalu lalu lalu lala la!

Simarar kos malzipempu
silzuzankunkrei (;)!
Marjomar dos: Quempu Lempu
Siri Suri Sei []!
Lalu lalu lalu lalu la!

Gedichte lesen ist eine meta­­bolis­­tische Achter­­bahnfahrt, ein Auf und Ab, ein Quer und Kreuz durch die Großhirn-, Stammhirn- und Neokortex-Windun­­gen, ich werde absolut, voll und ganz, total in Anspruch genommen, die Phantasie wird beflügelt, das Blut ist in permanen­­ter Wallung, plötzlich runzle ich die Stirn, warum bin ich dermaßen wütend, und nichts als Fragen und Ratlosigkeit offenbaren sich: ganz wie im richtigen Leben. Gerade so wie mich zahllose Kon­­fron­­tationen des Alltags in die viel­­fältigsten Stim­­mungen versetzen, versetzt mich die Gedicht­­lektüre je nach dem in ein Schwingen des Staunens, der Begeis­­terung, der Zuneigung, des Sich-Fragens, der Verehrung, des Zorns, der Empörung, des Selber-noch-nicht-Wissens! (Peter Handke, Versuch über die Müdigkeit). Und während der berau­­schendsten Lese­­augenblicke erfahre ich, was ebenfalls Peter Handke so überzeugend im Versuch über die Jukebox beschreibt: Die Begegnung mit Lyrik wird mir zur „Levitation ..., Auf­­fahrt?, Entgrenzung?, Weltwerdung? Oder so: Das – dieses Lied, dieser Klang – bin jetzt ich; mit diesen Stimmen, diesen Harmo­­nien bin ich, wie noch nie im Leben, der geworden, der ich bin; wie dieser Gesang ist, so bin ich, ganz!


Keine Gewähr

  Bernd H. Fischle
Die Helden des Rückzugs
Gedichte 1992-2009
Killroy Media, 2009

Bei welchen Gedichtbüchern des Jahrgangs 2009 ist es mir annähernd so ergangen? Überwog Langeweile oder Kurzweil in diesem Jahr? Wer überrascht, wer sorgt für Überdruß? Welche Gedichte brauche ich, auf welche kann ich gut und gern verzichten? Zum Glück für die Autoren gehen die Bewertungen der Leser von Gedichten immer wieder weit aus­­einander, und ich werde hier nicht den einen Band gegen den anderen ausspielen.
  Ich beschreibe – exemplarisch – Lektüre­­eindrücke, und in ihrer Ge­­samt­­heit halte ich die hier zusammen­­getrommelte Schar von Autoren mit ihren neuen Büchern für ein typisches erfolgreiches Ensemble, das nicht nur mit Stars und Größen besetzt sein darf, um gut zu sein. Das eine Gedicht­­buch ist über­­wäl­­tigend, das andere über­­zeugend, jenes ist ansprechend, dieses okay. Über das nächste hülle ich den Mantel des Schweigens, in einem weiteren finde ich ein originelles Gedicht. Mit dem einen Gedicht­­buch bin ich wie der Blitz per du, bei dem anderen bleibt (zunächst?) eine, nicht immer leicht zu ver­­stehende Distanz.
  Während der lustwustvollen Lektüre von Ulf Stolterfohts musikalischen Fachsprachen XXVIII-XXXVI stelle ich, beispiels­­weise, fest, daß seine Lyrik und ich uns mit jedem Buch näher­­kommen: Diese neuen Gedichte, in denen tausend Stimmen aus dem Dies- und Jenseits anklingen, springen mich an, sind total mein Ding.
  Ich fänd's schad, wenn sich mir alle Lyrik immer einfach, leicht und ohne Hinder­­nisse erschlösse: Der einfache Gang durch die Wiesen oder Straßen am einen, die schweiß­­treibende Kraxelei auf den Berg am anderen Tag – beides steckt voller Reize und ist in seinen spezi­­fischen Eigenarten schwer bloß miteinander ver­­gleichbar. Und eins ist eh klar: einmal oben angekommen, hast Du die herrlichste Aussicht, und alles, was vorher verzwickt war, kommt dir in diesem Moment ganz luftig, ätherisch, sylphenhaft vor.

So schlage ich das nächste Buch auf, und die Augen beginnen von neuem zu fahnden: Wo sind die funken­­sprühenden, licht­­gebornen Wörter, die klingen und riechen und Bild sind zugleich? Gewiß, Gedichte bestehen zumeist aus verschie­­denartigen ernst­­zu­­nehmenden, zueinander in Bezie­­hung ste­­henden, poly­­valenten alle­­gorischen, formalen, graphischen, inhalt­­lichen, motivischen, psychi­­schen, rheto­­rischen, sprachlichen, stoff­­lichen, symbo­­lischen Grund­­elementen: Das Gedicht ist immer zugleich sichtbares Gewebe, hörbares Gebilde und Aussage über die Welt. Norbert Hummelt während der lustvollen Lektüre von Wie Gedichte entstehen voll und ganz zustimmend, halte ich es beim Gedicht gern mit George Orwells Roman Animal Farm, in dem heißt: All elements are equal but some elements are more equal than others. Primär die Wörter suche ich, wie Wild­­schweine (deren Zahl in den Wäldern rings umher bedrohlich anschwillt) die Trüffel suchen.

Die Seele geht spazieren, natürlich in den Wörtern, lese ich bei Rolf Dieter Brinkmann, dessen mehrere Seiten langes, alles verneinendes Ein Gedicht eines durch­­gehend bejaht (obwohl der Autor auch ihnen maßlos mißtraut): die Wörter. Ce n'est pas avec des idées, que l'on fait des vers. C'est avec des mots. (Stéphane Mallarmé)

Ein Wort

Ein Wort, ein Satz –: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort –, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich –,
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.

Gottfried Benn

Direkte Vergleiche bringen mich nicht weiter. Wer 1919 (Hans Bender), 1929 (Hans Magnus Enzensberger) oder 1945 (Axel Kutsch) geboren wurde, bringt in aller Regel andere Voraussetzungen für das Verfassen von Lyrik mit ins Spiel als jemand, der 1974 (Adrian Kasnitz), 1980 (Sandra Trojan) oder 1982 (Katrin Marie Merten, Gerrit Wustmann) das Licht der Welt erblickte. (Was wohl würde die 1924 geborene Friederike Mayröcker zu dieser Anmerkung sagen?) Zu ungleich sind die Bücher auf dem Weg vom 31seitigen Sonetten­­kranz bis zu den gesammelten Gedichten auf 1155 Seiten. Vierzeiler, Sonett, frei­­metrischer Flatter­­vers, Gedichte, die den Aufenthalt in der Zuchthauszelle in Verse bannen, und solche, die uns in ferne Länder ent­­führen, Trottoir­­lyrik, Stein­­garten­­poesie, Bestands-, Blitz­­licht- oder Moment­­aufnahme, absurd, grotesk, paradox, skurril sprudelnde Phan­­tas­­magorie, liebe­­voller Abgesang, einge­­frorenes Stand­­bild, Waden­­beißer­­gedicht, Gedicht­­gedicht.

du lieber himmel, ein gedicht!

du lieber himmel!
ein herrenloses gedicht
streunt über die seite
vielleicht beisst es!
ein wadenbeissergedicht!
nehmen sie sich in acht
gedichte haben scharfe zähne
dringen tief ein ins fleisch
sehen harmlos aus
wenn sie so über die seiten weiden
so friedlich
beinahe könnte man sie lieben
und dann
schnappen sie zu

Jolanda Fäh


  Matthias Kehle
Fundus
Gedichte
Silver Horse Edition, 2009

Wie etwa soll ich Uwe Tellkamps furioses phantastisches Langgedicht Reise zur blauen Stadt, Matthias Kehles lakonische, verhaltene, aus wenigen Wörtern bloß gemachte Gedichte in Fundus und die sati­­rischen Gedichte in Hans Magnus Enzensbergers Rebus unter einen Hut bringen? Wieso sollte ich das auch wollen: So wie jedes Gedicht zunächst für sich steht, so auch jeder Gedicht­­band. Zu verschiedenartig sind die Schreib­­ansätze – von akzentuiert oder aus­schweifend bis berauscht, charmant, drangvoll dicht, eckig, forciert, frech oder fröhlich, grob­­schläch­­tig, hin­­ge­­haucht, irrational, japanisch, knisternd, katachresisch, kurz und knapp, lang, lakonisch oder lebendig, mäandernd, metal­­yrisch, mokant, nachdenklich, obskur, pointiert, queck­­silbrig, reimend, sinnlich, schnoddrig, spröde, sperrig, transtextuell, trotzig, universal, verwegen, waghalsig, xenisch, ybermütig bis zickig – „usw.“. Der eine knausert derart mit Wörtern, daß die Blätter dem Schneefeld mit Krähen gleichen, während sich bei der anderen die im Wirbel­­wind tosende Wörterflut temperamentvoll in die Seiten ergießt.

Wo nehme ich nur die Zeit her,
so viel nicht zu lesen?
Karl Kraus

Es gibt nur den einen direkten Weg, herauszufinden, wie ein Gedichtbuch beschaffen ist: Ich muß es lesen. (Oh my – not again.) Nicht querlesen, nicht darüber lesen, sondern direkt lesen. Täte ich das nicht und hätte immer wieder auf Kommentare gar nicht so weniger anderer Menschen gehört, die mit Brinkmann nichts anfangen können, die Kling geringschätzen, die von Fritz und Hölderlin kaum etwas und von Oswald von Wolkenstein nichts gelesen haben, wo stünde ich heute? Daran mag ich nicht denken und komme nicht umhin, das (überschaubare) Risiko in Kauf zu nehmen, die eine oder andere Lektüre im nachhinein als Raub von Lebenszeit zu betrachten. Dafür übernehme ich keine Gewähr, außer daß ich sage: Für jeden der hier aufgeführten Titel gibt es Leser, die gerade auf dieses Buch gewartet haben.

Diese gleichsam für jede Woche des Jahres 2009 ausgewählten 52 Ein­zel­titel lebender Schreib­­genossen von Klaus Anders bis Gerald Zschorsch habe ich interessiert, (sehr) gern bzw. mit (großer) Begeisterung und Gewinn gelesen, mich bei einigen prächtig amüsiert. Einzelne haben mich überwältigt, manche warten mit feinen Überraschungen auf, und jedes dieser Bücher hat nun als mehr oder weniger starkes, mehr oder minder strahlendes Stück/chen im Mosaik meiner Büchersammlung seinen Platz gefunden:
  • Klaus Anders, Silbermanns Rosen
  • Jürgen Becker, Im Radio das Meer
  • Hans Bender, Wie es kommen wird
  • Jörg Bernig, wüten gegen die stunden
  • Gerwalt Brandl, Ausgewählte Gedichte
  • Theo Breuer, Wortlos
  • Erika Burkart, Geheimbrief
  • Heinrich Detering, Wrist
  • Richard Dove, Syrische Skyline
  • Carl-Christian Elze, gänge
  • Hans Magnus Enzensberger, Rebus
  • Peter Engstler, Strophen eins
  • Peter Ettl, Samtkrallen Wurzelflügler
  • Jolanda Fäh, Wadenbeissergedichte
  • Bernd HARLEM Fischle, Die Helden des Rückzugs
  • Kersten Flenter, Glückselige Waisen der Verwirrung
  • Marianne Glaßer, Landschaft mit Mond und Segel
  • Egon Günther, hegt traum kerne
  • Florian Günther, Mir kann keiner
  • Michael Hillen, Ablegende Schiffe
  • Friedrich Hirschl, Nachthaus
  • Adrian Kasnitz, Den Tag zu langen Drähten
  • Matthias Kehle, Fundus
  • Ulrich Koch, Lang ist ein kurzes Wort
  • Helmut Krausser, Auf weißen Wüsten
  • Björn Kuhligk, Von der Oberfläche der Erde
  • Swantje Lichtenstein, Landen
  • Eberhard Loosch, Weltenchaosspielgesang
  • Werner Lutz, Kussnester
  • Friederike Mayröcker, dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif
  • Dieter P. Meier-Lenz, Im Wortgestrüpp
  • Katrin Marie Merten, Salinenland
  • Iwona Mickiewicz, brunnentief brunnenklar
  • Frank Milautzcki, Hemden denken
  • Georg Milzner, Ophelias
  • Heinrich Ost, In Trümmern Spiegelglas
  • Kevin Perryman, Der nicht verjährte Traum
  • Thomas Rackwitz, in halle schläft der hund beim pinkeln ein
  • Ewart Reder, Verfasste Landschaft
  • Nikola Richter, die do-re-mi-maschine
  • Walle Sayer, Kerngehäuse
  • Dieter Schlesak, Ich liebe, also bin ich
  • Tom Schulz, Kanon vor dem Verschwinden
  • Ludwig Steinherr, Kometenjagd
  • Ulf Stolterfoht, fachsprachen XXVIII-XXXVI
  • Rainer Strobelt, schöner ganzer frieden
  • Uwe Tellkamp, Reise zur blauen Stadt
  • Thien Tran, fieldings
  • Sandra Trojan, Um uns arm zu machen
  • Jürgen Völkert-Marten, Als das Verwünschen noch geholfen hat
  • Gerrit Wustmann, Morgenende
  • Gerald Zschorsch, Zur elften Stunde

3
Scylla und Charybdis –
Im Salinenland


  Katrin Marie Merten
Salinenland
Gedichte
Lyrikedition 2000, 2009

Was soll ein Vers, der keine Zumutung ist? fragt Christoph Meckel noch einmal, während ich mich in Katrin Marie Mertens Salinenland aufhalte. Beseelt von Friederike Mayröcker (dieses lichtblaue Paradies im offenen Fenster) und Gerard Manley Hopkins (Sweet fire the sire of muse), deren neue Gedichtbücher mich in diesen Tagen dermaßen berauschen, daß ich phasenweise wie von Sinnen bin und die Gedichte lese, bis die Wörter wie die vielfarbigen Blätter draußen zu wirbeln beginnen, denke ich: Was wäre Odysseus ohne die Begegnung mit Scylla und Charybdis, die ihn trotz eigentlich ungleichen Kampfes vergeblich aufzureiben versuchen? Er wäre nicht der Odysseus, der, so lange Menschen die Erde beleben, unsterb­­lich bleiben wird.
  Nun kann weder Katrin Marie Merten Odysseus sein, noch halten Mayröcker und Hopkins einen Vergleich mit den beiden unge­­heuren Unge­­heuern stand. Und doch setzt sich der Vergleich hartnäckig fest, und ich riskiere, weiterschreibend, grandios mit den folgenden Worten zu scheitern. Katrin Merten gerät zum falschen Zeitpunkt ins Hinterland. Der ungereimte Härtetest, zwischen Mayröcker und Hopkins zu bestehen, kann nicht zu ihren Gunsten ausgehen, dafür ist sie noch nicht listen- und fintenreich genug - was auch niemand erwarten wird, oder doch? Es kann keinen Bonus für junge oder alte Autoren oder solche in der midlife crisis geben. Wer ein Buch mit Gedichten veröffentlicht, muß sich fragen lassen, ob das Ergebnis die eingesetzten ideellen und materiellen Energien rechtfertigt.
  Jedenfalls: Gleich der erste Vers mit dem einfach formulierten Bild Meine Hände sind der Anfang von mir, / dahinter lebe ich [...] weckt meine ganze Aufmerksamkeit. Wörter wie lichtarm, kriechen, Körperhöhle, Häute, Grenzland, streunen, Sperrgebiet, ungefragt, pendeln, Aufbruch klammern mich bis zum pointierten Ende an die lakonisch verfaßten Verse. So segle ich unbekümmert hinein ins Salinenland und lese die weiteren zehn Gedichte des ersten Kapitels mit dem Schwung, den ich mit dem ersten Gedicht aufnehme, stoße laufend auf treffende Wörter, geschickt gesetzte Alli­­terationen, Antithesen, Binnen- und Klammerreime (sehr schön, bei­­spiels­­weise, wie in Wenn einer geht das Verb geht im ersten Vers mit dem Verb steht ganz am Ende korres­­pondiert: ein schlichter, wegen der echten, nicht künstlich herbeigeführten Zusammengehörigkeit der Wörter gelungener Reim, der das Gedicht formal gleichsam befestigt, sichert, stützt), erkenne die sehr bewußt gewählte Kargheit dieser an der Ober­­fläche schlichten, in der Tiefenstruktur als schicksalhaft wahrnehmbaren Minia­­turen.

WEIL STÄDTE NIE SCHLAFEN (auch die nicht,
in der ich lebe), geben die Straßen
nicht Ruhe: Immer das Rollen von Reifen,
das Holpern von Bahnen in Schienen,
das Stürzen, das Schreien, das Lachen
von Menschen, ein Flugzeug
dicht über dem Dach. Und immer
der Einschlag von Licht auf den Lidern,
der Eintritt in tiefere Räume verhindert,
hier ist es niemals finster, nicht still.

Meine Lese­­empfin­­dungen kühlen mit Beginn des zweiten Kapitels ab, ich sehe die formal und tonal sehr ähnlich arrangierten Gedichte nicht mehr ganz auf der Höhe der schwingenden Verse des ersten Kapitels, Wörter und Ideen beginnen sich zu wiederholen. Es regt sich nichts mehr beim Lesen, und was ich zuvor als klar und schön empfand, beginnt mich zu ermüden, ich denke plötzlich Wörter wie ›belanglos‹, ›beliebig‹ und ›simpel‹, hoffe auf das nächste Gedicht – Der Wind wischt dir gleich einem Tuch / das Gesicht setzt es ein, eine Zumutung, denke ich, aber nicht ganz im Meckelschen Sinne, und spätestens jetzt beginne ich mich nach Friederike Mayröckers auf und ab der brausende rauschende orgelnde flügelschlagende wind und Gerard M. Hopkins' wiry and white-fiery and whirlwind-swivellèd snow zu sehnen.
  • Gerard Manley Hopkins, Geliebtes Kind der Sprache
  • Katrin Marie Merten, Salinenland
  • Friederike Mayröcker, dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif


4

Unübersetzbar –
Die gelenkige Sprache das Englische

Strike, churl; hurl, cheerless wind, then; haltering hail
May's beauty massacre and wisped wild cloud grow
Out on the giant air; tell Summer No,
Bid joy back, have at the harvest, keep Hope pale.

Gerard Manley Hopkins


  Gerard Manley Hopkins
Geliebtes Kind der Sprache
Gedichte
Edition Rugerup 2009

Mit achtzehn Gedichten ist Gerard Manley Hopkins (1844-1889) in The Oxford Anthology of Great English Poetry, die seit Jahren Teil meiner Samm­­lung ist, vertreten, was allein schon zeigt, mit welcher lyrischen Größe wir es hier zu tun haben. (Zum Vergleich: Von Seamus Heaney finde ich vier, von Ted Hughes sechs Gedichte.) Dennoch nehme ich die Gedichte von Hopkins in ihrer leben­­digen Ori­­ginalität erst vollends wahr, als ich – just in derselben Woche, als ich Friederike Mayröckers dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif lese – Geliebtes Kind der Sprache aufschlage und mir wie der Blitz mit dem ersten, sich über zwölf Seiten hinziehenden Gedicht The Wreck of the Deutschland ein Licht aufgeht, dessen Leuchten von einer selten erlebten, in alle fühl- und wahrnehmbaren Bereiche von Kopf und Körper vordringenden Durchschlagskraft ist, daß Hören und Sehen, nein, nicht vergeht, sondern in atem­­beraubender Art und Weise vermehrt, verschärft, verstärkt wird, wenn Sie verstehn, was ich meine.

Friederike Mayröcker weist verschiedent­­lich darauf hin, daß sie Wörter kursiv setzt, damit diese beim Lesen und Vortrag in besonderer Weise hervorgehoben werden: Das Kursivgedruckte simuliere ich auf meiner Schreibmaschine, indem ich die Worte unterstreiche. Das heißt dann, dass es ganz wichtig ist und anders ausgesprochen werden muss. Wenn ich Groß­­buch­­staben verwende, dann muß es laut gesagt, ja fast geschrieen werden.
  Die ungewöhnlich wirkende Setzung von Akzenten bei Hopkins verfolgt eine ähnliche Absicht und zeigt, für sich betrachtet bereits, was für eine innovative Explosionskraft in diesem dem Wortakzent, der Silbenbetonung und der Satzmelodie, diesen Grundpfeilern der Prosodie, so viel Gewicht ein­­räumenden Gedicht steckt. Bild, Erlebnis, Gedanke, Idee, Vorstellung: Alles wird direkt durch (neologistisches) Wort und (idiosynkratische) Kollokation und (kongenialen) Rhythmus vermittelt – alles.
  The Wreck of the Deutschland ist, wie mehr oder weniger jedes der fol­­genden Gedichte, ein einziger alle­­gorischer, allite­­rativer, anti­­thetischer, assonanter, bild­­durch­­tränkter, binnen-/ketten-/end­­reimender, latent ero­­tischer, hyper­­bolischer, laut­­malender, paro­­nomis­­tischer, wort­­häufender, religiös be­­hauchter, Gott lobender, mit dem Lebens­­schicksal hadernder englischer Wortwirbel, in dem eine Wortwelle über die nächste und nächste und nächste herein­­bricht, der mir nichts ermöglicht, als mich diesen sug­­gestiven Kas­­kaden hinzugeben, mitreißen zu lassen im Strom der zwischen himmel­­hoch­­jauchzend und zutode­­betrübt changierenden Wörter, Wörter, Wörter, deren avant­­gardistische Bedeut­­samkeit erst lange nach seinem Tod öffentlich gemacht wurde – zu Lebzeiten wurde kein Gedicht publiziert.

Ich empfinde bei diesem Tanz durch total musikalische, naht- und immer wieder punktlos ineinander verschlungene Verse mit zahl­­losen Allu­­sionen, Asso­­ziationen, Bedeu­­tungs­­ebenen und -wendungen, Echos, Chiffrierungen usw. eine bemerkens­­werte Verwandt­­schaft zur poésie pure eines Stéphane Mallarmé, dessen Zeit­­genosse Hopkins war (ohne von ihm zu ahnen). Auf frappante Weise wird mit diesem in der Edition Rugerup erschienenen 299seitigen Buch (das, zwei­­sprachig, mit aus­­führ­­lichen Anmer­­kungen zu den einzelnen Gedichten sowie in die Tiefe gehenden Auf­­sätzen der einfühl­­samen Über­­setzerin und exzel­­lenten Fachfrau Dorothea Grünzweig – Hopkins ist unübersetzbar – ediert, eine grandiose verlegerische Leistung der in Südschweden lebenden Margitt Lehbert darstellt) auch der Bogen zur zeit­­genös­­sischen, ebenfalls extrem verdich­­teten, permanent pul­­sie­­renden Lyrik einer Friederike Mayröcker (die gelenkige Sprache das Englische) geschlagen.

Hier geht das Intermezzo der miteinander tanzenden Sprachen weiter:

  • Bei Dao, Das Buch der Niederlage
  • Werner Bucher (Hg.), Poesie Agenda
  • Patrizia Cavalli, Diese schönen Tage it/d
  • Ivan Dobnik, Spiva na zadnji obali / Wir schlafen an der letzen Küste sl/d
  • Urs Engeler (Hg.), Zwischen den Zeilen dän/d
  • Peter Ettl, Inseln – Isole d/it
  • Pierre und Ilse Garnier, Erträumtes Leben / Gärten der Kindheit
  • Michael Hamburger, Letzte Gedichte d/e
  • Gerard Manley Hopkins, Geliebtes Kind der Sprache d/e
  • Gerard Manley Hopkins, Auf dem Rückflug zur Erde Hörbuch e/d
  • Josef Hrubý, ´Mon cher Arcimboldo / Liebling Arcimboldo f/d
  • Karl E. Jirgens (Hg.), Rampike d/e
  • Werner Lambersy, Gespräch im Innern einer Mauer
  • Jean-Michel Maulpoix, Eine Geschichte vom Blau / Une Histoire de Bleu
  • Pablo Neruda, 20 Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung
  • Charles Plymell, MINDEATER. Altes Land
  • Annie Salager, Aimez-vous la mer, le tango / Tango und Meer f/d//
  • Göran Sonnevi, Das brennende Haus
  • John Updike, Endpunkt
  • Stefanie Weh (Hg.), Decision d/e/f
  • www.interlitq.org

5
Volta Schlenderei
King sun, rosy cheeked, day's sovereign coin

Afrikaans, Albanian, Arabic, Arumanian (Vlach), Azeri, Azerbaijani Turkic, Pasque, Bengali, Breton, Bulgarian, Catalan, Chinese, Croatian, Czech, Danish, Dutch, Ebira, English, Estonian, Faroese, Finnish, French, Galician, Georgian, German, Greek, Hausa, Hebrew, Hungarian, Ibibio (Efik), Icelandic, Igbo, Irish Gaelic, Italian, Japanese, Kurdish, Kyrgyz, Latvian, Lithuanian, Lumasaba, Macedonian, Malay, Maltese, Mongolian, Nepali, Nigerian Pidgin English, North Eastern English, Norwegian, Nupe, Persian, Polish, Portuguese, Punjabi, Romanian, Runyankole, Russian, Scots, Scottish Gaelic, Sepedi, Serbian, Shetlandic, Sindhi, Slovak, Slovenian, South Allemanic Dornbernerisch (Vorarlberg), Spanish, Swedish, Triestino, Turkish, Turkmen, Ukrainian, Urdu, Uzbek, Welsh, Yiddish, Yoruba


  Richard Burns
Schwarzes Licht
Gedichte
Übersetzung: Theo Breuer
Bunte Raben Verlag

Zum Buch  externer Link


75 languages including the English, schreibt Richard Berengarten, der kürzlich den ursprüng­­lichen Namen seines Vaters annahm, der im frühen 20. Jahr­­hundert aus Polen nach England auswanderte und den Namen Berengarten in Burns umwandelte.
  In Zusammenarbeit mit Peter Robertson, dem Editor des Lite­­ratur­­portals The International Literary Quarterly, sammelte Beren­­garten die zahlreichen Über­­tra­­gungen des Gedichts Volta (ursprünglich 1983 in seinem inter­­national erfolg­­reichs­­ten, Land, Leben und Leute in Griechenland in Verse verwandelnden Gedichtbuch Black Light veröffentlicht; meine deut­­sche Über­­tragung erschien 1996 im Bunte Raben Verlag unter dem Titel Schwarzes Licht), die im November 2009 einschließlich des exzellenten Essays Border/Lines von Richard Berengarten (This anthology of poems is a celebration of multi­­lingualism and diversity) in der 9. Ausgabe von Interlitq.org nachzulesen sind. Kaum zu fassen ist die Vielfalt der an den ver­­schiedensten Orten der Welt ent­­standenen Versionen, auf die ich in diesem weltweit und historisch wohl einmaligen Projekt treffe.

Volta. Schlenderei

... jetzt, wo die Dämmerung hereinbricht ...
König Helios, rosawangiger, hellichter Sterntaler,
du kommst mir ganz nah, Haut wird zu Horn,
Wirbelsäule zum Sehnerv, ich zittre am ganzen Leib,
geblendet von dem Goldstrom, den du über dieses
Meer und diese Stadt vergießt und der mir das Augenlicht raubt.
Hier waren einmal - und ich weiß, sie sind hier immer noch -
Häuserzeilen und Straßen, die zu einer anderen Stadt gehören,
nicht dieser, die du vollkommen verwandelt hast.

Wir gehn das Hafenbecken entlang, die nächtlichen
Fischerboote warten darauf, hinauszufahren,
Motoren tuckern, Parafinlampen flackern,
die ganze Stadt ist auf den Beinen,
Verliebte Arm in Arm, alberne Bengel,
Mütter, Väter, eisschleckende Kinder,
und alte Männer schaun dem Treiben von Kaffeehaustischen zu,
während die dunkel werdenden Hügel wie zahme Tiere näher rücken.

Süßes über Berg und Bucht versprühtes Abendrot,
wie zufällig streift mich dein Arm,
wie die Berührung der jungen Frau, die neben mir geht,
breithüftig, kurzschrittig, mit wiegendem Gang,
pechschwarzem, zurückgekämmtem Haar, zartem Hals, leichter Schulter,
Sommerteint und lachenden olivbraunen Augen.
Ich trinke dich, schimmerndes Licht, wie Wein, wie Musik,
wie ihre Vorfahren dich jahrtausendelang getrunken haben.

Poröse Stadt, sie heißt Elefthería,
deine Narben sind graue Lichttüpfchen in ihren Augen,
und sie hat um diese Stunde, wenn Lichtreflexe
zärtlich in ihrem Gesicht spielen, wie Sprache oder Gesang,
das althergebrachte Recht, diesen Kai entlang zu schlendern,
als Spielball und Hüter deines Glanzes,
den sie im Brunnen ihrer tiefgründigen Pupillen sammelt,
und ihr Lieblingsvorrecht: dich zu beschreiten wie eine Tänzerin.

Liebster Abend, uraltes Licht,
schönstimmiger Solist, lieblich wie diese Frau,
wie kann ich nicht die Anmut bewundern,
in die du diese Stadt und ihre Menschen tauchst, Gußform,
die alles, was sie berührt, zum Bild macht, die ganze Welt.
Ich bin dein Sklave geworden, vielleicht gar dein Bürger,
und ich lechze danach, dich ganz zu trinken,
jede Pore mit deinem Glanz zu füllen - ihrer Freiheit.

www.interlitq.org



6
Exemplarischer Buchstabe B, exemplarisch
It's running and re-running non-stop


  Horst Bingel
Den Schnee versteuern
Gedichte
fund-orte 33

orte Verlag  externer Link


Ein Tag unter vielen

An kommunalen Bauten
blühen die Geranien,
und jemand, der mich haßt,
zieht seinen Hut und grüßt –
Um sieben
schlägt es sieben, weiter nichts.
Es wird die Nacht
mich an die Lampe zwingen.

Rainer Brambach

Autoren, zu deren Büchern ich regelmäßig greife, die ich wieder und wieder lese, deren Werk – Lyrik und Prosa (Jürgen Beckers Journalsätze lese ich wie Gedichte: Etwas entdecken, auch wenn man weiß, es ist schon entdeckt) – mich auf den Wanderungen durch die Mark Letterland stets begleitet und von denen ich 2009 diese Gedichtbücher (zum ersten oder wiederholten Male) las:

Jürgen Becker • Das Gedicht von der wiedervereinigten Landschaft (1988), Im Radio das Meer (2009)

Hans Bender • Der junge Soldat (2006), Ritus der Wiederkehr (2006), Wie es kommen wird (2009)

Gottfried Benn • Gedichte in der Fassung der Erstdrucke (2006)

Richard Berengarten • The Blue Butterfly (2006)

Horst Bingel • Den Schnee besteuern (2009)

Paulus Böhmer • Kaddish X-XXI (2007)

Rainer Brambach • Tagwerk (1959)

Bertolt Brecht • Liebesgedichte (2009)

Rolf Dieter Brinkmann • Westwärts 1 & 2 (2005)

Werner Bucher • Den Fröschen zuhören, den toten Vätern (2005), Du mit deinem leisen Lächeln (2007)

2009 – It's running and re-running non-stop – kommt ein Autor hinzu, von dessen lebendigen Gedichten ich noch nichts vernommen hatte, obwohl sie, wie ich nun weiß, zur originellsten zeitgenössischen Lyrik Irlands zählen. Der Sound dieser Gedichte erobert Kopf und Herz im Sturm:

Paddy Bushe • To Ring in Silence. New and Selected Poems (2008)
  • Jürgen Becker, Im Radio das Meer
  • Hans Bender, Wie es kommen wirdKritik  externer Link
  • Horst Bingel, Den Schnee besteuern
  • Bertolt Brecht, Liebesgedichte


7
Vergnügungen –
Die Kirschen sind reif


Vergnügungen

Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen
Das wiedergefundene alte Buch
Begeisterte Gesichter
Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten
Die Zeitung
Der Hund
Die Dialektik
Duschen, Schwimmen
Alte Musik
Bequeme Schuhe
Begreifen
Neue Musik
Schreiben, Pflanzen
Reisen
Singen
Freundlich sein

Bertolt Brecht
Der deutsche Lyrikkalender
10. Februar 2010


Mitte Juli grub ich, während die Autos wie von Sinnen vor­über­brausten, auf einer direkt an der B 258 gelegenen wilden Wiese lila blü­henden Storch­schnabel aus, um ihn im stillen Garten wieder ein­zupflanzen. Am nächsten Tag ging ich erneut die 700 oder 800 Meter dorthin, diesmal war der Schlan­gen­knöte­rich an der Reihe, den ich hinterm Sistiger Kreis­verkehr im Hang am Straßen­rand entdeckte. Ende Juli grub ich im Wald das Gänse­finger­kraut mit allen den Würzlein aus und pflanzt es wieder am stillen Ort unterm Kirsch­lorbeer. Der weiße Wiesen­kerbel blühte wie von Sinnen hier und da und dort, welch herrliche Ergänzung zu den vielen, vielen Farben, die aus all den Beeten und Ecken strahlen. An einem jener sehr heißen Tage, in denen ich wie von Sinnen Feld­steine von den Äckern in den Garten schleppe, notiere ich im Tagebuch: Das heutige Gedicht im Lyrik­kalender ist fürchter­lich.
  Dies ist allerdings die Ausnahme. An der Mehrzahl der Tage erlebe ich die Gedichte in Der deutsche Lyrik­kalender. Jeder Tag ein Gedicht, von dem Hans Bender sagt: Man kann ihn wie eine Pflanze oder Blume ins Zimmer oder Büro stellen. Gedichte jedoch schweigen uns nicht an. Sie fordern uns auf, mit ihnen zu sprechen – über die Literatur und das Leben, glück­licher­weise ganz anders.

  Shafiq Naz (Herausgeber)
Der deutsche Lyrikkalender 2010
Jeder Tag ein Gedicht
365 klassische und zeitgenössische Gedichte
Alhambra Publishing: 2009


Lieben Sie Gedichte? fragt der Verlag auf der Rückseite des Kalenders und antwortet umgehend selbst: Wir auch! – still­schweigend voraussetzend, daß Sie natur­gemäß Gedichte schätzen und lieben. Denn welcher Mensch liebt nicht die Sprache der Lyrik, die ihn doch lebenslang in allen lustigen und allen unheilvollen Lebens­lagen begleitet, die ihn ständig umgarnt und umgibt: die Sprache der Lieder und Songs, die Sprache der Vögel und Vier­beiner, die Alltags­sprache der Stuben und Straßen, die Sprache der Küchen­geräte und Autos, die Sprache der Litaneien und Psalmen, die Sprache der Sterne und Wolken, die eigene, die fremde Sprache des Scherzes, des Schmerzes (nicht zu vergessen die vielen Fachsprachen) – alle voll von schier unendlichen Allite­rationen und phan­tastischen Metaphern, ange­reichert mit gekreuzten und gepaarten Reimen, laut­malenden, knir­schenden Wörtern.

Mitten im Leben

denke ich an die Toten,
die ungezählten und die mit Namen.
Dann klopft der Alltag an,
und übern Zaun
ruft der Garten: Die Kirschen sind reif!

Günter Grass
Der deutsche Lyrikkalender 2010 am 26. Juni

Und so richtet sich die suggestive Frage Lieben Sie Gedichte? keineswegs bloß an den Insider, sondern im umfassenden Sinne an JEDERMANN.
  Shafiq Naz, Herausgeber und Verleger von Alhambra Publishing, entwirft den deutschen Lyrikkalender mit dem Motto Jeder Tag ein Gedicht für alle Menschen an allen Tagen. Folge­richtig ist die 2005 erstmals erschienene Antho­logie konzipiert als Tisch­kalender mit Ring­bindung und einer exempla­rischen Mischung von 365 artis­tischen, buko­lischen, chiff­rierten, dadais­tischen, eleganten, frei­metrischen, gereimten, humor­vollen, idio­synkratischen, jovialen, kano­nisierten, lustigen, melancho­lischen, natür­lichen, onomato­poetischen, pathe­tischen, quirligen, rauhen, sanften, schrä­gen, tobenden, unver­öffent­lichten, ver­spiel­ten, wort­reichen, zackigen Gedichten von 300 berühmten, bekannten, weniger bekannten, (längst) verstorbenen, mitten im Leben stehenden, blutjungen Autorinnen und Autoren aus dem gesamten deut­schen Sprach­raum von den Anfängen im Mittel­alter bis in die unmittelbare Gegen­wart im 21. Jahr­hundert – und das auf insgesamt 408 Seiten (plus Anhang).
  Gedichte vermitteln, dafür sorgt deren ureigen­gestal­terische Sprache, grundsätzlich gute Botschaften – auch wenn diese natur­gemäß nicht bloß erfreu­licher Art sein können. Vergessen wir also Fernseh- und Zeitungs-Nachrichten (TV news, the world's small talk lese ich in einem Gedicht von Paddy Bushe) – wenigstens für ein paar Minuten am Abend und lesen statt­dessen um 19 oder 20 Uhr das Gedicht im deutschen Lyrik­kalender. Der Kalender bietet Tag für Tag eine neue Nachricht – mal nett, mal naßforsch, mal niedlich, mal nobel. Nach­weis­lich und schwarz auf weiß.

2009 ist ein weiteres ertrag­reiches Jahr für die Lyrik nach 2000. Zum Glück wird die horizontale und vertikale Band­breite deutsch­sprachiger Gedichte auch in diesem Jahr von fleißigen und kenntnisreichen Fach­leuten dokumen­tiert und kom­mentiert. Für diese außer­ordent­lich geglückten, offen aus­geschrie­benen oder geschlos­senen Gesell­schaften gewidmeten Anthologien (eigene Erwar­tungen sind bei der Bewertung geglückt weit weniger wesent­lich als die offen­kundigen, in Vor- und Nach­wort dar­gestellten Absichten der Heraus­geber – siehe hierzu auch meine Aus­füh­rungen anläßlich der Vor­stellung von Versnetze_zwei im Poeten­laden), die ich brauche, um einen passablen Über­blick zu behalten, ermög­lichen mir rasante Rallyes in alle Rich­tungen Zeit und Raum:
  • Heinz Ludwig Arnold und Hermann Korte (Hg.), Lyrik der DDR
  • Thomas Bader (Hg.), Wetzstein Gedichtekalender 2010
  • Michael Braun und Michael Buselmeier (Hg.), Der gelbe Akrobat
  • Jürgen Brôcan und Jan Kuhlbrodt (Hg.), Umkreisungen
  • Werner Bucher, Jolanda Fäh und Virgilio Masciadri (Hg.),
    Poesie Agenda 2010
  • Christoph Buchwald und Uljana Wolf (Hg.), Jahrbuch der Lyrik 2009
  • Peter Ettl (Hg.), Die inneren Fernen
  • Thomas Geiger (Hg.), Laute Verse
  • Axel Kutsch (Hg.), An Deutschland gedacht
  • Axel Kutsch (Hg.), Versnetze_zweiKritik
  • Shafiq Naz (Hg.), Der deutsche Lyrikkalender 2010
  • Tom Schulz (Hg.), alles außer Tiernahrung
  • Günter Vallaster (Hg.), heterogenial


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Orte der Augen
Gedichte, meine kleinen Archen
  Ort der Augen
Literaturzeitschrift
Friedrich-Bödecker-Kreis
in Sachsen-Anhalt e.V (Hg.)

Harry Ziethen Verlag  externer Link


in der nacht setzen wir einander fort:
die perspektive einer nahen landschaft
zweier körper, deren wölbungen

zueinander fließen in atemgeräuschen.
auf fingerspitzen lesen wie die spuren
unsrer haut, wie wellen eines meeres,

das sich ins gespräch vertieft. Jedes mal
darin ist eine antwort auf etwas, das du nicht
beschreiben kannst; die kartographie einer liebe,

worin kein weg mehr vorgeschrieben, kein ziel,
nur dieser eine horizont, der ungefragt ertastet,
was wir fühlen: im schritt wird ein kuss

zum mund, in dem wir uns verlieren, körperlos
gebogen bis zum himmel, der zum schluss
in der luke über uns erscheint, ein fernes bild

der ungelesenen geräusche dieser nacht.

Christoph Leisten


Der gute Sinn, Gedichte in Anthologien und Zeitschriften zu veröffentlichen, liegt auch darin, hier auf eine wesentlich größere Leserschaft hoffen zu können als mit dem eigenen Gedichtband (den es in vielen Fällen nicht einmal gibt). So mancher Autor weiß ein Lied davon zu singen, daß er seine poetische Präsenz in der Öffentlichkeit mehr oder weniger den Magazinen, Online-Portalen und Sammelbänden verdankt.
  Ganz anders Künstlerzeitschriften wie Holunderground oder Das zweite Bein: Die von Frank Milautzcki in der 6. Ausgabe als Kunst­schachtel heraus­gegebene Zeitschrift gibt es gerade mal in 30 Exem­plaren. Hier findet Lyrik gleichsam unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt: Tut sie das nicht eigentlich immer? Erstaunlich preiswert ist die bis zum Rand mit feinen Gedichten (Gedichte, meine kleinen Archen, Peter Rühmkorf in Akzente 3/09) von Anja Finger, André Schinkel, Walle Sayer, Christoph Leisten, u.a. sowie originellen (originalen) Graphiken von Frank Milautzcki gefüllte Faltschachtel.
  Auf einem Bein kann der Mensch bekanntlich nicht stehn, er braucht Das zweite Bein – und mehr:
  • Michael Arenz (Hg.), Der Mongole wartet
  • Heinz Ludwig Arnold, TEXT+KRITIK
  • Hubert Brunträger (Hg.), Zeichen & Wunder
  • Werner Bucher (Hg.), orte
  • Urs Engeler (Hg.), Zwischen den Zeilen
  • Andreas Heidtmann (Hg.), poet
  • Hadayatullah Hübsch (Hg.), Holunderground
  • Karl E. Jirgens (Hg.), Rampike
  • Michael Krüger (Hg.), Akzente
  • Frank Milautzcki (Hg.), Das Zweite Bein
  • André Schinkel (Hg.), oda – Ort der Augen
  • Helmut Schranz (Hg.), Perspektive
  • Sandra Uschtrin (Hg.), Federwelt
  • Stefanie Weh (Hg.), Decision
  • Norbert Weiß (Hg.), Signum


9
das Denken völlig unter den Begriffen zu ersticken –
In der Zwischenzeit, mein lieber Sohn,
Geht der Gesang zu Ende


  Wilhelm Lehmann
Gesammelte Werke in acht Bänden
Klett-Cotta; Auflage: 9., Aufl. 2009


In A. J. Weigonis Novelle Vignetten lese ich:

In der Antike kamen am mittel­ländischen Meer Menschen aus ver­schie­denen Welt­gegenden zusammen, sie prakti­zierten eine Atmosphäre des freien geistigen Austauschs. Die Bibliotheca Alexandrina ist daher nicht nur ein Reich des Geistes, sondern auch ein Geisterreich.
  Brennglas. Zur Subversion wird ihnen die Mattigkeit. Die teil­habe an dieser Welt besteht für Nataly und Max im Lust­wandeln. Die rhythmische Berührung der gezeichneten Erde mit den Füßen ist ihre rituelle Welt­beschwörung. Im Unter­wegs-Sein bringen sie ihre Befind­lichkeiten behutsam zum Sprechen, indem sie ihre Wirklich­keit im Zusammenspiel mit anderen Realitäten unter­suchen; sie deuten ihre Innen­welt auf der Suche nach dem wahren Sinn und Inhalt solange aus, bis sie am Ende der Inter­pretation neben sich steht wie ein zweites Phänomen er Sache selbst. So befreien sich Nataly und Max Schritt für Schritt von einem unseligen Verfahren: das Denken völlig unter den Begriffen zu ersticken.


Die abgewetzten Begriffe sind nicht aus der Welt zu schaffen. Man verwen­det sie vor allem auch dann, wenn es schnell gehen soll mit einer Antwort, einer Festlegung. Ich bin für die Abschaf­fung der Begriffe, versuche sie möglichst zu vermeiden. Statt­dessen – du wort mit ach und och (Helmut Krausser) – plädiere ich für: Wörter Wörter Wörter mit (und ohne) Bodenhaftung wie Ampel, Brat­kartoffeln, Café, Dimitroff­straße, Engel, Fußspitze, Glühlampenwerk, Hinterzimmer, Inhaber, Janis Joplin, Keil­riemen, Leberwurst, Messer, Nadel, Ofen, Pfau, Rollstuhl, Standfrau, Trachtenmusik, Uhr, Vorgänger, Watte, Expresso, You-Tube, Zitronen­kuchen, Wörter, wie ich sie in Florian Günthers herrlich lebendig-schnoddrigem Gedichtband Mir kann keiner lese.
  Ich bin grund­sätzlich selten verstimmt, aber profil­arme Begriffe wie Liebeslyrik, Naturlyrik oder politische Lyrik machen mich zornig. Da wirkt Tom Schulz im Vorwort des saustarken Sammelbands alles außer Tier­nahrung schon wieder besänftigend, wenn er von vielschichtig politisch spricht, und in der Tat bleibt in den ausgewählten Gedichten die (immer wieder fein verschlüsselte) Botschaft sekundär, spielen Wort, Klang und Form die erste Geige. Lyrik ist Lyrik ist Lyrik. Im Prismenglas des Gedichts geben sich alle wesentlichen Aspekte des Daseins mit ihrem gleichsam unendlichen Farben­reichtum ein immerwährendes Stelldichein. Wäre das Gedicht An die Nachgeborenen kein gelungenes, originelles Gedicht, die politische Aussage wäre besser in einer Tageszeitung aufgehoben. Im Brechtschen Sound bleibt es allgegenwärtig, ist stets abrufbar: Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

Die wunderbar klingenden, vielschichtigen Gedichte Wilhelm Lehmanns (Lehmann war einer der wichtigsten Exponenten der Lyrischen Moderne. Er gehört als Theoretiker in die Linie Poe, Valéry und Benn, Rudolf Hartung) werden gern unter dem Begriff Naturlyrik subsumiert und das Nachdenken über Lehmanns Lyrik unter einem einzigen Begriff erstickt. Lehmann? Ach ja, der Naturlyriker, und weiter geht's im Text. Wilhelm Lehmann (Schwarzer Blitz, Holunder­beere) schrieb brillante Gedichte; wie einen Schatz hüte ich den in goldgelbes Leinen einge­bundenen Sammel­band Meine Gedicht­bücher von 1957, der mit diesem Gedicht einsetzt:

An meinen ältesten Sohn

Die Winterlinde, die Sommerlinde
Blühen getrennt –
In der Zwischenzeit, mein lieber Sohn,
Geht der Gesang zu End.

Die Schwalbenwurz zieht den Kalk aus dem Hügel
Mit weißen Zehn,
Ich kann es unter der Erde
Im Dunkeln sehn.

Ein Regen fleckt die grauen Steine –
Der letzte Ton
Fehlt dem Goldammermännchen zum Liede.
Sing du ihn, Sohn.


Seit einiger Zeit wird erfreulicherweise erneut versucht, das Werk Wilhelm Lehmanns, der von 1882 bis 1968 lebte, zu neuem Dasein zu erwecken. Gesammelte Werke in acht Bänden erscheinen bei Klett-Cotta. Seit 2004 gibt es in Kiel die Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft, die 2009 den nach Lehmann benannten Literaturpreis ins Leben rief. Erster Preisträger ist Jan Wagner.

An all das dachte ich, als ich am 13. Oktober 2009 zusammen mit Shafiq Naz, dem Herausgeber des deutschen Lyrikkalenders, Hans Bender besuchte und dieser mir unvermittelt einen großen Ordner in die Hand drückte, der durch einen glücklichen Zufall nicht beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit den vielen anderen Ordnern, die das 27.000 Briefe, Karten, Manuskripte und Notizen umfassende Hans-Bender-Archiv beherbergen, in die Tiefe gerissen wurde – womit auch der Verfasser von Wie es kommen wird nicht gerechnet hatte.
  Bebend blätterte ich und stieß wie vom Blitz getroffen auf hand­geschriebene Gedichte und Briefe von Wilhelm Lehmann. Ich verspürte sekunden­lang eine starke ganzkörperliche vegetative Reaktion, begriff ich doch in jenem Augenblick erst, und das auf wahrhaft sinnliche Weise, was am 3. März 2009 in der Kölner Severin­straße geschehen war. Als ich es aus den Nachrichten erfuhr, galten meine Gedanken den beiden tödlich verun­glückten jungen Menschen, das Archiv interes­sierte mich zunächst überhaupt nicht. Erst in den Wochen danach machte ich mir klar, was eigentlich passiert war, verfolgte regelmäßig die Ber­gungs­arbeiten und hoffe, daß sich im Laufe der nächsten Jahre zeigen wird, daß der über­wiegende Teil der unschätzbaren Sammlung geret­tet wurde und nur das Wenigste un­wieder­bringlich verloren ist. Hier saß ich in der Tauben­gasse, ganz in der Nähe der Severinstraße, hielt das liebevoll arran­gierte Dokument in Händen und konnte es einfach nicht fassen.

Respekt vor der Schöpfung, vor dem Dasei­enden, Genauigkeit des Sehens, die Empfindung, daß alles nur einmal vorhanden ist und nur in verwandelter Gestalt immer herrscht: das wäre gewisser­maßen die Inhaltsangabe meiner Gedichte.
  Das gelungene Gedicht versetzt Menschen wie Dinge aus einem ungenauen in einen genauen Zustand. Es betrügt ihn und sie gerade nicht um das Dasein, sondern verleiht es ihnen.
Wilhelm Lehmann

  • Hans Bender, Wie es kommen wird
  • Florian Günther, Mir kann keiner
  • Helmut Krausser, Auf weißen Wüsten
  • Tom Schulz (Hg.), alles außer Tiernahrung


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Nicht traurig sein, das wird ein Fest
Sandra Trojan und ihr Debütband Um uns arm zu machen

Vergnügungen

Das Gedicht ist vor Ort. Es vermisst die Welt und zeigt, wie maßlos und unermesslich sie ist. Das Gedicht ist überall, im Irrenhaus, am Krankenbett, auf dem Klo, im Wartezimmer des Arztes, im Central Park, unter Strom­masten, auf dem Pferde­rücken, in den unter­schied­lichs­ten Landschaften.
Jürgen Brôcan

  Sandra Trojan
Um uns arm zu machen
Gedichte
poetenladen, 2009

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Was stört mich das Geschwätz von gestern, wenn Postbote Guido Büchersendungen bringt, die ich gar nicht schnell genug öffnen kann vor lauter Kitzel und Neugierde, Interesse und Ungeduld. Umgehend verblassen beim Öffnen der Päckchen und Pakete diese schnell hingeworfenen, zumeist für den Moment geschriebenen Posts, Kommentare, Leserbriefe und sonstigen Reaktionen, die wir Tag für Tag im Internet und anderswo lesen. Wie groß aber ist die (zum Glück in diesen Jahren eher selten eintretende) Enttäuschung, wenn ich ein Buch aufschlage, den ersten Text lese, die Mundwinkel sich unmerklich nach unten verziehen und ich, fast verstört schon, den zweiten Text lese, den dritten, den vierten, den fünften – und nichts passiert, das heißt, nicht nichts (denn nichts gibt es ja gar nicht), aber nicht das, was ich mir – naturgemäß – jedes Mal erhoffe, wenn ich ein Buch, das Gedichte auf dem Titel verspricht, zu lesen.

Kürzlich gab es eine solche Ent­täuschung bei einem 2008 erschienenen Band eines schon ein wenig in die Jahre gekommenen Autors, der weiterhin recht viel schreibt und weiterhin relativ erfolgreich zu sein scheint, was die Auflagen­zahlen seiner Bücher angeht. Im Begleit­schreiben des Buches ist von fast tausend in wenigen Monaten unter die Leute gebrachten Exem­plaren die Rede, eine mich ziemlich verblüffende Zahl, denn insge­samt scheint es nach 2000 im Vergleich zu den 90er oder gar 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer schwieriger zu werden, auch heraus­ragende Gedichtbücher an die Frau oder den Mann zu bringen. Das lyrische Internet, dessen gute Seiten ich sehr schätze, scheint mehr und mehr zur fast über­mächtigen Konkurrenz fürs Gedichtbuch und das Interesse am Erwerb von Büchern, belohnt mit dem sinnlichen Genuß des Blickens, Blätterns, Fühlens, Spürens, am Aufbau einer Samm­lung immer geringer zu werden.
  Ich las und las und las und dachte, was ich immer denke, wenn bedruckte Seiten nicht so bei mir ankommen, wie ich es dem Autor, dem Buch und mir als Leser wünsche: Okay, offensichtlich ist das größte anzunehmende Lyrikunheil eingetreten, du bist augen­scheinlich übersättigt, offen­bar prallen die Gedichte ab heute von dir ab, du hast anscheinend mehr als genug Gedichte gelesen, das kommt dir alles nur noch als zweiter oder dritter Aufguß vor usw. usw. usw., denn ich empfand nichts als Langeweile und Desinteresse, und so las ich zwar (wie meistens bei solchen Büchern vergeblich auf Bes­serung hoffend) viel zu viele Seiten, brach aber irgend­wann gegen Ende des Bandes den Kopf schüttelnd und vor mich hin brummelnd ab.

Mißmutig verlebte ich den Rest des Tages und dachte kummervoll an eine lyriklose Zukunft: Und schrieb, und schrieb an weißer Wand / Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand. Ich saß da mit schlot­ternden Knien und totenblaß. Aus und vorbei. Ich sah in den Garten auf die blattlosen Bäume mit ihren feuchten schwarzen Stämmen und den labyrin­thischen Astgerippen, in denen die Vöge­lein schwiegen. Wie soll dat bloß wiggerjonn? singen die Bläck Föös, und ich begriff erstmals die elegisch klingende Frage, die ich seit Jahr­zehnten schon kenne und so oft schon gedanken­los mit­gesummt habe. Das war's dann wohl. Mund abputzen und weiter­machen, wie der ehemalige Manager Rainer Calmund nach Niederlagen seiner Lever­kusener Werkstruppe gebets­mühlenartig posaunte? Hallo?

Am nächsten Tag dann die Bücher­sendung vom Poetenladen mit der sechsten Ausgabe der Literaturzeitschrift poet – in der ich in zum Teil hochinteressanten Gesprächen mit Friederike Mayröcker (bei jeder Gelegenheit wiederhole ich es gern: ein lyrischer Liebling), Dagmar Nick, Giwi Margwelaschwili, Rainer Kunze, Urs Widmer und Gerhard Zwerenz mit eigenen Augen lese, daß diese Autoren quasi nix mitkriegen von der Power des ständig über die Ufer tre­tenden Lyrik­stroms, der in diesen 2000er Jahren – gleichsam wild­geworden – durch deutsche Städte und Pro­vinzen rauscht. Tiefpunkt einiger zum Teil un/freiwillig drollig klin­gender Aus­sagen: Und ich muß auch gestehen, daß ich mit vielen jüngeren Stimmen, wenn ich sie in Zeit­schriften finde, nichts anfangen kann – daß ich sie einfach nicht verstehe oder überflüssig finde (Dagmar Nick) – sowie, und jetzt kommt's, endlich, endlich, Sandra Trojans Gedichtband Um uns arm zu machen.

Wenn ich in Bienen spreche

meine ich Unschärfe, Murmeln
Nektar am Mund. Und wenn ich in
Birnen spreche, in Äpfeln, in Zellen
in Kisten, von Zungen zerfressen
in Zungen, in Menschen, meine ich
Menschen:Schwärme gestempelt
innen & außen, ein Bienentanz
und damit meine ich: Bienentanz


Gleich vom ersten Gedicht Wenn ich in Bienen spreche werde ich hellwach gesummt. Jedwedes dräuende Hirngespinst hat sich im Nu in Nichts aufgelöst. Ich schwebe durch den Funkenflug der Wörter, beginne umgehend im Rhythmus der Verse zu atmen und bin ebenso beglückt und begeistert, wie es Michael Gratz, Herausgeber der Lyrikzeitung, nach der Lektüre dieses die Leser reich machenden Lyrikbands in der Nachricht 58 vom 12. März 2009 – Frisch aus der Post – beschreibt.
  Während ich in diesen Tagen in Jörg Bernigs wüten gegen die stunden und Björn Kuhligks Von der Oberfläche der Erde unter den vielen Gedichten einzelne (sehr) starke Stücke finde, deren Duktus im Gedächt­nis haften bleibt, besticht in Sandra Trojans Buch die Geschlos­senheit des durch­gängig beseelten, schwin­genden, viel­fältigen Ganzen, dessen energisch auftretende Teile weitestgehend zu einer Wortgestalt ver­schmelzen, die ich gnaden­los meiner Lyrik­seele einverleibe.

Sandra Trojan hat früh gefun­den, was manche freilich oft vergeblich beim Schrei­ben auf­zuspüren suchen: Stil (Wenn er da ist, ist es gut, Norbert Hummelt), dynamisch er­wachsen aus vielen einfach guten, reso­nanten Wörtern, deren Lebens­saft mir die Lefzen herunterläuft: Und wollene Moose spannen straff. Diesem herrlich geglückten Gedicht­buch wünsche ich tausend Leser – und noch 354 mehr.
  • Jörg Bernig, wüten gegen die stunden
  • Jürgen Brôcan und Jan Kuhlbrodt (Hg.), Umkreisungen.
    25 Auskünfte zum Gedicht
  • Andreas Heidtmann (Hg.), poet
  • Norbert Hummelt und Klaus Siblewski, Wie Gedichte entstehen
  • Björn Kuhligk, Von der Oberfläche der Erde
  • Sandra Trojan, Um uns arm zu machen

11
Endpunkt
Letzte Gedichte / Lebende Tote

Das Wiedersehen

Von fern gleicht er noch einem, den man kannte,
das weiße Haar, wie Kohle, die verbrannte,
wie Asche, noch warm von erloschenen Feuern,
was nützt es, einem Toten zu beteuern,
daß er noch lebe, er weiß es besser,
er hat den Fuß bereits erhoben
zum Schritt in eine unermeßliche Tiefe
und schaut noch einmal dankbar nach oben
und wendet sich ab, als ob jemand ihn riefe.

Hans Sahl

  Hans Sahl
Die Gedichte
poetenladen, 2009


Wie wohl wäre es 2009 im Lyrikbetrieb des deutschen Sprach­raums zugegangen, hätten Robert Gernhardt (1937-2006), Thomas Kling (1957-2005) und Ernst Jandl (1925-2000) nicht in den Jahren seit 2000 die Stifte für immer aus der Hand gelegt? Wenn man bedenkt, wie wenig Platz der Lyrik in den Print-Medien des Feuilletons grund­sätzlich bloß eingeräumt wird, gehörten diese drei Dichter zu den poetischen Platz­hirschen, denen immer wieder mehrspaltige Artikel eingeräumt wurden, die phasen­weise in den Kulturhimmel gehoben wurden, zählen doch alle drei zu den Men­schen in der Lyrik, die, jeder auf seine extrem eigen­willige Weise, sowohl originelle Gedichte schrieben als auch mit ihrer bemerkens­werten Art publikums­wirk­sames Aufsehen erregten. Durchaus denkbar also, daß die Zeitungsspalten auch in den letzten Jahren in erster Linie von diesen Herren besetzt geblieben wären. Der arglosen Öffent­lichkeit wäre womöglich ein völlig anderes Bild vermittelt worden. Welchen Einfluß hätte das mög­licher­weise auf die Lyrik, die Verlags­programme, den Lyrikbetrieb von heute gehabt, in dem so mancher Sturm im Wasserglas den einen oder anderen in den 1950er und 60er Jahren geborenen Dichter von den Beinen geholt hat.

Thomas Kunst hebt im Nachwort von Estemaga zur Totenklage an: Hilbig ist tot. Born ist tot. Brinkmann ist tot. Brasch ist tot. Kling ist tot. Pastior ist tot. Kunst benennt sechs Namen, die unmittelbar eine Stimmung evozieren, wie sie intensiver nicht sein könnte. Goethes Gedicht Gefunden fällt mir spontan als Antwort ein: Und pflanzt es wieder / Am stillen Ort. / Nun zweigt es immer / Und blüht so fort. Denn, nein, sie sind ja nicht tot, nicht nur zweigen und blühen sie mit ihren Gedichten in den Versen der Nachgeborenen fort, sondern bleiben, indem ich in ihren Büchern lese, total nahe bei mir: Ich verspüre in diesem Augenblick die greifbare Gegenwart dieser lebenden Toten, die Stimmen erklingen, diesmal gemeinsam mit Bessi Smith, quasi quadrophon aus allen Ecken vernehme ich sie, die Stimmen, Stimmen, Stimmen, Stimmen, ich stehe auf, blättere – Und nichts zu suchen / Das war mein Sinn – und vertiefe mich in den Büchern von Wolfgang Hilbig, Bilder vom Erzählen • Nicolas Born, Gedichte • Rolf Dieter Brinkmann, Westwärts 1 & 2 • Thomas Brasch, Der schöne 27. September • Thomas Kling, wände machn • Oskar Pastior, durch – und zurück.

2009 erinnern Verlage mit lauter schönen Editionen an Horst Bingel (1933-2008), Bertolt Brecht (1898-1956), Carlfriedrich Claus (1930-1998), Hilde Domin (1909-2006), Robert Gernhardt (1937-2006), Michael Hamburger (1924-2007), Gerard Manley Hopkins (1844-1889), Walter Kempowski (1929-2007), Pablo Neruda (1904-1973), Peter Rühmkorf (1929-2008), Hans Sahl (1902-1993) und John Updike (1932-2009):
  • Horst Bingel, Den Schnee besteuern
  • Bertolt Brecht, Liebesgedichte
  • Carlfriedrich Claus, (TEXT+KRITIK 184)
  • Hilde Domin, Sämtliche Gedichte
  • Robert Gernhardt, Gesammelte Gedichte 1954 – 2006
  • Michael Hamburger, Letzte Gedichte
  • Gerard Manley Hopkins, Geliebtes Kind der Sprache
  • Gerard Manley Hopkins, Auf dem Rückflug zur Erde
  • Walter Kempowski, Langmut
  • Pablo Neruda, 20 Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung
  • Peter Rühmkorf, Jazz & Lyrik.
  • Hans Sahl, Die Gedichte
  • John Updike, Endpunkt und andere Gedichte


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Lyrik 2009
Anthologie • Essayband • Gedichtbuch • Hörbuch • Portal • Zeitschrift
Ein Füllhorn, ein Querschnitt

Gedichte
lies sie einmal dunkel
einmal hell
lies sie mit den Augen des Mittags
und lies sie
mit den Augen der Mitternacht

Werner Lutz, Kussnester

  Werner Bucher /
Jolanda Fäh & Virgilio Masciadri
Poesie-Agenda 2010
orte-Verlag
Zum Verlag  externer Link


Klaus Anders, Silbermanns Rosen, 93 Seiten, Broschur, Wiesenburg, Schweinfurt 2009.

Michael Arenz (Hg.), Der Mongole wartet. Zeitschrift für Literatur und Kunst, 19. Ausgabe, mit Gedichten von Erwin Einzinger, Bernd HARLEM Fischle, Florian Günther, Michael Hillen, Holdger Platta u.a., 516 Seiten, Broschur, Zenon, Düsseldorf 2009.

Heinz Ludwig Arnold (Hg.), TEXT+KRITIK. Zeitschrift für Literatur, 184. Ausgabe: Carlfriedrich Claus, mit Klang-Gebilden und zahlreichen weiteren Texten von Carlfriedrich Claus sowie Beiträgen von Janet Boatin, Friedrich W. Block, Annette Gilbert, Michael Grote, Michael Lentz, Brigitta Milde und Günter Peters, 141 Seiten, Broschur, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2009.

Heinz Ludwig Arnold und Hermann Korte (Hg.), Lyrik der DDR, mit einer Vor­bemerkung und einem Nachwort der Herausgeber, 500 Gedichte von 180 Autorinnen und Autoren, darunter Erich Arendt, Johannes Bobrowski, Heinz Czechowski, Günther Deicke, Elke Erb, Jürgen Fuchs, Durs Grünbein, Peter Huchel, Jayn-Ann Igel, Peter Jokostra, Sarah Kirsch, Richard Leising, Inge Müller, Helga M. Novak, Detlef Opitz, Richard Pietraß, Christa Reinig, Lutz Seiler, Holger Teschke, Günter Ullmann, Uwe Warnke, Ulrich Zieger, 448 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Lesebändchen, S. Fischer, Frankfurt am Main 2009 • Kritik  externer Link

Über einige Davongekommene

Als der Mensch
unter den Trümmern
seines bombardierten Hauses
hervorgezogen wurde,
schüttelte er sich und sagte:
Nie wieder.

Jedenfalls nicht gleich.

Günter Kunert


Thomas Bader (Hg.), Wetzstein Gedichtekalender 2010, von Thomas Bader hand­geschrie­bene Gedichte von Aurelius Augustinus, Hilde Domin, Joseph von Eichen­dorff, Erich Fried, Stefan George, Johann Wolfgang von Goethe, Hermann Hesse, Friedrich Hölderlin, Hugo von Hofmannsthal, Eduard Mörike, Rainer Maria Rilke, Georg Trakl u.a., 24 Blätter, Ringbindung, Klöpfer & Meyer, Tübingen 2009.

Jürgen Becker, Im Radio das Meer. Journalsätze, 245 Seiten, Hardcover mit Schutz­umschlag, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Bei Dao, Das Buch der Niederlage, aus dem Chinesischen und mit einer Nach­bemerkung von Wolfgang Kubin, 112 Seiten, Lesezeichen, Hardcover, Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, München 2009.

Hans Bender, Wie es kommen wird. Meine Vierzeiler, 80 Seiten, Klappbroschur, Edition Akzente, Hanser, München 2009 • Kritik  externer Link

Jörg Bernig, wüten gegen die stunden, 128 Seiten, Broschur, Mitteldeutscher Verlag, Halle an der Saale 2009 • Kritik  externer Link

Horst Bingel, Den Schnee besteuern, 80 Seiten, Klappbroschur, orte-Verlag, CH-Oberegg und Zürich 2009.

Gerwalt Brandl, Ausgewählte Gedichte (Podium Porträt 42), 64 Seiten, Broschur, Podium, Wien 2009.

Michael Braun und Michael Buselmeier (Hg.), Der gelbe Akrobat. 100 deutsche Gedichte der Gegenwart, kommentiert, mit einem Vorwort der Herausgeber, Gedichte von Urs Allemann, Rainer Brambach, Róža Domašcyna, Hans Magnus Enzens­berger, Ludwig Fels, Christian Geissler, Peter Hamm, Jayne-Ann Igel, Ernst Jandl, Thomas Kling, Gregor Laschen, Christoph Meckel, Helga M. Novak, Brigitte Oleschinski, Tom Pohlmann, Ralf Rothmann, Raoul Schrott, Hans Thill, Raphael Urweider, Guntram Vesper, Franz Wurm, Henning Ziebritzki u.a., 360 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Poetenladen, Leipzig 2009.

Der Märchenbäume horizontale Sehnsucht

Aber vom fast schon vergessenen Rand der Welt her
kommen die Schatten der großen Wörter zurück
uns abzumessen, kurz vor dem Eingang
in die wieder aufgeräumten Leichenkammern.

Gregor Laschen


Bertolt Brecht, Liebesgedichte, ausgewählt und mit einem Nachwort von Werner Hecht, 127 Seiten, Leinen, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Markus Breidenich (Hg.), Reimfrei, Gedichte von Jürgen Bulla, Mark Breidenich, Karin Fellner, Andrea Heuser, Augusta Laar, Sabina Lorenz, Frank Schmitter, Armin Steigenberger, Gabriele Trinckler und Ruth Wiebusch • Reimfrei  externer Link

Theo Breuer, Wortlos und andere Gedichte, mit Anmerkungen des Autors zu den einzelnen Gedichten, Graphiken von Karl-Friedrich Hacker, 42 Seiten, geheftete Broschur, numeriert und signiert, Silver Horse Edition, Marklkofen 2009 • Kritik  externer Link

Jürgen Brôcan und Jan Kuhlbrodt (Hg.), Umkreisungen. 25 Auskünfte zum Gedicht, mit Gedichten und Kommentaren von Andreas Altmann, Klaus Anders, Jürgen Brôcan, Matthias Buth, Hugo Dittberner, Dieter M. Gräf, Martina Hefter, Manfred Peter Hein, Henning Heske, Stefan Heuer, Norbert Hummelt, Ulrich Koch, Jan Kuhlbrodt, Norbert Lange, Christine Langer, Stefan Monhardt, Jürgen Nendza, Tom Pohlmann, Marion Poschmann, Bertram Reinecke, Lars Reyer, Walle Sayer, André Schinkel, Ludwig Steinherr und Mathias Traxler, 191 Seiten, Klappbroschur, Poetenladen, Leipzig 2009.

Hubert Brunträger (Hg.), Zeichen & Wunder. Zeitschrift für Lyrik, Prosa und Essays der Gegenwart, 20. Jahrgang, 53. Ausgabe: Sehnsucht Einfachheit, mit Gedichten von Dominik Dombrowski, Jörg Neugebauer, Achim Stegmüller u.a., 116 Seiten, Broschur, Frankfurt am Main 2009.

Werner Bucher (Hg.), orte, Schweizer Literaturzeitschrift, 160. Ausgabe: Mit Vögeln, Austern und Eidechsen reden, Tiergedichte von Charles Baudelaire, Brigitte Fuchs, Axel Kutsch, Pablo Neruda, Silja Walter, Maximilian Zander u.v.a., 72 Seiten, geheftete Broschur, orte-Verlag, CH-Oberegg 2009.

Werner Bucher, Jolanda Fäh und Virgilio Masciadri (Hg.), Poesie Agenda 2010, Lyrik, Bilder, literarische Notizen, Gedichte von Guillaume Apollinaire, Hans Bender, René Char, Radka Donnell, Manfred Enzensperger, Karin Fellner, Elfriede Gerstl, Caroline Hartge, Alfred Ilk, Axel Kutsch, Maik Lippert, Erwin Messmer, Andreas Noga, Monique Obertin, Octavio Paz, Raymond Queneau, Joachim Ringelnatz, Christian Saalberg, Barbara Traber, Jürgen Völkert-Marten, William Carlos Williams, Ute Zimmermann u.a., 256 Seiten, Broschur, orte-Verlag, CH-Oberegg 2009.

Sechs Verse suchen einen Autor

Das Dichten fällt mir heute schwer.
Drum muß ein andrer Dichter her.

Sechs Verse sollen es nur sein.
Mir fallen leider keine ein.

So suchen sie, damit was bleibt,
den Autor, der sie niederschreibt.

Axel Kutsch


Christoph Buchwald und Uljana Wolf (Hg.), Jahrbuch der Lyrik 2009, mit Nach­bemerkungen der Herausgeber, Gedichte von Christoph Wilhelm Aigner, Lars-Arvid Brischke, Crauss, Hugo Dittberner, Elke Erb, Ludwig Fels, Claudia Gabler, Simone Hirth, Jan Imgrund, Martin Jankowski, Matthias Kehle, Michael Lentz, Franz Mon, Hellmuth Opitz, Marion Poschmann, Gerhard Rühm, Lutz Seiler, Uwe Tellkamp, Raphael Urweider, Florian Voß, Peter Waterhouse u.a., poetologische Kommentare von Axel Kutsch, Hans Thill und Gisela Trahms, 255 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Lesebändchen, S. Fischer, Frankfurt am Main 2009 • siehe auch: Lyrikstationen 2008  externer Link

In den Straßen mit den frierenden
alleinregierenden Laternen heiraten
die Birnenbäume zweimal erst sich
selber später ihren Zufall - aber
fragt mich besser nicht wie die
Blätter fliegen lernen und was
er an mir riecht dass er
mir nachkommt der magere
Trompetennasenhund

Herta Müller


Erika Burkart, Geheimbrief, 85 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, Ammann, Zürich 2009.

Gerhard Butke, Dörnbusch bin ik. Gedichte in Hochdeutsch und Plattdeutsch, 120 Seiten, Broschur, Geest-Verlag, Vechta-Langförden 2009.

Patrizia Cavalli, Diese schönen Tage, zweisprachige Ausgabe, aus dem Italienischen und mit einem Vorwort von Piero Salabè, Nachwort von Giorgio Agamben, 158 Seiten, Lesezeichen, Hardcover, Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, München 2009.

Jemand sagte mir
sicher werden meine Gedichte
die Welt nicht verändern.

Aber sicher, antwortete ich,
meine Gedichte werden
die Welt nicht verändern.


Heinrich Detering, Vom Zählen der Silben. Über das lyrische Handwerk, 28 Seiten, geheftete Broschur mit Schutzumschlag, Münchner Reden zur Poesie 7, herausgegeben von Ursula Haeusgen und Frieder von Ammon, Stiftung Lyrik Kabinett, München 2009 • siehe auch: Vom Zählen der Silben  externer Link

Heinrich Detering, Wrist, 78 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Wallstein, Göttingen 2009.

Ivan Dobnik, Spiva na zadnji obali / Wir schlafen an der letzen Küste, zweisprachige Ausgabe, aus dem Slowenischen von Karin Almasy, 86 Seiten, Broschur, Verlag Im Wald, Rimbach 2009.

Hilde Domin, Sämtliche Gedichte, herausgegeben von Nikola Herweg und Melanie Reinhold, Nachwort von Ruth Klüger, 351 Seiten, Leinen, Lesebändchen, S. Fischer, Frankfurt am Main 2009.

Richard Dove, Syrische Skyline, 204 Seiten, Hardcover, Rimbaud, Aachen 2009.

Carl-Christian Elze, gänge, 90 Seiten, Klappbroschur, Conne­witzer Verlags­buch­handlung, Leipzig 2009 • Kritik  externer Link

Urs Engeler (Hg.), Zwischen den Zeilen. Eine Zeitschrift für Gedichte und ihre Poetik, 30. Ausgabe: Neue Gedichte aus Dänemark, zweisprachige Ausgabe, ediert von Moritz Schramm und Alexander Gumz, mit Gedichten von René Jean Jensen, Ursula Andkjær Olsen, Palle Sigsgaard, Lars Skinnebach, Morten Søndergaard, 212 Seiten, Broschur, Urs Engeler Editor, Basel und Weil am Rhein 2009.

Peter Engstler, Strophen eins, 52 Seiten, Broschur, Medien Streu im Verlag Peter Engstler, Ostheim an der Rhön 2009.

Hans Magnus Enzensberger, Rebus, 120 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Peter Ettl, Inseln – Isole, Gedichtauswahl Deutsch – Italienisch, ins Italienische übersetzt von Peter Patti, Lyrikreihe Silver Horse Edition, Markkofen 2009.

Peter Ettl, Samtkrallen Wurzelflügler, 86 Seiten, Broschur, Peter Segler Verlag, Freiberg 2009.

Peter Ettl (Hg.), Die inneren Fernen, Gedichte von Michael Arenz, Theo Breuer, Peter Ettl, Michael Hillen, Klára Hurková, Matthias Kehle, Axel Kutsch, Frank Milautzcki, Andreas Noga, Gisela Noy, Gerd Sonntag, Jürgen Völkert-Marten, Christa Wißkirchen, Gerrit Wustmann und Maximilian Zander, Kurzprosa von Marianne Glaßer und Monika Petsos, 42 Seiten, geheftete Broschur mit Schutzumschlag, Lyrikreihe Silver Horse Edition, Markkofen 2009.

In meinem Elternhaus
verlaufe ich mich nicht
mehr Fahrkarten werden zu
Totenscheinen zu
Buchzeichen bald
Versteigert einer alles

Matthias Kehle


Jolanda Fäh, Wadenbeissergedichte, 64 Seiten, Klappbroschur, orte-Verlag, CH-Oberegg und Zürich 2009.

Bernd HARLEM Fischle, Die Helden des Rückzugs, 79 Seiten, Hardcover, Killroy media, Asperg 2009.

Julietta Fix (Hg.), Fixpoetry, Gedichte, Essays, Rezensionen • fixpoetry  externer Link

Kersten Flenter, Glückselige Waisen der Verwirrung, 40 Seiten, geheftete Broschur, Ariel Verlag, Riedstadt 2009.

Walter Helmut Fritz, Werkausgabe, Gedichte und Prosa, Romane, Aufzeichnungen, Erzählungen, Essays, herausgegeben und mit einem Nachwort von Matthias Kußmann, 3 Bände im Schuber, 2.400 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, Hoffmann & Campe, Hamburg 2009 • Kritik  externer Link

Pierre Garnier, Erträumtes Leben. Ein Lyrik-Zyklus, Ilse Garnier, Gärten der Kindheit. Spatiale Poesie, aus dem Französischen von Fritz Werf, 79 Seiten, Klappbroschur, Atelier Verlag, Andernach 2009.

Thomas Geiger (Hg.), Laute Verse. Gedichte aus der Gegenwart, mit einem Nachwort des Herausgebers, Gedichte von Henning, Ahrens, Marcel Beyer, Nico Bleutge, Nora Bossong, Ulrike Draesner, Daniel Falb, Matthias Göritz, Durs Grünbein, Hendrik Jackson, Thomas Kling, Christian Lehnert, Steffen Popp, Marion Poschmann, Monika Rinck, Hendrik Rost, Silke Scheuermann, Kathrin Schmidt, Sabine Scho, Lutz Seiler, Volker Sielaff, Ulf Stolterfoht, Anja Utler, Jan Wagner und Uljana Wolf, 360 Seiten, Klappbroschur, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009.

gaststuben in der provinz

hinter dem tresen gegenüber der tür
das eingerahmte foto der fußballmanschaft:
lächelnde helden, die sich die rostenden nägel
im rücken ihrer trikots nicht anmerken lassen.

Jan Wagner

Robert Gernhardt, Gesammelte Gedichte 1954 – 2006, 1155 Seiten, Leinen, Lese­bänd­chen, S. Fischer, Frankfurt am Main 2009.

Hans Werner Gey (Hg.), Lyrikwelt. Das Literatur-Portal im Internet, Gedichte, News und Rezensionen • lyrikwelt  externer Link

Marianne Glaßer, Landschaft mit Mond und Segel, 42 Seiten, geheftete Broschur, numeriert und signiert, Silver Horse Edition, Marklkofen 2009.

Michael Gratz (Hg.), Lyrikzeitung, Lyrikzeitung & Poetry Newslyrikzeitung  externer Link

Egon Günther, hegt traum kerne, 50 Seiten, Broschur, Medien Streu im Verlag Peter Engstler, Ostheim an der Rhön 2009.

Florian Günther, Mir kann keiner, 96 Seiten, Broschur, Edition Lükk Nösens, Berlin 2009.

René Hamann und Jörg Meyer (Hg.), Forum der 13, Plattform für gegenwärtige Literaturforum-der-13  externer Link

Michael Hamburger, Letzte Gedichte, zweisprachige Ausgabe, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Iain Galbraith, aus dem Englischen von Klaus Anders, Uwe Kolbe, Jan Wagner und Franz Wurm, 175 Seiten, Klappbroschur, Folio Verlag, Wien und Bozen 2009.

Andreas Heidtmann (Hg.), poet. Das Magazin des Poetenladens, 7. Ausgabe, mit Gedichten von Karin Fellner, Stefan Heuer, Vesna Lubina, Jan Volker Röhnert, Isabella Vogel u.a., Gespräche mit Ursula Krechel, Kathrin Schmidt, Christoph Wilhelm Aigner, Robert Schindel, Nora Bossong und Adam Thorpe, Poetenladen, Leipzig 2009.

Andreas Heidtmann (Hg.), Poetenladen, Galerie für neue Literaturpoetenladen  externer Link

Henning Heske, Repression und Religion, Natur und Natürlichkeit – Aspekte deutsch­sprachiger Gegenwartslyrik, 26 Seiten, geheftete Broschur, Bernstein-Verlag, Bonn 2009.

Michael Hillen, Ablegende Schiffe, 44 Seiten, geheftete Broschur, numeriert und signiert, Silver Horse Edition, Marklkofen 2009.

Friedrich Hirschl, Nachthaus, 95 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, Verlag Karl Stutz, Passau 2009.

Gerard Manley Hopkins, Geliebtes Kind der Sprache, zweisprachige Ausgabe, aus dem Englischen übertragen und kommentiert von Dorothea Grünzweig, 299 Seiten, Klappbroschur, Edition Rugerup, Nimrod Förlag, Hörby (Schweden) 2009.

Gerard Manley Hopkins, Auf dem Rückflug zur Erde, englisch und deutsch (gesprochen von George L. Low und Helmut Becker), Einführung von Dorothea Grünzweig, Cembalo-Kompositionen von Henry Purcell (gespielt von Peter Kofler), Hörbuch, CD und Booklet, Edition Rugerup, Lyrik Kabinett und INIGO Medien, München 2009.

Hadayatullah Hübsch (Hg.), Holunderground. Zeitschrift für Lyrik und Grafik, 8. Ausgabe, mit Gedichten von Olaf Velte, Florian Vetsch, Ralf Zühlke u.a., Frankfurt am Main 2009.

Josef Hrubý, Mon cher Arcimboldo / Liebling Arcimboldo, zweisprachige Ausgabe, aus dem Tschechischen von Waltraud Seidlhofer (deutsch) und Rüdiger Fischer (französisch), 117 Seiten, Broschur, Verlag Im Wald, Rimbach 2009.

Norbert Hummelt und Klaus Siblewski (Hg.), Wie Gedichte entstehen, 271 Seiten, Klappbroschur, Luchterhand Literaturverlag, München 2009.

Karl E. Jirgens (Hg.), Rampike, Zeitschrift für (experimentelle) Literatur, 30TH ANNI­VERSARY ISSUE: Re-sent Histories, mit Gedichten von Christophe Fricker (deutsch und englisch), Susan Holbrook, Richard Kostelanetz u.a., 80 Seiten, Broschur, Windsor (Kanada) 2009.

Jan Karsten, Christoph Pollmann und Mathias Tretter (Hg.) Titel. Magazin für Literatur und mehrTitel  externer Link

Adrian Kasnitz, Den Tag zu langen Drähten, 40 Seiten, Broschur, parasitenpresse, Köln 2009.

Matthias Kehle, Fundus, mit Graphiken von Frank Milautzcki, 36 Seiten, geheftete Broschur, numeriert und signiert, Silver Horse Edition, Marklkofen 2009.

Matthias Kehle (Hg.), Matthias Kehles Lyrik-BlogMatthias Kehles Lyrik-Blog  externer Link

Jochen Kelter, Eine Ahnung von dem was ist, 120 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Klöpfer & Meyer, Tübingen 2009.

Walter Kempowski, Langmut, 84 Seiten, Leinen, Albrecht Knaus Verlag, München 2009.

Gregor Koall (Hg.), Lyrikmail. Jeden Tag ein GedichtLyrikmail  externer Link

Wer Gedichte veröffentlicht, wirft ein Rosenblatt in den Grand Canyon und wartet auf das Echo.
Donald Marquis (1878-1937


Ulrich Koch, Lang ist ein kurzes Wort, Nachwort von Arnold Stadler, 127 Seiten, Broschur, Lyrikedition 2000 im Verlag BUCH&media, München 2009.

Helmut Krausser, Auf weißen Wüsten. Die besten Gedichte, 158 Seiten, Klappbroschur, Sammlung Luchterhand, Luchterhand Literaturverlag, München 2009.

Michael Krüger (Hg.), Akzente. Zeitschrift für Literatur, Heft 3/09, mit Gedichten von Hans Bender, Christine Langer, Rolf Haufs u.a., Schwerpunktthema: Olav H. Hauge mit einem Porträt von Klaus Anders, 95 Seiten, Broschur, Hanser, München 2009.

Björn Kuhligk, Von der Oberfläche der Erde, 74 Seiten, Hardcover mit Schutz­umschlag, Berlin Verlag, Berlin 2009.

Axel Kutsch (Hg.), An Deutschland gedacht. Lyrik zur Lage des Landes (mit Kommen­taren) von 106 Autorinnen und Autoren, darunter Michael Arenz, Jürgen Brôcan, Uwe Claus, Hugo Dittberner, Manfred Enzensperger, Tobias Falberg, Dieter M. Gräf, Manfred Peter Hein, Jürgen Israel, Angelika Janz, Christian Kreis, Stan Lafleur, Dieter P. Meier-Lenz, Andreas Noga, Lothar Quinkenstein, Arne Rautenberg, Walle Sayer, Marianne Ullmann, Olaf Velte, Norbert Weiß und Annemarie Zornack, Vorwort des Herausgebers, 192 Seiten, Broschur, Landpresse, Weilerswist 2009.

das weltall vermessen

von gschaid bis hub ein kilometer der
große wagen passt auf unseren fußabstreifer
von hub bis frontenhausen knapp
in zehn minuten von dort nach dingolfing am
stern des südens scharf vorbei in einer
viertelstunde doch begrenzt von dieser
dummen krümmung die einen raumsprung
nötig macht

Peter Ettl


Axel Kutsch (Hg.), Versnetze_zwei. Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart von 200 Autorinnen und Autoren, darunter Konstantin Ames, Joseph Buhl, Manfred Chobot, Richard Dove, Peter Ettl, Karin Fellner, Claudia Gabler, Simone Heembrock, Jürgen Israel, Angelika Janz, Matthias Kehle, Swantje Lichtenstein, Marie T. Martin, Gisela Noy, Irmhild Oberthür, Rolf Persch, Lothar Quinkenstein, Lars Reyer, Peter Salomon, Thien Tran, Beate Ünver, Günter Vallaster, Michael Wildenhain und Barbara Zeizinger, Vorwort des Herausgebers, 318 Seiten, Broschur; Landpresse, Weilerswist 2009 • Kritik  externer Link

Zu spät

Ach, wäre ich doch
gestern schon gestorben.
Heute hat ein Rezensent
mein Comeback verdorben.

Hans Bender


Werner Lambersy, Gespräch im Innern einer Mauer, zweisprachige Ausgabe, aus dem Französischen von Rüdiger Fischer, 118 Seiten, Broschur, Verlag Im Wald, Rimbach 2009.

Anton G. Leitner (Hg.), smile, mit Gedichten von Beat Brechbühl, Manfred Chobot, Tanja Dückers, Heinz Erhardt, Robert Gernhardt, Heinrich Heine, Axel Kutsch, Christian Morgenstern, Christa Reinig, Lino Wirag u.a., 62 Seiten, Broschur, dtv, München 2009 • Kritik  externer Link

Swantje Lichtenstein, Landen, 76 Seiten, Broschur, Lyrikedition 2000, München 2009.

Literaturwerkstatt Berlin (Hg.), Lyrikline, zeitgenössische Lyrik multimedial als Originaltext, in Übersetzungen und vom Autor oder der Autorin in Originalsprache gesprochen • Lyrikline  externer Link

Eberhard Loosch, Weltenchaosspielgesang, Sonettenkranz, mit Graphiken von Rein­hold König, 31 unpaginierte Seiten, Blockbuch, Dachgeschosspresse, Jena 2009.

Werner Lutz, Kussnester, mit vier Tuschezeichnungen von Werner Lutz, 110 Seiten, Hardcover, Verlag im Waldgut, CH-Frauenfeld 2009.

Jean-Michel Maulpoix, Eine Geschichte vom Blau / Une Histoire de Bleu, aus dem Französischen von Margret Millischer, zweisprachige Ausgabe, 188 Seiten, Broschur, Erata, Leipzig 2009.

Friederike Mayröcker, dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif, 356 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Friederike Mayröcker, Scardanelli, 57 Seiten, Klappbroschur, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.

Dieter P. Meier-Lenz, Im Wortgestrüpp, Drey-Verlag, 84 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Gutach 2009.

Katrin Marie Merten, Salinenland, 78 Seiten, Broschur, Lyrikedition 2000, München 2009.

Iwona Mickiewicz, brunnentief brunnenklar, mit Linolschnitten von Zoppe Voskuhl, 32 unpaginierte Seiten, Handfadenbindung, Format 12 x 26 cm, numeriert und signiert, Corvinus Presse, Berlin 2009.

Frank Milautzcki, Hemden denken, 28 Seiten, geheftete Broschur, Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2009.

Frank Milautzcki (Hg.), Das Zweite Bein, Zeitschrift für Literatur und Kunst, 6. Ausgabe, Loseblattsammlung in einer Faltschachtel, mit Gedichten von Anja Finger, Marius Hulpe, Daniel Ketteler, Christoph Leisten, Walle Sayer, André Schinkel, Friedrich Wilhelm Wagner, Mirko Wenig, Nachdichtungen sowie CopyArt und originale Graphiken von Frank Milautzcki, CD von Martin O. Schmidt, Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2009.

Georg Milzner, Ophelias. Von Wahn und Verwandlung, Illustrationen von Marion Alexa Müller, mit einem langen Essay des Autors und einer Audio-CD, 190 Seiten, Broschur, Edition Reimzwang, Periplaneta, Berlin 2009.

Shafiq Naz (Hg.), Der deutsche Lyrikkalender 2010. Jeder Tag ein Gedicht, 365 Gedichte von 300 Autorinnen und Autoren von den Anfängen bis zur Gegenwart, darunter Klaus Anders, Rolf Dieter Brinkmann, Paul Celan, Annette von Droste-Hülshoff, Hans Eichhorn, Gerhard Falkner, Günter Grass, Friedrich Hölderlin, Markus Manfred Jung, Axel Kutsch, Christoph Leisten, Stefan Monhardt, Andreas Noga, Jutta Over, Oskar Pastior, Francisca Ricinski, Gerd Sonntag, Georg Trakl, Johanna Charlotte Unzer, Jürgen Völkert-Marten, Paul Wühr, Maximilian Zander, 408 Seiten plus Anhang, Tischkalender mit Spiralbindung, Alhambra Publishing, B-Bertem 2009 • Kritik  externer Link

Pablo Neruda, 20 Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung, 77 Seiten, Klappbroschur, Luchterhand, München 2009.

Heinrich Ost, In Trümmern Spiegelglas, mit Linolschnitten von Zoppe Voskuhl, 24 Seiten, Handfadenbindung, Format 12.5 x 26.5 cm, numeriert und signiert, Corvinus Presse, Berlin 2009.

Kevin Perryman, Der nicht verjährte Traum, Handpressendruck, signiert und numeriert, 63 Seiten, fadengeheftete Klappbroschur, Verlag im Waldgut, CH-Frauenfeld 2009.

Charles Plymell, MINDEATER. Altes Land, aus dem Amerikanischen von Gregor Pott, Nachwort von Egon Günther, 52 Seiten, geheftete Broschur, Verlag Peter Engstler, Ostheim an der Rhön 2009.

Thomas Rackwitz, in halle schläft der hund beim pinkeln ein, 28 Seiten, geheftete Broschur, Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2009.

Ewart Reder, Verfasste Landschaft, 96 Seiten, Broschur mit Schutzumschlag, Dielmann, Frankfurt am Main 2009.

Nikola Richter, die do-re-mi-maschine, 86 Seiten, Broschur, Lyrikedition 2000 im Verlag BUCH&media, München 2009.

Jan Röhnert (Hg.), Poesie und Praxis. Sechs Dichter im Jahr der Wissenschaft. Paulus Böhmer, Jürgen Becker, Raoul Schrott, Michael Krüger, Willem van Toorn, Antanas A. Jonynas, Edition Paideia, Verlag IKS Garamond, Jena 2009.

Peter Rühmkorf, Jazz & Lyrik. Aufnahmen 1976-2006, herausgegeben mit einem Vorwort von Stephan Opitz, Essay von Thomas Steinfeld, 3 CDs mit Beibuch in der Schachtel, Edition der Arno Schmidt Stiftung, Hoffmann & Campe, Hamburg 2009.

Hans Sahl, Die Gedichte, herausgegeben von Nils Kern und Klaus Siblewski, 333 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, Lesebändchen, Luchterhand Literaturverlag, München 2009.

Annie Salager, Aimez-vous la mer, le tango / Tango und Meer, zweisprachige Ausgabe, aus dem Französischen von Rüdiger Fischer, 38 Seiten, Broschur, Verlag Im Wald, Rimbach 2009.

Walle Sayer, Kerngehäuse. Eine Innenansicht des Wesentlichen, Aufzeichnungen und Prosagedichte, 112 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Klöpfer & Meyer, Tübingen 2009 • Kritik  externer Link

Knut Schaflinger, Flüchtige Substanzen, 67 Seiten, Broschur, Steinmeier, Deiningen 2009.

André Schinkel (Hg.), oda – Ort der Augen, Blätter für Literatur aus Sachsen-Anhalt, Heft 2, mit Gedichten von Andreas Altmann, Volker Braun, Ursula Krechel, Rotraud Sarker, Christiane Schulz u.a., 96 Seiten, Broschur, Ziethen, Oschersleben 2009.

Dieter Schlesak, Ich liebe, also bin ich, 28 Seiten, geheftete Broschur, Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2009.

Helmut Schranz (Hg.), Perspektive. Hefte für zeitgenössische Literatur, Ausgabe 61, mit Texten von Helmut Schranz, Stefan Schmitzer, Stefan Schweiger u.a.; 114 Seiten, Broschur; Graz 2009.

Tom Schulz, Kanon vor dem Verschwinden, 106 Seiten, Hardcover mit Schutz­umschlag, Berlin Verlag, Berlin 2009 • Kritik  externer Link

Tom Schulz (Hg.), alles außer Tiernahrung, Neue politische Gedichte, Nachwort von Theresa Klesper, mit Gedichten von Marcel Beyer, Tom Bresemann, Ann Cotten, Daniel Falb, Karin Fellner, Gerald Fiebig, Franzobel, René Hamann, Guy Helminger, Simone Hirth, Adrian Kasnitz, Theresa Klesper, Björn Kuhligk, Thomas Kunst, Stan Lafleur, Norbert Lange, Monika Rinck, Marcus Roloff, Angela Sanmann, Stefan Schmitzer, Sabine Scho, Tom Schulz, Florian Voß, Achim Wagner, Ron Winkler, 144 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Rotbuch Verlag, Berlin 2009 • Kritik   externer Link

Diese eine Zitrone

Von chemischen Reaktionen
will ich nichts wissen,
von Radarkontrollen nichts
und nichts vom Protokoll.
Nur diese eine Zitrone
will ich aus dem Fenster werfen,
und wo sie landet, das
interessiert mich ebenfalls nicht.

Simone Hirth


Göran Sonnevi, Das brennende Haus. Ausgewählte Gedichte 1991-2005, aus dem Schwedischen von Klaus-Jürgen Liedtke, 137 Seiten, Lesezeichen, Hardcover, Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, München 2009.

Ludwig Steinherr, Kometenjagd, 111 Seiten, Broschur, Lyrikedition 2000, München 2009 • Kritik  externer Link

Norbert Sternmut, Fadenwürde, 96 Seiten, Broschur, Pop Verlag, Ludwigsburg 2009.

Ulf Stolterfoht, fachsprachen XXVIII-XXXVI, 128 Seiten, Hardcover mit Schutz­umschlag, Urs Engeler Editor, Basel und Weil am Rhein 2009.

Rainer Strobelt, schöner ganzer frieden, 128 Seiten, Broschur, Peter-Segler-Verlag, Freiberg 2009.

Uwe Tellkamp, Reise zur blauen Stadt, 111 Seiten, Hardcover, Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2009.

Thien Tran, fieldings, mit Illustrationen von Lena Baklanova, 88 Seiten, Klappbroschur, Verlagshaus J. Frank, Berlin 2009.

Sandra Trojan, Um uns arm zu machen, Hardcover mit Schutzumschlag, 77 Seiten, Poetenladen, Leipzig 2009.

John Updike, Endpunkt und andere Gedichte, Deutsch von Susanne Höbel und Helmut Frielinghaus, 109 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, Lesebändchen, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2009 • siehe auch: americana

Sandra Uschtrin (Hg.), Federwelt. Zeitschrift für Autorinnen und Autoren, 68. Ausgabe, mit Gedichten von Marianne Glaßer, Jutta Over, Francisca Ricinski, Wendel Schäfer, Frank Wedekind u.a., 58 Seiten, geheftete Broschur, Uschtrin Verlag, München 2009.

Günter Vallaster (Hg.), heterogenial. Visuelle Poesie, mit Beiträgen von Katja Beran, Brigitte Mölschl, Hannah Sideris u.a., 12 Seiten, geheftete Broschur, edition ch, Wien 2009.

Jürgen Völkert-Marten, Als das Verwünschen noch geholfen hat, 40 Seiten, numeriert und signiert, geheftete Broschur, Silver Hose Edition, Marklkofen 2009.

Nesselfieber oder Bitte an mich

Komm, sei so gut.
Tritt freundlich
die Tür ein.
Nicht diese Wut!


Stefanie Weh (Hg.), Decision. Zeitschrift für deutsche & französische Literatur, 86. Ausgabe, mit Gedichten von Anne Beresford, Peter Ettl, Maximilian Zander u.a., 28 Seiten, geheftete Broschur, Bielefeld 2009.

Norbert Weiß (Hg.), Signum. Blätter für Literatur und Kritik, 10. Jahrgang, Heft 2, mit Gedichten von Uwe Claus, Axel Kutsch, Maximilian Zander u.a.,152 Seiten, Broschur, Signum e.V., Dresden 2009.

Uljana Wolf, BOX OFFICE, 28 Seiten, geheftete Broschur mit Schutzumschlag, Münchner Reden zur Poesie 8, herausgegeben von Ursula Haeusgen und Frieder von Ammon, Stiftung Lyrik Kabinett, München 2009 • Kritik  externer Link

Gerrit Wustmann, Morgenende, 44 Seiten, geheftete Broschur, numeriert und signiert, Silver Horse Edition, Marklkofen 2009.

Gerald Zschorsch, Zur elften Stunde, 72 Seiten, Klappbroschur, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009.



Scheint auch der Tag vorübergezogen
wie der Flügel einer Schwalbe,
wie hingeworfener Staub
den man nicht auflesen kann
und die Beschreibung, die Erzählung
sind nicht nötig, nicht erhört
bleibt immer ein Wort übrig,
ein Wörtchen nur
um vielleicht zu sagen
daß es nichts zu sagen gibt.

Patrizia Cavalli


Am eisigen 18. Dezember 2009 übereicht der Postbote bereits die ersten Gedichtbände des Jahrgangs 2010 – und das sogar in alphabetischer Reihenfolge: Andreas Altmann, Das zweite Meer und Michael Basse, skype connected. Schaung ma moi, na seng mas scho, mutmaßt der legendäre Löwen-Stürmer Rudi Brunnenmeier (wie ich von Egon Günther erfahre) und zeigt mir, wo Bartel den Lyrikmost holt.

At this point my hope for nothing but silence and back to Walt Whitman's Leaves of Grass –

And what I assume you shall assume,
For every atom belonging to me as good belongs to you.



Sistig/Eifel • 17. Oktober – 18. Dezember 2009

Theo Breuer    22.12.2009   

 

 
Theo Breuer
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