americana@poetenladen
Eine Reihe zur US-amerikanischen Lyrik
Herausgegeben von Annette Kühn & Christian Lux
Dan Chiasson
Love Song (Smelt)
When I say ”you“ in my poems, I mean you.
I know it's weird: we barely met.
You must hear this all the time, being you.
That night we were at opposite ends of
the long table, after the pungent
Russian condiments, the carafes of tarragon vodka,
the chafing dishes full of boiled smelts
I was a little drunk: after you left,
I ate the last smelt off your dirty plate.
Liebeslied (Stint)
Wenn ich in meinen Gedichten „du“ sage, meine ich dich.
Das ist komisch, ich weiß: Wir kennen uns ja kaum.
Du wirst das ständig hören, da du ja du bist.
In jener Nacht saßen wir an den entgegengesetzten Enden
der langen Tafel, nach den scharfen
russischen Gewürzen, den Karaffen mit Estragonwodka,
den Wärmeplatten voller gekochtem Stint
war ich ein bißchen betrunken: Als du gegangen warst,
aß ich den letzten Stint von deinem schmutzigen Teller.
© 2005 Dan Chiasson. Aus: Naturgeschichte. Ausgewählte Gedichte. Zweisprachig.
Aus dem Amerikanischen von Jan Wagner. Luxbooks, 2009.
Dan Chiasson
Der 1971 in in Burlington, Vermont geborene Dan Chiasson hat am Amherst College und an der Harvard University studiert. Seine Gedichte, Essays und Rezensionen erscheinen u.a. im New Yorker und Poetry. Gemeinsam mit Meghan O'Rourke betreute er von 2005 bis 2010 die Lyrikredaktion der Paris Review. Zu seinen Auszeichnungen gehören der Whiting Writers' Award, ein Pushcart Prize und ein Guggenheim Fellowship. Er lehrt Creative Writing am Wellesley College.
Lyrik
The Afterlife of Objects, University of Chicago Press, 2002 – Natural History, Knopf, 2005 – Where's the Moon, There's the Moon, Kopf, 2009
Essay
One Kind of Everything: Poem and Person in Contemporary America, Chicago University Press, 2006
Videos
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