americana@poetenladen
Eine Reihe zur US-amerikanischen Lyrik
Herausgegeben von Annette Kühn & Christian Lux
Rachel Zucker
Not Knowing Nijinsky Or Diaghilev
A certain kind of man asks the same question
again, again until it isn't a question but
a threat, shove, spit in the eye.
Phyllis says
you're sitting on your power but
I know what I'm sitting on: my ass. Obviously,
running out of language.
My desire is "A pre-electric impulse with a too-small synapse."
What a tired image that is. I sit on my power.
Finally, in the boxed-up city, night comes on
without a sunset; books push out their backs,
turn stiff arms away, press closer together.
The editor says we have no patience for metaphor.
In the dream the baby carrier is crammed with plastic bags.
My ex-lover shoots hockey pucks at my breasts through a metal tube.
I want to hold you once before the world explodes I say to the baby
who is not there. Two women screaming "Filthy Jews!" die too.
The memo from the editor: it is even sub-Hollywood.
I sit on my power and try to describe anything.
"My mother inside me": air in a well; a heavy, starless chill.
Her love the texture of canned lotus root, the color
a cross-section of diseased lung; slight smell of vinegar.
The editor jots no patience for description.
So I am back where I started; another old man and his helpful invective.
He suspects me. Uses the words "musicality," "mimesis";
what do you know, if anything?
I think: I know what it is |
to have a child … but (truth is) not now, I only know |
|
what it is like. |
Here: here is a picture of me in labor:
… hand around the metal bar the body
crushing in and in the room white hot,
exploding
The reason I even mention [it] is that I don't know anything
but memory which is nothing except—child, sleeping in my elbow—
marks and tracings, a neural map, my thoughts are like piranha,
transparent and vicious, but no one gets away with similes like that.
Where is the pool of diction the myth described? The old man
spits in my eye, says
a child is no excuse and points, pushing me
toward the shallow pond.
Weder von Nijinsky noch von Diaghilew Ahnung haben
Eine bestimmte Sorte von Mann stellt ein und dieselbe Frage wieder
und wieder, bis sie keine Frage mehr ist, sondern
eine Bedrohung, ein Stoß, ein direkt ins Auge gespuckt.
Phyllis sagt
du sitzt auf deinem Potenzial, ich
aber weiß, worauf ich sitze: auf meinem Arsch. Offenbar
lässt mich die Sprache im Stich.
Mein Verlangen ist »ein prä-elektrischer Reiz an einer zu kleinen Synapse«.
Was für ein fades Bild das ist. Ich sitze auf meinem Potenzial.
Die Nacht in der zusammengeschachtelten Stadt beginnt letztendlich
ohne Sonnenuntergang; Bücher drücken ihre Rücken durch,
spreizen die steifen Arme ab, rücken näher zusammen.
Der Redakteur sagt wir haben keine Geduld für Metapher.
Die Babytrage im Traum war mit Plastikbeuteln vollgestopft.
Mein Exfreund beschießt mich durch eine Metallröhre mit Eishockeypucks.
Einmal will dich halten, bevor die Welt explodiert, sage ich zu dem Baby,
das nicht da ist. Zwei Frauen, die "Dreckige Juden!" schreien, sterben ebenfalls.
Ein Memo vom Redakteur: es ist sogar sub-Hollywood.
Ich sitze auf meinem Potenzial und versuche irgendwas zu beschreiben.
»Meine Mutter in mir«: Luft in einer Quelle; eine schwere, sternlose Kühle.
Ihre Liebe hat die Textur einer eingeweckten Lotuswurzel, farblich
ein Querschnitt durch eine kranke Lunge; leichter Geruch nach Essig.
Der Redakteur kritzelt hin: keine Geduld für Beschreibung.
So bin ich wieder da, wo ich anfing; noch ein alter Mann und sein hilfreiches Schimpfen.
Er verdächtigt mich. Verwendet die Wörter »Musikalität«, »Mimesis«;
was weißt du, wenn überhaupt irgendwas?
Ich denke: ich weiß wie es |
ist ein Kind zu haben … aber (in Wahrheit) nicht jetzt, |
|
ich weiß nur, wie es in etwa ist. |
Hier: hier ist ein Bild von mir, wie ich arbeite:
… die Hand um eine Stange aus Metall, der Körper
gepresst in einem Raum weißglühend,
Explosionen
Der Grund, warum ich [es] überhaupt erwähne, ist, ich weiß nichts,
nur mein Gedächtnis, das nichts weiter ist als – Kind, schläft auf meinem Arm –
Abdrücke und Spuren, eine neurale Karte, meine Gedanken sind wie Piranhas,
durchscheinend und grausam, nur bleiben Vergleiche wie diese nicht ohne Strafe.
Wo ist der Born der Sprache, den der Mythos beschreibt? Der alte Mann
spuckt mir ins Auge, sagt
ein Kind ist keine Entschuldigung und zeigt, schiebt mich
in Richtung des flachen Teichs.
Übersetzung: Ron Winkler
Aus: THE LAST CLEAR NARRATIVE. Wesleyan University Press, 2004
Rachel Zucker (* 1972)
Rachel Zucker wurde in New York City geboren und wuchs in Greenwich Village auf. Ihre Eltern sind das Schriftstellerpaar Diane Wolkstein und Benjamin Zucker. Sie studierte Psychologie in Yale, und Creativ Writing an der University of Iowa. Sie hat drei Gedichtbände und gemeinsam mit Arielle Greenberg eine Anthologie veröffentlicht. Zu ihren Auszeichnungen gehört u.a. der Barrow Street Poetry Prize. Ihre Gedichte erscheinen in
American Poetry Review, Pleiades und in der jährlichen Anthologie-
Serie The Best American Poetry (2001). Sie lehrte u.a. in Yale, an der New York University. Ihr vierter Gedichtband ist in Vorbereitung. Die ersten 100 Tage der Regierung Obama begleitete sie als Herausgeberin der Onlinepublikation Starting Today: Poems for the first 100 Days.
Lyrik
Eating in the Underworld, 2003 – The Last Clear Narrative, 2004 – The Bad Wife Handbook, 2007 – Museum of Accidents, 2009 (in Planung)
Herausgeberschaft
(zusammen mit Arielle Greenberg): Women Poets on Mentorship: Efforts and Affections (2008)
Auszeichnungen
Salt Hill Poetry Award, 1999 – Barrow Street Poetry Prize, 2000 – Center for Book Arts Award, 2002
29.10.2009