americana@poetenladen
Eine Reihe zur US-amerikanischen Lyrik
Herausgegeben von Annette Kühn & Christian Lux
Kenneth Koch
Alive For An Instant
I have a bird in my head and a pig in my stomach
And a flower in my genitals and a tiger in my genitals
And a lion in my genitals and I am after you but I have a song in my heart
And my song is a dove
I have man in my hands I have a woman in my shoes
I have a landmark decision in my reason
I have a death rattle in my nose I have summer in my brain water
I have dreams in my toes
This is the matter with me and the hammer of my mother and father
Who created me with everything
But I lack clam I lack rose
Though I do not lack extreme delicacy of rose petal
Who is it that I wish to astonish?
In the birdcall I found a reminder of you
But it was thin and brittle and gone in an instant
Has nature set out to be a great entertainer?
Obviously not a great reproducer? A great Nothing?
Well I will leave that up to you
I have a knocking woodpecker in my heart and I think I have three souls
One for love one for poetry and one for acting out my insane self
Not insane but boring but perpendicular but untrue but true
The three rarely sing together take my hand it's active
The active ingredient in it is a touch
I am Lord Byron I am Percy Shelley I am Ariosto
I eat the bacon I went down the slide I have a thunderstorm in my inside I will never hate you
But how can this maelstrom be appealing? do you like menageries? my god
Most people want a man! So here I am
I have a pheasant in my reminders I have a goshawk in my clouds
Whatever is it which has led all these animals to you?
A resurrection? or maybe an insurrection? an inspiration?
I have a baby in my landscape and I have a wild rat in my secrets from you.
© The Estate of Kenneth Koch. Aus: Collected Poems. A. A. Knopf, 2005.
Augenblicklich lebendig
In meinem Kopf wohnt ein Vogel und in meinem Magen ein Schwein
Und eine Blume in meinen Genitalien und ein Tiger in meinen Genitalien
Und ein Löwe in meinen Genitalien, o ich bin hinter dir her, aber ich habe dieses Lied
im Herzen
Und mein Lied ist eine Brieftaube
In meinen Händen liegt ein Mann und in meinen Schuhen eine Frau
Ich beherberge eine Grundsatzentscheidung in meinem Gehirn
Und ein Todesgeratter in meiner Nase der Sommer breitet sich aus in meinen Gehirnseen
Das ist los mit mir und dem Hammer meiner Mutter und meines Vaters
Die mich erzeugten mit allen Teilen
Doch mir mangelt es an Windstille mangelt es an einer Rose
Auch wenn es mir nicht mangelt an der besonderen Zartheit von Rosenblättern
Wen will ich bloß damit erstaunen?
In diesem Vogelruf fand ich dich zurück erinnert
Doch war er dünn und brüchig und nach einem Augenblick vorbei
Hat sich die Natur in eine große Unterhaltungsindustrie verwandelt?
Offensichtlich nicht Ein großes Mikrowellengericht? Ein großes Nichts?
Also ich überlasse dir das
Ein Specht hämmert in meinem Herzen und ich glaube drei Seelen sind in mir
Eine für die Liebe eine für die Poesie und eine zum Herauskehren meiner Verrücktheit
Nicht verrückt sondern langweilig aber senkrecht aber falsch aber wahr
Die drei singen selten miteinander nimm meine Hand
sie wirkt wunder Ihr Wirkstoff
Ich bin Lord Byron ich bin Percy Shelley ich bin Ariostos
Ich verputze den Speck ich rutschte die Rutsche hinab ein Gewittersturm kommt in mir auf
ich werde dich niemals hassen
Wie kann dieser Malstrom so anziehend sein? magst du Menagerien? mein Gott
Die meisten Leute wollen nur einen Mann! Da bin ich also
Unter meinen Schmierzetteln gastiert ein Fasan ein Hühnerhabicht beschwingt
meine Wolken
Was ist es tatsächlich das diese ganzen Tiere zu dir geführt hat?
Eine Wiederaufstehung? oder vielleicht eine Empörung? eine Eingebung?
In meiner Landschaft schaukelt ein Baby und eine Kanalratte flitzt in den
Geheimnissen vor dir.
(Übersetzung: Tom Schulz)
Rege für den Moment
Ich hab einen Vogel in meinem Kopf und in meinem Magen ein Schwein
und eine Blume in meinem Gemächt und einen Tiger in meinem Gemächt
und einen Löwen in meinem Gemächt und ich bin hinter dir her aber
ich habe ein Liedchen im Herzen und das ist eine Taube
Ich hab einen Mann in den Händen Ich hab eine Frau in meinen Schuhen
Ich trage eine Grundsatzentscheidung in meinem Verstand
Ich hab das Verröcheln in der Nase Ich habe Sommer in der Gehirnwanne
So sieht's mit mir aus und dem Hammer von Mutter und Vater
die mich kreierten mit all dem
Aber mir fehlt Ruhe Mir fehlt Rose
das abgeschmackte Rosenblattschmankerl fehlt mir allerdings nicht
Wer ist es, den ich in Erstaunen versetzen will?
Im Lockruf fand ich eine Erinnerung an dich
Doch er klang schütter und brüchig und war augenblicklich vorbei
Hat es Natur darauf angelegt, ein super Entertainer zu sein?
Offenbar nein Der große Vervielfältiger? Ein klasse Nichts?
Naja, ich werd das dir überlassen
Ich hab einen pochenden Specht in meinem Herzen und ich denke ich habe drei Seelen
Eine für Liebe eine für Poesie und eine für das Ausagieren meines Irrsinns-Ichs
Nicht irrsinnig aber dröge aber senkrecht aber unwahr aber wahr
Die drei singen nur selten zusammen sie nehmen mich bei der Hand es ist rührig
Das Rührige daran ist die Berührung
Ich bin Lord Byron Ich bin Percy Shelley Ich bin Ariost
Ich esse den Schinken Ich lief die Rutsche runter Ich hab ein Gewitter im Innern
Ich werd dich niemals hassen
Aber was soll an diesem Sog so reizvoll sein? magst du Menagerien? mein Gott
Die meisten Leute wollen einen Mann! Also hier – da bin ich!
Ich hab einen Fasan in meinen Erinnerungen Ich hab einen Habicht in meinem Gewölke
Was in aller Welt hat all diese Tiere zu dir geführt?
Eine Auferstehung? oder vielleicht ein Aufruhr? eine Eingebung?
Ich hab ein Baby in meiner Landschaft und eine freilaufende Ratte in meinen
Geheimnissen von dir.
(Übersetzung: Marcus Roloff)
Lebendig für einen Moment
Ich habe einen Vogel in meinem Kopf und ein Schwein in meinem Magen
Und eine Blume in meinen Genitalien und einen Tiger in meinen Genitalien
Und einen Löwen in meinen Genitalien und ich bin hinter dir her aber ich habe ein Lied in meinem Herzen
Und mein Lied ist eine Taube
Ich habe einen Mann in meinen Händen Ich habe eine Frau in meinen Schuhen
Ich habe eine Meilenstein-Entscheidung in meiner Vernunft
Ich habe ein Todesrasseln in meiner Nase Ich habe Sommer in meinem Hirnwasser
So ist das mit mir und dem Hammer meiner Mutter und meines Vaters
Die mich erschufen mit alledem
Jedoch fehlt mir Ruhe mir fehlt Rose
Doch fehlt mir nicht die extreme Schönheit einer Rosenblüte
Wer ist das den ich zu überraschen im Sinn hab?
Im Vogelgezwitscher fand ich eine Erinnerung an dich
Doch war sie dünn und brüchig und augenblicklich vergangen
Schwingt sie sich auf die Natur zu einem großen Entertainer?
Offensichtlich nicht. Zu einem großen Reproduzierer? Einem großen Garnichts?
Nun, das zu entscheiden überlasse ich dir
Ich habe einen klopfenden Specht in meinem Herzen und ich glaube ich habe drei Seelen
Eine für die Liebe Eine für Poesie und Eine um mein irres Ich auszuleben
Nicht verrückt aber langweilig aber aufrecht aber unrichtig aber wahr
Die drei singen selten zusammen, meine Hand zum Beispiel sie ist aktiv
Der aktive Bestandteil in ihr ist die Berührung
Ich bin Lord Byron Ich bin Percy Shelly Ich bin Ariosto
Ich esse Speck Ich ging den Bach runter Ich habe einen Wirbelsturm in mir Ich werde dich niemals hassen
Wie aber kann dieser Strudel begehrenswert sein? magst du Menagerien? mein Gott
Die meisten Menschen wollen einen Mann! Hier also bin ich
Ich habe einen Fasan in meinen Erinnerungen Ich habe einen Habicht in meinen Wolken
Was es wohl ist, dass all diese Tiere zu Dir führte?
Eine Auferstehung? oder vielleicht eine Erhebung? Eine Eingebung?
Ich habe ein Baby in meiner Landschaft und ich habe eine wilde Ratte in meinen
Geheimnissen von dir.
(Übersetzung: Christian Lux)
Kenneth Koch
Der 1925 in Cincinnati, Ohio, geborene Kenneth Koch gehört neben
John Ashbery,
Frank O'Hara, James Schuyler und
Barbara Guest zur ersten Generation der sogenannten New York School.
1943 wurde er 18jährig Soldat der US-Bodentruppen im Pazifik. Koch studierte in Harvard, wo er sich mit John Ashbery anfreundete. In New York schrieb er seine Doktorarbeit. Nach längeren Stationen an der Universität Berkeley, in Frankreich und Italien ließ er sich Ende der 50er Jahre mit seiner Familie erneut in New York nieder, wo er an der Columbia University bis zu seinem Tod 2002 unterrichtete.
Koch gab zeitlebens äußerst populäre Schreibkurse in Altenheimen und Kindergärten. Seine Gedichte und Theaterstücke werden zur einflussreichen experimentellen Avantgarde der zweiten Jahrhunderthälfte gerechnet, ähnlich wie bei Rae Armantrout und Charles Bernstein zeichnen sich seine Texte und Vorträge dabei stets durch lustvolle Ironie und absurd-komische Elemente aus.
1994 erhielt der vom literarischen Establishment stets kritisch beäugte den Bollingen Prize. 1976 erschien bei Rowohlt eine Auswahl aus zwei Bänden aus den 60er Jahren in der Übersetzung Nicolas Borns. Tom Schulz und Marcus Roloff bereiten für luxbooks eine Auswahl aus dem Gesamtwerk vor.
Lyrik
Poems, 1953 – Ko; or, A Season on Earth, 1959 – Permanently, 1960 – Thank You and Other Poems, 1962 – Poems from 1952 and 1953, 1968 – The Pleasures of Peace and Other Poems, 1969 – When the Sun Tries to Go On, 1969 – Sleeping with Women, 1969 – The Art of Love, 1975 – The Duplications, 1977 – The Burning Mystery of Anna in 1951, 1979 – Days and Nights, 1982 – Selected Poems, 1950-1982, 1985 – On the Edge, 1986 – Seasons on Earth, 1987 – One Train: Poems, 1996 [Bobbitt National Prize] – Straits: Poems, 1998 – New Addresses: Poems, 2000 – Sun Out: Selected Poems, 1952-1954, 2002 – A Possible World, 2002 – Selected Poems, 1991 – On the Great Atlantic Rainway: Selected Poems, 1950-1988, 1994 – Collected Poems, 2005 – Collected Longer Poems, 2008
Audio
Reading at the Kelly Writers House, University of Pennsylvania
Interview
An Interview with Kenneth Koch
29.06.2010