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Ariane BreidensteinUnd nichts an mir ist freundlichWunder-voller Garten – Das Debüt von Ariane Breidenstein
Man schrie sich an und hatte keine Beziehung zueinander, das hochintelligente Kind wurde dressiert oder zu angeberischen Zwecken vorgezeigt. Einzig die Bäume waren Wesen mit denen das Mädchen in Beziehung treten konnte – und die Wörter. Dabei ist es bis heute geblieben. Nur in der Sprache kommt das Ich zu einer Art Ruhe, ansonsten rastlos auf der Wanderschaft über Friedhöfe, Brachen und durch Menschen angelegte tote Kulturlandschaften. Das Ich sammelt und registriert die Dinge, an denen andere achtlos vorbeigehen mit einer sensiblen Übergenauigkeit, fast streicheln Blick und Sprache eine liegen gelassene Erdbeere, ein vergessenes Förmchen, eine vertrocknete Topfpflanze. Wie soll man überleben in einer Welt, die zu dicht ist für ein durchlässiges Ich ohne Hautwiderstand ist die zentrale Frage. Wie eine Welt verstehen, in der Kinder deswegen geboren werden, damit neue Steuerzahler entstehen. „Was soll man mit diesen Menschen reden“, fragt sich die Erzählerin, unfähig zum Smalltalk. Von den Menschen erwartet sie argwöhnisch nur Böses, über den Tod der Mutter war sie glücklich. Immer ist da auch der Gedanke an eine Welt ohne das Ich, an eine Selbstauslöschung. Dagegen steht die Suche nach dem wundervollen verlorenen Garten der Kindheit, den lebendigen Bäumen, zu denen A.B. immer wieder zurückkehrt, sehnsüchtig an Emiliy Dickinson denkend, die „ihren Garten“ nie verlassen hat. Eine Schilfhütte wie Basho wünscht sie sich, die Verwandlung in einen Baum, die Rückkehr ins Wasser: Sehnsucht nach einer Regression, wie sie Benn in einem Gedicht beschrieben hat. „Ich habe die Erde ja nie betreten wollen“, ist sich das Ich sicher, hin- und hergerissen zwischen Angst und Sehnsucht, was die Menschen betrifft. Schreiben ist hier reinwaschen, das Heranschreiben einer Schutzschicht gegen eine Welt des Zuviel. Die Sprache wuchert und wächst und ist selbst eine geheimnisvolle Pflanze, der wir beim Wachsen zuschauen können: ein einziger atemloser Monolog, in dem sich das Ich an der Sprache entlang hangelt, manchmal die Kontrolle verliert, dann wieder reflektiert das eigene Tun kommentiert. Ein Text voller einzigartiger Sätze, traumhafter Bilder, witziger Sprachspiele, Verdrehungen, aufgelöster Syntax, einem eigenwilligen Gebrauch der Satzzeichen, Wechsel ins Englische, Wiederaufnahme von Motiven, Wörtern, die plötzlich ins Kraut schießen, Klassifikationen und Wortschöpfungen. Die reflektierende Stimme diagnostiziert eine „Kompositabesessenheit“ oder seufzt über den ausufernden Text. Alles wird uns nicht erzählt, denn „es gibt so viel, wovon ich gar nicht schreiben kann“, und immer ist sich dieses Ich bewusst, dass es erzählt, und dass im Erzählen eine Art Erlösung liegt und genauso eine Gefahr, der „Weltverlust“. Wie das Ich auf die Dinge blickt, bis in die feinsten Verästelung eines Blattes, steht konträr zur Behauptung des Titels, der sich auf die Welt mit ihrer dichten Materialität bezieht und die Menschen, die das Kind schon früh in Form seiner Eltern literarisch töten wollte. Die Zeichnungen der Pflanzen, des Wassers, des Himmels ( und es verwundert nicht, dass das Ich auch bildende Künstlerin ist) sind so fein gestaltet wie mit einer dünnen Feder, zart und eigenwillig. Darunter bebt die Mischung aus Angst und Wut, der Nährboden, auf dem alles wächst und der den Text über ein bloßes Beschreiben weit hinaushebt. „Ich schreie aus Angst, allein zu sein im Dschungel des Unsagbaren“, hat Max Frisch einmal formuliert. Hier wird geschrieben um zu überleben, und manchmal hat man tatsächlich das Gefühl, einem Gedanken beim Entstehen zuzusehen und dem Ringen um ein Wort. Es wird eine „Denklandschaft“ entworfen, in der ein Leser umhergeht wie in dem wunderbaren Garten, den das Ich immer sucht. Atemlos möchte man all die schönen Gewächse darin gleichzeitig ansehen und geht dann doch Schritt für Schritt vor, Seite für Seite, bis man den Buchdeckel schließt und sich beschenkt fühlt.
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