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Thorsten Dönges

Im Gespräch mit Marie T. Martin
»Ich bewundere die Vielfalt, die es im Moment gibt«
  Gespräch        Literatur und Förderung

»Was ich Autoren wünsche: dass es immer wieder Klick im Kopf macht und im besten Fall Literatur als Kunst entsteht.«
Thorsten Donges in poet nr. 14



Gespräch in poet nr. 14   externer Link

Thorsten Dönges wurde 1974 in Gießen geboren. Er studierte in Bamberg Germanistik und Geschichte, seit 2000 ist er Mit­arbeiter des Literarischen Colloquiums Berlin. Im LCB betreut er seit einigen Jahren die Autoren­werkstatt Prosa und gestaltet das Veran­staltungs­programm mit.
  Das Literarische Colloquium Berlin (LCB), 1963 von Walter Höllerer gegründet, ist Veranstaltungsforum und Gästehaus, Arbeitsstätte und Talent­schmiede für Autoren und Übersetzer. Mit seinen Förder­sprogrammen, Projektinitiativen und der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter genießt das LCB den Ruf einer Institution mit internationaler Ausstrahlung.


Marie T. Martin: Lieber Thorsten Dönges, unnötig, Dir hier im Lite­rarischen Collo­quium Berlin die Frage zu stellen, wie und ob Lite­ratur­förderung im LCB funk­tioniert. Immer­hin war ich gerade drei Monate hier und sollte die Frage selbst beant­worten …
Thorsten Dönges: Das kannst du ja machen: Leg mir doch einfach die Antworten in den Mund. Viele Autoren sagen ja, sie hätten hier eine ganz wunder­bare Zeit gehabt. So könntest du die Frage auch stellen – Sehen Sie das auch so, Herr Dönges, dass die meisten Autoren hier eine überaus pro­duktive Zeit hatten?
M. T. Martin: Haha. Ich hatte übrigens wirklich eine produktive Zeit hier – zum Ideen­sammeln und bin mir über vieles klar geworden. Dabei ist die geo­graphi­sche Lage des LCB durchaus zwiespältig: Es ist abgelegen, aber die S-Bahn nach Berlin ist nur ein paar Schritte weit.
T. Dönges: Man kann hier am Wannsee einerseits zurück­ge­zogen arbeiten, hat aber auch die Stadt Berlin mit all ihren Reizen in der Nähe. Es gibt ja auch Residenzstipendien, bei denen klar ist: Ablenkung gibt es dort nicht. Es soll schon manchen Leuten die Stuckdecke von Schloss Wiepersdorf auf den Kopf gefallen sein. Andere Autoren berichten wiederum begeistert von der Abgeschiedenheit solcher Stipendienorte. Hier bei uns kann man beides haben, das ist ein großer Vorteil.
M. T. Martin: Hast du etwas besonders Schönes in Erinnerung, was Autoren hier erlebt haben?
T. Dönges: Wir haben viele Stipendiaten über das Auswärtige Amt, da finde ich es immer schön, wenn sich hier Leute aus sehr unter­schied­lichen Kon­texten begeg­nen. Zum Beispiel waren einmal gleich­zeitig ein ungari­scher Autor und ein rumä­nischer Autor hier, Attila Bartis und Filip Florian. Atila Bartis stammt aus der ungarischen Bevöl­kerungs­gruppe in Rumänien. Es gibt wenig Aus­tausch zwischen den Ländern, aber hier auf neutralem Boden in Berlin konnten sich die beiden begegnen. Sie haben sich schnell ange­freundet und machen noch heute ge­mein­same Inter­views oder Auf­tritte. Gerade für Ost- und Mittel­europa entstehen hier viele Kontakte und Freundschaften, auch weil viele Übersetzer im Haus sind.
M. T. Martin: Das Beispiel der beiden zeigt, was Autoren­förderung auch sein kann: Begegnungen schaffen. Gibt es Bedin­gungen dafür, was die Autoren während ihres Stipen#-diums hier machen müssen? Berichte? Residenzpflicht, Abgabe von Werken?
T. Dönges: Was die einzelnen Autoren aus ihrer Zeit hier machen, bleibt ihnen überlassen, wir kontrollieren gar nichts. Wir freuen uns aber, wenn Autoren berichten, dass sie aus einem Schreib­tief heraus­gekommen sind und gut arbeiten konnten oder neue Impul­se erhielten. Es gibt einer­seits Leute, die hier ein reges gesell­schaft­liches Leben entfalten und andere, die sich drei Monate in ihrem Zimmer ver­graben und dort wieder bei sich ankommen – und beim Schreiben. Wir belassen Leute auch in ihrer Reko­nvaleszens­zeit. Sie sollen sich danach mit Freuden an dieses Haus erinnern. Das ist auch eine Art Kapital für uns, denn wir sind ja weiter interes­siert daran, was die Autoren machen, wie es mit ihnen weitergeht.
M. T. Martin: Also Autorenförderung als ein Netzwerk?
T. Dönges: Ja, eine nachhaltige – schon wieder so ein Modewort – Förderung. Es gibt ja auch Leute, die bei uns in der Prosa­werks­tatt waren und danach ein Aufent­halts­stipen­dium bekommen haben. Das sind Au­toren, an denen wir dran­bleiben und bei denen wir uns auch persönlich freuen, wenn wir sehen: Da kommt jetzt auch ein zweites Buch, ein drittes, es geht weiter.
M. T. Martin: Die Prosawerkstatt ist gedacht für Autoren vor dem ersten Buch – wie lange gibt es diese Form der Förde­rung schon und was hat sich über die Jahre verändert?
T. Dönges: Das Ganze ist eine uralte Idee. Es gab in den 60er Jahren schon die »Werkstatt Prosaschreiben« mit einem etwas anderen Konzept. Grass, Rühmkorf und Höllerer haben das Ganze damals geleitet. Die Idee war, Autoren einzuladen, die schon ver­öffent­lich hatten und mit denen zu arbeiten, aller­dings tatsächlich auch mit sehr konkreten Schreib­aufgaben. Meine Lieblings#-aufgabe diesbezüglich war: »Jemand entfernt sich bei ab­nehmender Beleuch­tung«. Dazu sollten dann Leute wie Hubert Fichte Texte schreiben! Das ist jetzt nicht mehr so, es gibt keine Schreibaufgaben mehr, die Stipe#-ndiaten arbeiten an eigenen Texten.
M. T. Martin: Wie ist das Procedere der Auswahl?
T. Dönges: Es treffen immer circa 300 Bewerbungen ein. Hier im Haus schauen sich zwei Leute mit Gegencheck-System die Texte an, dann geben wir etwa 80 Texte an die Leiter heraus. Einige Jahre lang war das Ursula Krechel, jetzt ist es Ulrike Draesner. Unab­hängig voneinander erstellen die Werkstatt­leiterin und ich eine Liste mit Leuten, über die wir genauer sprechen wollen. Das sind dann 20 bis 30 AutorInnen, oft gibt es dabei erstaun­liche Über­schnei­dungen. Das sind Texte, die uns auf­fallen: durch etwas Besonderes in der Sprache, etwas, das neu­gierig macht. Das können auch thema­tische Zugriffe auf einen Stoff sein, wenn jemand zum Beispiel etwas gegen den Strich bürstet, was hier interes­sant und neu gesehen wird. Dann sitzen wir beide zusammen und debat­tieren. Am Ende haben wir die Liste der Stipen­diaten erstellt, die wir nach bestem Wissen und Gewissen ausge­wählt haben. Es kann immer sein, dass wir jemanden übersehen, wir sind ja nicht unfehlbar.
M. T. Martin: Kommen viele Autoren, die in der Prosawerkstatt waren, später als Aufenthaltsstipendiaten wieder?
T. Dönges: Viele der jüngeren Autoren kommen nur für die Werkstatt in Frage, weil sie in Berlin leben. Berliner sind für das Aufenthalts­stipen­dium ausge­schlossen. Jetzt aktuell sind fünf oder sechs der insgesamt zehn Teilnehmer aus Berlin, also eine ganze Menge. Aber es gibt durchaus Leute, die in der Prosa­werk­statt waren und dann auch ein Aufent­halts­stipen­dien erhielten, zum Beispiel Gunther Geltinger oder Stefanie Sourlier oder jüngst Philip Schönthaler.
M. T. Martin: Kommen irgendwann alle jungen Autoren aus Berlin?
T. Dönges: Die Mieten sind hier immer noch vergleichs­weise günstig, auch wenn hier ständig über Gentri­fizierung diskutiert wird. Aber natürlich ist es immer noch kein Vergleich zu München oder Hamburg. Da ist es einfach schwieriger für junge Autoren, sich ökonomisch zu etablieren. Hier gibt es ja auch die Szene mit all den Festivals oder Ein­richtungen, bei denen man auch mal eine Moderation machen kann oder einfach präsent ist. Städte könnten natürlich günstigere Arbeitsräume für Künstler zur Verfügung stellen. Wenn ein alter Schlachthof umgebaut wird, könn­te man ja statt Luxus­wohnungen auch Räume für Künstler zu Verfügung stellen. Zum Beispiel im Hamburg im Gänge­viertel gab es Initiativen, die einiges erhalten haben.
M. T. Martin: Die Feuilletons behaupten gern, es werde zu viel Schreibschulprosa geschrieben, es entstünde zu viel langweilige Stipen­diaten­literatur. Was sagst du dazu?
T. Dönges: Das sind so Polemiken, von denen man sich denken kann, woher sie stammen. Von Redakteuren, die in ihren gut geheizten Redaktions­stuben sitzen und das Ideal des armen Poeten vor Augen haben, der in seiner zugigen Kammer sitzt, in die es hineinregnet. Der Poet friert, aber es entsteht dabei etwas ganz Großartiges.
M. T. Martin: Warum geht dieses Bild einfach nicht aus den Köpfen?
T. Dönges: Viele Bücher, die mich direkt ergreifen und bei denen ich das Gefühl habe, hier ist Welt­literatur, handeln oft von Not und Be­drängnis, von echter Not und Bedrängnis. Wer Atemschaukel gelesen hat, kann das nachvollziehen. Hier ist klar, die exis­ten­zielle Not kommt aus etwas selbst Erfahrenem. Auch wenn bei diesem Buch vieles mit Oskar Pastior entstanden ist, hat auch Herta Müller lange genug unter dem Ceausescu-Regime gelitten. Aber der Text ist zudem literarisch hervorragend gemacht – wow! – etwas ganz Einzigartiges. Nun könnte man sagen, Diktaturen oder repressive Systeme und ein hartes Lebensumfeld sind der beste Nähr­boden für gute Literatur, doch das Erleben ist nur die eine Seite der Medaille. Es geht auch um die Verwandlung in wirkliche Lite­ratur, darum, wie etwas sprachlich gemacht wird.
M. T. Martin: Älter Autoren sagen gerne, dass die Jüngeren ja keine Kriegs­erfah­rung hätten oder nichts Existen­zielles erlebt hätten, um darüber zu schrei­ben. Dabei hat ja jede Zeit ihre Themen.
T. Dönges: Gerade wenn man das neue Buch von Philip Schönthaler nimmt – er lebt in Konstanz, da herrscht meines Wissens gerade kein Krieg –, werden dort kunstvoll Themen unserer Zeit verhandelt. Da geht es um Trends in unserer Gesell­schaft, um Wachstum, Leistung, das Höher, Schneller, weiter – aber das Ganze ist subtil und sprach­lich groß­artig, dazu muss der Autor nicht in einem Krieg gewesen sein. Als ich den Erzähl­band Gesichertes von Hanna Lemke gelesen habe, fragte ich mich erst, kann man das so machen: Die Fragen einer Generation, auch im Zwischen­menschli­chen, die Angst, sich fest­zulegen oder auch die Unfähig­keit zu Nähe so direkt zu thema­tisieren. Nach dem Lesen fand ich, es ist ein wirklich gelungenes Buch, weil die Geschich­ten ein großes Ge­heimnis in sich bergen und kunstfertig gemacht sind. Jedes Buch ist ein neues Wagnis und ein neuer Versuch, sich Themen zu nähern.
M. T. Martin: Man muss Autoren also nicht ihre Stipendien wegnehmen, damit sie besser schreiben?
T. Dönges: Es ist immer die Frage: Was fordert das Feuilleton, was fordern die Buch­händler, die Leser, was fordert die Gesell­schaft. Das sind Trends, die sich ändern. Irgend­wann gab es den Jubel, es wird wieder erzählt, dann hieß es, es gebe keine Experi­mente mehr, das kommt heute so, morgen so. Was ich bewun­dere, ist die Viel­falt, die es im Moment gibt. Dieser Reich­tum an Stoffen, an Stilen, da passiert so viel, das finde ich wunderbar. Ist doch toll, dass es auch für weniger gängige Sachen – ich denke da gerade auch an die Lyrik – Förderung gibt.
M. T. Martin: Man hört manchmal von älteren Autoren: Ihr habt es gut, früher gab es nicht so viele Stipendien oder Förder­möglich­keiten. Konntest du das selbst wahrnehmen?
T. Dönges: Ich beobachte tatsächlich eine Veränderung. Zu Beginn der Prosa­werkstatt gab es kaum etwas anderes. Jetzt bewerben sich auch Leute, die zum Beispiel in Leipzig, Biel oder Hildesheim studiert haben oder studieren oder die in München beim Manuskripte-Kurs waren. Insgesamt gibt es wirklich mehr Möglich­keiten und das ist doch großartig.
M. T. Martin: Stichwort Leipzig-Hildesheim-Biel. Was sagst du zur allgemeinen Schreibschulen-Verbrähmung von Literaturkritikern?
T. Dönges: Das ist mir alles zu schwammig. In Leipzig, genauso wenig wie bei uns sagt ja jemand: Jetzt beherrsche mal die Zehn Goldenen Schreib­regeln, dann läuft die Sache. Das wäre ja allen Beteiligten viel zu langweilig. Hier wie dort geht es immer um sehr individuelle Förderung. Klar gibt es Bücher, die finde ich lang­weiliger oder aufregender als an­dere, aber die gibt es von Leuten, die so ein Studium absolviert haben genauso wie von anderen Autoren. Solange es in den besagten Artikeln nur bei der Polemik bleibt, ist mir das zu wenig spannend. Im Feuilleton ist es natürlich auch die Rolle der Kritiker, anzustacheln und zu pro­vozieren. Eine Rolle, die Kritiker immer mehr entdecken und kul­tivieren. Ich fand es witzig, dass beim letzten Open Mike die Lektoren­schaft versammelt nach vorn getreten ist und gesagt hat: Liebe Autoren wagt doch mehr. Kritiker sind einfach gern der Stachel im Fleisch der Autoren.
M. T. Martin: Bei vielen Ausschreibungen steht dabei, dass sie bis 35 Jahre gelten. Ist es danach vorbei mit der Förderung, muss man sich bis dahin etabliert haben?
T. Dönges: Süßer Vogel Jugend! Bei der Ausschreibung der Prosawerkstatt steht bei uns explizit nur »Jüngere Autoren«. Ich riskiere viele Anrufe, bei denen Leute nachfragen, was das denn genau heißt. Es steht bewusst nicht 35 Jahre da und wir haben auch immer Autoren, die älter sind. Im Zweifel für den Text! Es soll eine Gruppe entstehen, die zusammenpasst. Im besten Fall soll es allerdings im Alter so sein, dass sich eine Mischkalkulation ergeben hat, aus Veröffentlichungen, Lesungen, Auftragsarbeiten.
M. T. Martin: Im LCB gibt es auch eine Literaturzeitschrift, die SPRITZ, Sprache im technischen?Zeitalter. Wer liest eigentlich Literaturzeitschriften außer anderen Autoren? Und spielen sie für dich eine Rolle?
T. Dönges: Zeitschriften sind natürlich etwas für die Happy Few, da machen wir uns nichts vor. Doch es besteht eine Not­wendig­keit für sie, sonst würde es sie nicht geben. Da ist viel Leiden­schaft in den Redak­tionen vorhanden. Zeit­schriften können etwas schnel­ler reagieren als Verlage und haben keine Alters­begren­zungen. In unserer Aus­schrei­bung für die Stipen­dien steht, dass man schon eine eigenständige Buch­veröffent­lichung haben soll. Klar, wenn jemand aber tolle Sachen in Zeit­schriften ver­öffent­licht hat und aus welchen Gründen auch immer noch kein Buch gemacht hat, würde ich dafür plä­dieren, so jemandem ein Stipen­dium zu geben als Anschub für ein Buch. Wenn jemand immer wieder in Zeit­schriften gedruckt wird, ist das ein Kriterium, das für einen Autor spricht. Das nehme ich sehr wohl wahr.
M. T. Martin: Es gab schon Kritiker, die moniert haben, es gebe zu viele Preise in Deutschland.
T. Dönges: Da ist vielleicht Neid mit im Spiel? Dabei gibt es auch Preise für Literaturkritiker. Und für Leute wie beispielsweise ­Ur­sula Krechel, die bis jetzt nie das Massenpublikum erreicht hat, ist so ein Preis doch großartig. Dass es diese unab­hängigen Jurys gibt, die sagen, da entsteht Lite­ratur, die sich leider nicht so verkauft und das hat aber ein Niveau und eine Quali­tät und wir als Literatur­fonds fördern jetzt mal anständig, damit jemand in Würde leben und schreiben kann – was soll daran schlecht sein? Die Leute in den Jurys arbeiten ge­wissen­haft und ich finde, das ist ein funktio­nieren­des System. Es wird oft unterstellt, da herrsche Willkür, ich glaube das nicht. Es gibt jetzt eben nicht mehr den einen Fürsten, der alles entscheidet, sondern unabhängige Jurys! Selbst früher war das doch bemerkens­wert. Warum spricht die Theaterwelt noch von Meinigen? Wegen dieses Regenten, dessen Leidenschaft das Theater war – und das wirkt bis heute nach. Das ist eine Form des Mäzenaten­tums, die sich der Staat schon immer geleistet hat. Und im Gegen­satz zu Subven­tionen geht es da um Summen – meine Güte, darüber müssen wir gar nicht reden! Jetzt gerade wieder die Ausnahme­rege­lungen für Unte­rnehmen, bei denen die großen Konzerne mit Milliar­den subven­tioniert werden. Und dann wird debattiert, wenn jemand vom Literaturfonds ein Jahr lang Geld bekommt. Da denke ich, wie kleinkariert sind wir denn, und freue ich mich umso mehr, wenn Ursula Krechel mit Landgericht endlich einmal breiten Erfolg hat. Damit bekommt sie Anerkennung für ihr jahrelanges Schreiben, das nie auf ein Massen­publikum zielte.
M. T. Martin: Es wird einem vor allem bewusst, wie hilf­reich das ist, wenn man mit KollegInnen aus anderen Ländern spricht, in denen es kaum Preise und gar keine Stipendien gibt. Bitte erzähl doch zum Schluss noch, wie du überhaupt im LCB gelandet bist.
T. Dönges: Ich stamme ja noch aus einer anderen Epoche. Es gibt jetzt diese Sachen wie Literaturmanagement und Angewandte Literatur­wissen­schaft oder wie das alles so heißt. Ich habe in Bamberg Germanis­tik und vor allem mittel­alter­liche Geschichte studiert und wusste gar nicht, wohin das führen könnte und soll. In Bamberg gab es den wunder­baren Wulf Segebrecht, der keine Scheu hatte, mit Autoren Kontakt aufzunehmen, die ganz und gar lebendig waren und sie zu Lesungen oder Poetik-Dozenturen ein­zuladen. Das war damals noch gar nicht so selbst­ver­ständ­lich. Da kam dann Felicitas Hoppe und las aus Picknick der Friseure. Großartig. Danach aß man noch in einem Bamberger Gasthaus und ich fand es so toll, dass ich neben ihr sitzen durfte. Kein Gedanke daran, dass ich später mehr mit ihr zu tun haben würde. Man konnte in Bamberg Germanistik auf Diplom studieren mit Schwer­punkt Lite­ratur­ver­mittlung – was ich gar nicht getan habe, ich habe auf Magister und Lehramt parallel studiert –, aber ich habe diese Seminare besucht. Da wurden Lektoren in die Seminare einge­laden oder es wurde Marlene Streeru­witz oder Feridun Zaimoglu gelesen. So kam ich zur Gegenwarts­literatur – ein Ver­dienst der Bamberger Zeit. Durch ein Prak­tikum bin ich schließ­lich hier ans LCB gekommen. Mittler­weile ist es an den Unis so, dass man den Literatur­betrieb als Berufsfeld entdeckt hat und alles direkt mit Blick auf die Karriere verhandelt. Wir saßen damals in Bamberg mit Leidenschaft für die Texte in den Seminaren und dachten nicht, später arbeite ich mal im Literatur­betrieb.
M. T. Martin: Was ist das Beste, was einer jungen Autorin, einem jungen Autor passieren kann?
T. Dönges: Das Beste, was einer Autorin oder einem Autor passieren kann, kommt nicht von außen. Es ist kein Stipendium, auch nicht der Verlags­vorschuss. Auch nicht mit 25 Jahren der Büchner­preis oder das Wissen, fünf Lektoren wollen mein Buch machen. Das Beste ist zu wissen: Wow, ich habe in meinem Kopf so viele Ideen für Bücher und für Texte, die mich für einige Zeit in ihrem Bann halten werden. Das ist es, was ich Autoren wünsche: dass es immer wieder Klick im Kopf macht und im besten Fall Literatur als Kunst entsteht.
M. T. Martin: Ein schönes Schlusswort.
T. Dönges: Heute bin ich der Meister des gepflegten Schlussworts.
M. T. Martin: Herzlichen Dank für das Gespräch.
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Marie T. Martin    23.08.2012   

 

 
Marie T. Martin
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