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James SallisDriverDie Kammern eines Herzens
Driver ist die melancholische Geschichte eines Einzelgängers, dem alle wichtigen Menschen genommen werden. Erst die Eltern, dann seine erste Ersatzfamilie, schließlich sein Freund Doc. Es ist eine korrupte Welt, die ihren grausamen Höhepunkt im Schlussbild findet: ein Gangster, der Driver zum Essen eingeladen hat, will ihn erstechen, als sie sich die Hand geben. Driver ist schneller und bringt jemanden um, der unter anderen Umständen sein Freund hätte werden können. Der Autor behält eine Distanz zum Erzählten und lässt hin und wieder einen scharfsinnigen Humor aufblitzen, der auch mit dem Genre des Krimis und seinen typischen Szenerien spielt. Die Geschichte wird fast kühl erzählt, mit einer tiefen Melancholie darunter und einer Verbeugung vor dem Vorbild Raymond Chandler, auf dessen Held Philip Marlowe einmal augenzwinkernd im Text angespielt wird. Es sind dieselben miesen Lokale, in denen Driver herumhängt, die auch Marlowes Umgebung darstellen, aber die Figur ist eine ganz andere. Der Text beginnt nach dem gescheiterten Raubüberfall in einem Motel, wo Driver mit mehreren Leichen festsitzt, erzählt dann im Rückblick, wie es zu der Szene kam, unterbrochen von Einsichten in Drivers Kindheit und abgeschlossen durch Drivers Rache. Seine Geschichte wird personal erzählt, am Ende erhalten wir auch Einblick in das Leben der beiden Gangster, die den finalen Raubüberfall geplant haben. Es gibt einen ordnenden Erzähler, der den Überblick hat und am Schluss einen kleinen Ausblick auf Drivers Ende geben kann. Die Dialoge sind kurz und knackig, wie es sich für einen Krimi gehört, die Szenen schnell geschnitten. Der Text ist gut gearbeitet. Sallis, sprachlich knapp und pointiert, lässt sein poetisches Talent nur selten aufblitzen („Das Akkordeon öffnet und schließt sich wie die Kammern eines Herzens“) Der Text zeigt eine miese Gesellschaft, in der ein Einzelner herumtaumelt, dessen Geschichte einen gefährlichen „Drive“ bekommt und die kein gutes Ende nehmen kann. Ein Krimi, der endlich wieder deutlich macht, welch melancholische Eleganz dem Genre innewohnt, wenn ein fähiger Autor sich seiner annimmt.
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