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Gerhard Falkner Ann Cottens Schwuppdiwuppismus Antwort auf Ann Cottens Beitrag: Katachresen.
Um erst gar keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, ich liebe Ann Cotten; (als Autorin). Jedenfalls hin und wieder. Ich würde auch mit ihr ins Bett gehen, wenn das dazu beitragen würde, ihre aberwitzigen Spekulationen über meine Sexualität zu überwinden. Aber gerade, weil ich sie als Dichterin zu den doch gegenwärtig Interessanten zähle, möchte ich ihren – gern diskutierten und zitierten – Beitrag im kürzlich erschienenen Text + Kritik-Heft über „mein Werk“ einem kritischen Blick unterziehen. Wie in den unerschrockensten Kreisen derzeitiger deutscher Dichter bekannt sein dürfte, neigen wir beide zur provokanten Formulierung und unterscheiden uns dadurch millionärisch vom Heer der Schulterklopfer, Seidenspinner und Kotküsser. Allerdings bemühe ich mich, beim Angriff (auf eine Sache, denn um die geht es mir im Grunde ausschließlich, und nicht um die Person), um Stringenz und analytische Genauigkeit. Mit diesen beiden Qualitäten ist es bei Ann Cotten nun leider gar nicht gut bestellt. Den Mangel an Durchdringung und die epistemische Dürftigkeit der Darstellung, die sich pausenlos überrumpelt durch eine pompöse und vehement anmaßende Geste der Unterstellung, werde ich versuchen, wenigstens an Stellen, die der Richtigstellung zugänglich sind, zu belegen.
Eingangs in Ann Cottens verwegener und enorm anzüglicher Studie gibt es zunächst diese vielen Sätze, von denen keiner die Verantwortung für den vorhergehenden übernimmt, geschweige denn, dass der nachfolgende den Zusammenhang auch nur erahnt, in den er durch das sprunghafte und ideenflüchtige Denken der Autorin katapultiert wird. Sie stehen sozusagen für sich selbst und befinden sich in einer unentwegten Mutprobe AC's mit der Gefahr, von einem Leser in ihrer astralen Hohlheit durchschaut zu werden. (Die Gefahr ist allerdings bei gesundem Menschenverstand nicht sehr groß ist, da ein solcher die (un)logischen Panzersperren kaum zu überwinden vermag). AC steht übrigens im Folgenden für Ann Cotten. Es ist ein Hauen und Stechen, dass man sich gelegentlich ratlos fragt, wie das „verbricolieren karachoirender Immersionen zu Katachresen“ wirkungsvoll zu enteiern wäre, ohne dass man der Autorin den stets implizierten Schwanz aus dem Gehirn klinisch zu entfernen hätte. Für Liebhaber des angezündeten Christbaums und der traurigen deKantierung deutschen Geistes wiederhole ich noch einmal: „das verbricolieren karachoirender Immersionen zu Katachresen“. Hier wird mit dem Hammer von Levy-Strauss in der vermeintlichen Faust von Derrida „megaweit“ ausgeholt, und er trifft – nichts! Um nicht zu sagen: gar nichts!
Schon der einleitende Teil vor Absatz 1 „Großzügigkeit vs Schläue“, gibt sich elliptisch. Bei anhaltend abwegigen Deutsch. Was man sich „mit Fug“ (hier allerdings ohne Recht!) davon versprechen darf, das setzt dem Fass die Krone auf, um im Sprach-und Denkstil der Autorin zu verbleiben und um eine erste Katachrese zu verwenden, wie sie sich in „meinen Schriften“ wohl kaum finden dürfte. „Halbstarkinnen“ Sprache, soweit das Auge reicht, umbiestert von genderöser, genderaler, genderominaler Verbalerotik. Blindlings treten da zum Beispiel und unvermittelt zu den „Figuren des Möglichen die Figuren des Unmöglichen“, wie AC meint, herausgefunden zu haben. Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihrem Bewährungshelfer erläutern: „Bei mir treten neben die Figuren des Möglichen die Figuren des Unmöglichen.“ Dessen Schlussfolgerung könnte nur heißen: „Rückfällig! Absinth. Haloperidol. LSD!“ Die Künstlerin hat sich zur Demonstration ihres Schwuppdiwuppismus im Etikettieren nun bedauerlicherweise ausschließlich Gedichte als Beispiele ausgesucht, deren Zeit sie nicht kennt und deren Sprache sie nicht kapiert. Der einführende Abschnitt ist fast zur Gänze eine Glosse falscher oder verhatschter (österreichisch / umgangssprachlich: missglückt(er)) Schlussfolgerungen, wie zum Beispiel, mein „Weltmodell aus Gedichten zu erahnen“ aus der Art und Weise, wie ich „Zotenpointe, Husarenstück und die fickende Uhr darin einzubetten pflege“. Allen drei Requisitenkomposita fehlen allerdings Hand und Fuß, die ihnen ein Mindestmaß an geistiger Beweglichkeit erlauben würden, also ein Vordringen zur Sache. Direkt im Anschluss folgt das Kraut und Rüben Stakkato: „Es (mein Weltmodell) weicht (erstens) mit Sicherheit? (zweitens) erheblich? von dem Weltmodell im Inneren (wie bitte?) von Falkner ab, (und nun wird noch nachgedieselt): den ich persönlich nicht gut kenne“. Nun kennt sie mich persönlich nicht gut, wie sie sagt, dafür aber mit Sicherheit das Weltmodell in meinem Inneren. Geht's noch? Hier haben wir das ganze Schlamassel des Humbugs, das den damit eingedeckten (Leser), wie sie vorschlägt, als eine „Orientierungskarte des Eindrucks ein wenig beruhigen möchte“, der, außer über den Geisteszustand der gelesenen Zeilen, überhaupt nicht nachweislich beunruhigt sein kann. Urplötzlich taucht aus dem Nebel skurriler Selbstüberschätzung eine Josefine Mutzenbacher mit dem Schneebesen auf und verkündet von der Kanzel: „das verbricolieren karachoierender Immersionen fußt auf der Autodidaxe in Geschmacksfragen“, und die Schar aus der Kita ist baff! Ein bisschen erinnert das ganze Unterfangen an André Rudolphs ebenfalls aus der Blüte der Bewunderung (in seinem Falle für den „Unwert des Gedichts“) hervorgegangenen Essays „Lemma“, wo der einleitende Hymnus auch nur dazu dient, sich selbst thronend über der Blutlache zu platzieren, die er meint und hofft, anzurichten oder angerichtet zu haben. Allerdings mit beachtlich mehr Klarheit im Denken und Argumentieren.
Bei AC geht's indessen weiter durch die manisch-depressiven Wechselbäder von Lob und Tadel, Blumen und Dung, die unerschrocken unters Dach mächtiger Begriffe gestellt werden wie: Monument, Material, Gegenwart, Menschheit, Mut, Weltmodell, Identität, Laokoon, Kubismus. Alles leere Häuser, durch die man mal so durchrauscht und dann den Zettel an die Wand pappt: „Ann Cotten was here!“ Da werden Kisten mit leerem Geröll auf hohe Tableaus gewuchtet, mit Aufschriften wie: Katachresen, Immersionen, Syntagmen, Appropriationen, sprich dem ganzen Spuk akademisch ausgehauchter Aftertheorien und dann kommt eine kleine, mit wilden und giftigen Blicken um sich werfende Frau zum Vorschein, welche die Hand hebt, mit dem Zeigefinger in die Luft stößt und schreit: Ich!, Ich!, Ich!. Ich, AC, sage euch. Dabei habe ich in dreißig Jahren Literatur nicht so viel expliziten Wortschatz verwendet wie AC auf diesen zwölf Seiten. Das Denken als zielgerichtete Disziplin des Erkundens und Begründens bleibt ziemlich unbeschäftigt und wird „durch die schwere Hand des Vorsatzes“ auch nicht eben ermuntert. „Man muss“, ob man will oder nicht, (mit ihr) schockiert „der Poesie intrinsische Disharmonie“ feststellen. Hineinwärts gedacht gilt das vielleicht bei manchen Zeitgenossen, gesetzt man hat Argumente dafür, herauswärts gedacht aber nicht unbedingt, es sei denn, man ist eben genau dieses „man“, das „muss“! Und das ist man ja nicht von Haus aus! Was sie alles über mein Bewußtsein, mein Inneres, meine Auffassungsgabe, meine Wünsche und Absichten weiß, schlägt in der Tat „dem Fass die Zacken aus der Krone“. (Katachrese zwei!) Dann geht es irgendwo an nach wie vor ungeeigneter Stelle weiter mit: „um bald zu charaktervolleren Unterteilungen zu kommen fangen wir an mit dem, was jeder sofort erkennt“. Wie bitte? Wie(so?) fängt man an mit dem, was jeder sofort erkennt? Wäre das in einem solchen Falle nicht überflüssig? Und wie viele sind jeder, und wo stecken sie?? Sind das jetzt wieder die Jungs aus der Kita? Was die bisherigen weniger charaktervollen Unterteilungen angeht, verliert sich in ihren (AC's) Ausführungen wie „die fickende Uhr“ im Dunst rhetorischer Aufgedunsenheit. Die charaktervolleren aber kommen und kommen nicht! Ann Cotten sitzt in Cumae, die neun dicken Bücher im Schoß, auf ihrem selbstgebastelten Dreifuss, lässt die Dämpfe rauchen: aber sie kommen nicht! Und da nun fast alles, außer vielleicht den Bindewörtern, ein bisschen im Ungewissen geistert und aber auch gar nichts diskursmäßig auch nur einigermaßen hieb- und wtichfest ist heißt es glattweg und wagemutig: „Falkner will sowohl in der Dichtung als auch in der realen Welt bestehen“. (Jetzt bin ich wirklich platt!) Der Satz ist bis dahin an Masse und Steilheit schon den ägyptischen Pyramiden an die Seite zu stellen, aber er überspringt sich noch einmal um die doppelte Akrobatik durch seine Fortsetzung: „(und) folgt daher einmal der Logik dieser Welt, ein andermal der Sprachlogik“. Wenn diese beiden bedrohlichen Konstruktionen, so möchte ich nur nebenbei anmerken, getrennte Wege gehen, dann hat der Mensch, ob Dichter oder Priapos, wirklich keine Mittel mehr, diese Zerreißprobe zu überstehen. Nun kommen die Beispiele, die dem Leser endlich „reinen Tisch einschenken möchten“, (Katachrese drei), mittels der durch sie hindurch preschenden „Erkenntnismodelle“, verübt an meinen Gedichten „prell-ode“, „fleisch ohne licht“, „selbstbesichtigung“, „die enthüllung des pfirsichs“, „naked lunch poem II“, „dies klagende, schwarze höhnen“ Alle diese Gedichte sind vor mehr als einem Vierteljahrhundert entstanden und erschienen und A C, die sich eingangs ihres „Bob's-your-uncle-Essays“ mit uneingelösten Versprechungen als die Jüngste und Schärfste in Szene setzt, kann gerade bei diesen Gedichten sich kaum ein Bild machen, in welcher Position sich diese Texte im Verhältnis zu den damals herrschenden (Sprach + Poesie) – Codes befanden. Im Gedicht „prell-ode“ beispielsweise, wie sie findet, den „Fokus metonymisch auf den immateriellen Teil des Saxofons zu schieben“ müsste ich, verlorenen Verstandes eingedenk, erst üben, um solches esoterisch zu meistern, aber schon Zeilen später wird mir mein „leichtgläubiger Umgang mit der Sexualität“ vor den Latz geknallt. Wie bitte? zum wiederholten Male: leichtgläubiger? Was ist das, ein leichtgläubiger Umgang mit Sexualität? Meint sie leichtfertiger Umgang? Meint sie etwa immer das, was sie meinen könnte, wenn man ihr mit etwas mehr Denkdisziplin auf die Sprünge helfen würde? Oder meint sie die religiöse Pornographie Wilhelm Reichs beim Zerstören der außersittlichen Navigation seiner Orgonauten im Wasserglas? Also einfach Quatsch mit Soße? Es ist mir schwer nachvollziehbar, wie man an einem Wort wie: Atemschock Anstoß nehmen kann, da es sich meiner Meinung nach um ein selbstevidentes Wort handelt. Wenn man geschockt wird, bei Gefahr, stockt einem der Atem, bleibt einem die Luft weg, dies illustrierend wird dann oft noch die Hand vor den Mund gehalten, aber ich kann hier natürlich nicht bei allen von AC aufs Korn genommenen Gedichten Wort für Wort AC die vermeintliche Butter vom Brot nehmen. Ich beschränke mich daher auf die grobe und von Projektionen entstellte Fehlinterpretation meines Gedichts: „die enthüllung des pfirsichs“ Wer meine Gedichte aus dieser Zeit (den achtziger Jahren) kennt und einigermaßen begreift, weiß, dass sie von „Ich, bitte antworten“ über „selbstbesichtigung“ oder „zwei zu eins“, bis hin zu „Ach, der Tisch“, wesentlich um das Thema des Identitätszweifels oder Subjektverlusts kreisen. Dass das angesprochene Du eine von außen und in den Text gespiegelte Ichmetapher ist, („das ich der vielen, die wir waren, bevor / es uns zerknüllte zu diesem einen / das wir sind und nicht sind“) Er oder sie wird sich, ganz besonders bei diesem Gedicht, die Suche nach explizitem Cotten-Sex ersparen dürfen, außer er möchte ihn an den eigenen Haaren herbeiziehen. Hier das Gedicht: die enthüllung des pfirsichs schau mal her, ich bin soweit leuchte in zerrissenheit mein leib ist eins mein sinn sind zwei als trennendes wirkst du dabei nicht groß genug, um zu verknüpfen nicht klein genug, um zu entschlüpfen bist du der riss, der durch mich geht als auch das licht, in dem er steht Eigentlich eine klare Sache: auf der Matrix eines scheinbaren durch die Axiome von Ich und Du abgesteckten Liebesgedichts wird die Vergeblichkeit von Erkenntnis: (Enthüllung, Aufdeckung) des Schönen, Erstrahlenden: (Pfirsichs), also der Liebe, entworfen der Körper ist ganz besteht sozusagen von Kopf bis Fuß einheitlich aus sich selbst der Sinn ist gespalten durch das Du das dem Ich begehrend oder verwehrend entgegen tritt ohne noch sicher im Gegenüber verwahrt zu sein es handelt sich also um die „unglückliche Liebe“ ihre „Unerfüllbarkeit! daher das Leuchten in Zerrissenheit dieses Du ist nicht groß genug um diesen Riss (Bruch) zu überdecken (kitten) aber auch nicht klein genug um (durch ihn hindurch) dem Dilemma zu entrinnen, entwischen ich hätte auch schreiben können: bist Du das Licht, das durch ihn fällt als auch das Licht, das ihn erhellt (UND ZWAR DEN RISS) Der „Schwanz des lyrischen Ichs“ (alles Ausdrücke Ann Cottons, vor denen mir wahrhaftig graut!) ist tief und offenbar traumatisch verwurzelt im Denken und Wähnen der zugespitzten Autorin, die sich als „plötzliche Möse im D-Zug“ Zoten und Sexszenen ausgesetzt sieht, die sie sich selbst ausdenkt. „honi soit qui mal y pence“ Nicht dass jemand AC daran hindern möchte, aus der Haut zu fahren, solange sie uns dies nicht auch noch als „Assumptio“ verkündet, aber dann bitte nicht, weil „ER steht“ und sich über seine Größe Gedanken macht. Von diesem ominösem IHM ist überhaupt nicht die Rede. Wir arbeiten hier doch nicht auf dem Niveau der Berliner Verkehrsbetriebe! Es handelt es sich bei diesen Texten, besonders beim letzten, hier pars pro toto ins „rechte Licht“ gerückten, (die zum Teil bis auf das Ende der siebziger Jahre zurückgehen), durchaus um sehr frühe poetische Echos auf jenen Subjektverlust. (nicht zu verwechseln mit Objektverlust), an deren Ausdifferenzierung und Durchsetzung sowohl die Systemtheorie, als auch der Poststrukturalismus damals gerade arbeiteten und deren Folgen wir nun langsam auszubaden haben. Insgesamt? Abschließend? Der eingangs versprochene frische und unvoreingenommene Blick ist getrübt von Denkschwäche und hat ein bisschen was vom Peitschenknallen des Stallburschen, an dem die Menge sich ergötzt, auch wenn gerade kein Pferd oder keine Kutsche zur Stelle ist, um die Kulisse zu ergänzen, oder soll(te) ich lieber ein zeitgemäßeres Bild verwenden? Gerhard Falkner Oktober 15, 12 Uhr 57
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