Lou A. Probsthayn
Der Benutzer
Ein Internetroman nach dem Hamburger Dogma
|
Lou A. Probsthayn
Der Benutzer
Roman
Yedermann 2006
|
Der Benutzer ist ein origineller Roman, ein virtuos geschriebenes Buch, dessen Autor ganz neue sprachliche Register zieht. Stil- Eigenart und Sprachwitz heben diese Prosa aus dem Wust literarischer Mittelmäßigkeiten heraus. Das Thema allerdings ist nicht ganz neu. Sowie Autoren immer mehr Zeit im Netz verbringen, siedeln sie ihre Romane bevorzugt im virtuellen Raum an: vom Krimi à la Der tödliche Chat bis zur Email-Romanze.
Lou Probsthayns Roman führt uns in ein virtuelles Auktionshaus, das sich Limit nennt und an eBay erinnert. Der Held Timo Beil entdeckt als LittleHertie die lukrativen Möglichkeiten des Versteigerns und entwickelt sich zum gewieften Online-Händler. Aber durch Bewertungen, die die Benutzer untereinander abgeben können, fällt er in der Gunst der Internet-Community ab. In einem mörderischen Erfolgswahn sucht er User auf, die ihn kritisch beurteilen, und straft sie mit einem Baseballschläger ab. Sarkasmus ist garantiert, wenn Timo Beil über seine Verbrechen reflektiert: „Schließlich sind Straftaten auch soziale Taten. ... Sie fördern die Kommunikation zwischen den Angehörigen. ... Sie beleben das ganze Miteinanderleben.“
Also ein irrwitziger Plot. Nicht immer ganz logisch, aber doch in einem Duktus, dem man mit angehaltenem Atem folgt. Dem Autor gelingt es, dem Thema Internet neue Aspekte abzugewinnen, auch wenn die Grundtendenz bekannt ist: Internetforen als Welt der Pseudokommunikation, in der sich labile Identitäten in einer anonymen Community bewegen.
Sprache und Stil des Romans lassen sich nicht ohne Hinweis auf das Hamburger Dogma erklären. Cineasten werden ans Dogma 95 von Regisseuren wie Lars Trier denken, und in der Tat bestehen hier Analogien. Vor allem Authentizität ist das Ziel. So wie in Dogma-Filmen mit Handkameras und ohne künstliche Beleuchtung gefilmt wird, darf ein Buch nach dem Hamburger Dogma keine Perspektivwechsel und keine Metaphern enthalten. Sätze dürfen höchstens 15 Wörter lang sein. Große Effekte sind verpönt.
Zum Glück gibt es nur wenige Regisseure und noch weniger Autoren, die nach den Regeln dieser Dogmen arbeiten. Andernfalls wäre die Film- und Literaturwelt bald verarmt. Doch Lou A. Probsthayn gelingt es gerade dank dieses reduktionistischen Ansatzes und dank des Verzichts auf klassische Erzählmittel, einen ungeheuer kompakten, trockenen Stil zu entwickeln, der mit einem immensen Sprachwitz aufgeladen ist. In der spielerischen Wortsetzung und in der Eigenwilligkeit der Sätze liegt die Stärke dieser Prosa. Es gibt Seiten, die eine Sprachintensität entfalten, wie man sie, wenn auch mit gänzlich anderen Mitteln erzeugt, etwa von Gisela Elsner oder Uwe Johnson kennt.
Der Leser, der auf eine leichte Lektüre aus ist, wird nicht enttäuscht sein, aber er wird das Wesentliche des Buches auch nicht erfassen. Manche Sätze darf, kann und muss man zweimal oder dreimal lesen. So kurz sie sind. Erst dann steigt man hinter den Witz, der Doppelbödigkeit, den Sarkasmus dieser kargen und genauen Sprache.
Betrachtet man die saisonalen Produkte mancher Autoren, die ihr Leid als Wohlstandsliteraten in profillosen Sätzen darbieten, so schlägt Lou Probsthayn wahrlich einen anderen Ton an, einen Ton, der uns ahnen lässt, was Literatur sein kann, die über den Tag hinausgeht.
Lou A. Probsthayn wurde 1960 in Berlin (Ost) geboren und lebt und arbeitet heute in Hamburg. Er war Gründungsmitglied der Autorengruppe PENG sowie des Forums der 13. 2002 erschien der Roman Müll (Yedermann), vorausgegangen waren u.a. die Romane Dumm gelaufen (Achilla 1996) und Die Welt ist ein Hund (Achilla 1997).
Website des Autors
Der Benutzer | Leseprobe bei Yedermann
|
Andreas Heidtmann 29.11.2006
|
Andreas Heidtmann
Gespräch
Zettel
Musik
|