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Ewart Reder
Die OPEN BOOKS 2012 präsentierten schwer Vergleichbares
Äpfel und Orangen |
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Vieles Großartige in deutscher Sprache gab es zu hören. Nicht dazu zählt der Roman Glückskind von Steven Uhly ...
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Was ist das größte Autorenglück auf der Frankfurter Buchmesse? Die ehrliche Antwort dürfte lauten: der Nobelpreis. Und das zweitgrößte? Vielleicht der Nobelpreis für einen Verlagskollegen, der nicht da ist. Man ist im Augenblick der Stockholmer Bekanntgabe einziger Autor am Verlagsstand, übernimmt das Freuen für den Kollegen. Und lernt. Zum Beispiel, dass Freude im Fernsehen heißt: eine Flasche aufmachen und anstoßen, aber schnell, die Bilder werden schon am Telefon verlangt. Oder dass man keinen Bagger braucht, um ein kleines Haus oder Messeständchen abzureißen. Ein Rudel Fernsehkameras kriegt das hin.
Ich freue mich für meinen Horlemann-Verlagskollegen Mo Yan. Er hat den Nobelpreis gewonnen.
Meiner Pflicht als Berichterstatter von den open books, dem Lesefest zur Frankfurter Buchmesse, bin ich trotz Trubel nachgekommen. Vieles Großartige in deutscher Sprache gab es zu hören. Nicht dazu zählt der Roman Glückskind von Steven Uhly, eine märchenhafte Geschichte um ein erst weggeworfenes und dann von einem halben Stadtviertel versorgtes Baby. Überall Gutmenschen, seid umschlungen, alle Menschen werden Väter oder Mütter. Wer als Sozialrentner ein Kind im Müll findet, braucht die NPD nicht mehr, lernt man. Die Sprache ist konventionell, zu vieles doppelt gesagt, vieles vom Leser voraus-sagbar. Schade, eine schöne Erzählidee wurde hier verschenkt.
Uneingeschränkt überzeugen kann auch Ulf Erdmann Ziegler nicht mit seinem Shortlist platzierten Roman Nichts Weißes. Sprachlich stimmt alles, die Bezeichnungsweise ist genau, oft exquisit. Aber wozu? Damit Autobahnfahrten zwischen den Aufenthaltsorten einer Figur spannender werden? Oder Stadtansichten ansehnlich? Im Gespräch mit Christoph Schröder deckt Ziegler die Karten auf: Die Moderne soll in diesem Roman gegen die Postmoderne antreten und verlieren. Das ist dann, bei aller Klugheit und hinreißenden Illusionistik des Erzählens, Thesenliteratur. Die Schriftdesignerin Marleen entwickelt einen Lebenstraum, trifft Männer, schläft mit ihnen, entwickelt sich selbst, alles als leitende Mitarbeiterin ihres Romanunternehmens. Es hat Erfolg – wenn auch nicht bei jedem Leser.
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Unter dem Titel Meercazzing legt Hans Haverkampf im Axel Dielmann Verlag Novellen vor.
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Macht denn kein Schriftsteller mehr was Verrücktes? Doch, Hans Haverkampf, ehemaliger Frankfurter Baudezernent und Erzähldebütant im Frankfurter Axel Dielmann Verlag. Unter dem Titel Meercazzing legt er Novellen vor. Die historische Form fasst Haverkampf nach einem didaktisch nachgewachsenen, von den Klassikern der Novellenform nicht intendierten Stufenmodell auf – waschechte Laborkunst. Wenn zur Zeit Goethes und Kleists die Novelle das Schnellste an Literatur war, Zeitungen abschrieb, atemlos knapp sprach, dreht Haverkampf den Spieß um und nutzt die Form als Museum für Sprechweisen, erzählerische Gemütserregung und Raffinesse. Faszinierend gelingt ihm das. Und komme ja keiner mit dem Vorwurf mangelnder ›Aktualität‹ – Museen sind Lieblingsorte für Neugierige.
Eine traditionelle Form wählt auch Rolf Hochhuth in seinem Aphorismenband Was vorhaben muss man. Sein Hauptvorhaben bei open books war allerdings, den eigenen Ruf zu zerstören. Eine dreiviertel Stunde zu spät bestieg er sein Podium, sprach einen Fluch gegen die Wand, dem die Buchstaben I-C-E zu entnehmen waren. Nahm Platz und weigerte sich aus dem neuen Buch zu lesen. Las Gedichte. Um die Aphorismen war es nicht schade. Viele wirken, als hätten ihm seine vielen Feinde mit der Form eine Falle gestellt. Wahrheiten zu predigen ist die Schwäche, nicht die Stärke dieses Autors. Aber Hochhuth wird bleiben, der er ist: einer, der einen Weg fand (nicht: den einzigen), um die Aufklärung ins 21. Jahrhundert fortzuschreiben. Dafür gebühren ihm Dank und Liebe.
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Juli Zeh:
Endlich verschwindet der Leipziger Sandpapierschliff aus ihren Texten!
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Was noch? Ein grandioser Thriller von Juli Zeh: Nullzeit. Spannung erzeugen und halten kann sie mittlerweile so gut wie Frank Schätzing. Und anders als bei dem sind die Dialoge bei ihr abgründig, blitzgescheit. Einen Gehörnten auf einer Party, wo die Freundin vor allen Leuten mit dem Neuen rummacht, seufzen lassen: „Schade, dass man Wein nicht streicheln kann.“ Wie kommt man auf sowas! Der Leser möchte, ganz ohne TV-Aufforderung, eine Flasche Sekt aufmachen. Das fulminante Partykapitel kann zwar der schlichte Tauchlehrer so eigentlich nicht erzählen. Im Literaturinstitut hätten sie es Zeh um die Ohren gehauen. Aber genau das macht nun ihre Klasse aus: Endlich verschwindet der Leipziger Sandpapierschliff aus ihren Texten!
Wohl nie eine Schreibschule besucht hat Ursula Krechel. Ist sie darum uneinholbar gut? Ach was, aber ihr Roman Landgericht strahlt vor dichterischer Beweglichkeit und Umsicht. Die Figur des Richters Kornitzer ist Gegenstand und Medium der Erzählung gleichzeitig. Würdigen lässt sich das auf engem Raum nicht, also einfach: Bewunderung.
Ähnlich knapp und zugleich enthusiastisch sei noch auf zwei Bücher verwiesen, in denen unter anderem runde Früchte prangen. Amsel und Apfel heißt der Gedichtband, mit dem Jürgen Nendza die erste Frankfurter Lyriknacht – dominierte, würde man sagen, wenn das für Lyriker nicht ein lächerliches Wort wäre. Nendzas Gedichte haben Drogenwirkung insofern, als sie virtuelle Räume sind, den Leser entrücken. Die Kraftfelder zwischen den Wörtern und Versen sind hochgespannt. Viele Texte verwenden Doppelzeilen, wodurch die Verse einen abgestuften Hallraum haben, wie Durchgangszimmer bei geöffneten Türen. Gern teilen sich mehrere Gedichte ein Wort, Amsel zum Beispiel, oder Apfel. „Das Leben ist eine Orange“, heißt es demgegenüber in Marica Bodrožićs Roman Kirschholz und alte Gefühle. Der Satz steht schon in dem Roman-Vorgänger Das Gedächtnis der Libelle, wie auch die Figuren bereits aus jenem Buch bekannt sind. Da sprach Nadeshda. Hier erzählt die weniger versponnene, leichter verständliche Arjeta. Zum Thema Liebe gibt es in deutscher Sprache aktuell nichts mit Marica Bodrožić Vergleichbares. Ganz nebenbei wird sie noch einem Thema gerecht, über das es schon viele schlechte Bücher gibt: dem Jugoslawienkrieg. Kirschholz und alte Gefühle ist mein open books Favorit. Hier betreten wir das Spielfeld internationaler Größen wie, um ein Beispiel zu nennen, Mo Yan.
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Ewart Reder
Prosa
Lyrik
Gespräche
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