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17 Zu den Kolumnen
Kolumne von Andreas Heidtmann
Für alle, die es endlich wissen wollen
Zwölf Tipps für den angehenden Lyriker

1
Riskiere nicht zu viel. Lyrik ist wie Seiltanz ohne Netz. Man steht mit beiden Beinen fest in der Luft.

2
Schreib ein bisschen wie alle und signalisiere, dass du dazu gehörst ( &, ..., –, #, *, (-: + ).

3
Der Bürger wundert sich, dass an seinem Kiosk nur BILD ausliegt. Gründe eine Literaturzeitschrift und rufe einen gemeinnützigen Verein ins Leben.

4
Erläutere deiner Bank, dass die örtliche Lyrikpostille förderungswürdig ist, und entschuldige dich für den Kollegen, der einst fragte: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?

5
Übertreibe es nicht mit der Lektüre internationaler Dichter, wenn du zum lebenden Fossil im regionalen Lyrikzirkel avancieren willst.

6
Sende dein literarisches Debüt an alle, die du in den einschlägigen Verzeichnissen findest. Unter den 80 Millionen Einwohnern könnte ein Rezensent sein.

7
Vergiss nicht deine 3566 Stipendien. Das sorgt für Bewunderung beim Leser und für Genugtuung beim Kollegen, der 3567 Stipendien erhalten hat.

8
Fördere den kritischen Diskurs und schreibe freundliche Kritiken über befreundete Dichter.

9
Ein guter Lyriker gehört wie ein guter Fußballer bezahlt. Vergiss nicht, ein Schweizer Bankkonto anzulegen.

10
Kaufe statt Lyrikbände Bücher, die dir verraten, wie man zum erfolgreichen Dichter wird. Ihre Verfasser sind erfolgreiche Dichter – nur hat es noch niemand gemerkt.

11
Glaube niemandem, der behauptet, es komme allein auf die Qualität deiner Lyrik an. Er hat zu fast 100 Prozent Recht.

12
Die Weltliteratur wird in einem digitalen Fingerhut Platz finden. Überlege dir gut, ob es dir darin nicht zu eng ist.

Andreas Heidtmann    29.06.2008

Andreas Heidtmann
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