Mittels pointierter Dialoge und eines auf das Wesentliche reduzierten Zeichenstils betreibt der freischaffende Wiener Künstler Leopold Maurer eine gar berührende Schicksalsverzahnung zweier Manneskäuze, die gleichsam die Folie beider zahlenfixierten Berufsalltags bildet, der so eintönig nicht ist. Als studierter Soziologie mit der Weltentzauberung vertraut, setzt Maurer hier jedoch auf bizarre Nebendarsteller und skurille Episoden zur Infragestellung der vermessen(d)en Kosmosordnung. Herr Hoffmann etwa, seines Zeichens in Versen sprechender Präsidentensprössling der Kanalkrokodile, wird zum Assistenten der Vermesser, nachdem er ihnen bei einem Bier seine Sehnsucht nach Afrika ausdrückte. Und nach Südafrika wird sie alle der nächstgrößere Auftrag auch führen. Doch zuvor gilt es, religiöse Holzfäller zum Schlagen einer Waldschneise zu bringen, eine Haftstrafe wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses abzuwenden und sich vor TV- und schießwütigen Zwillingen zu retten. Und dann ist da noch Millers Problem, in jeder Vollmondnacht sich zum heulenden Werwolf verwandeln zu müssen. Genau diese Re-Animalisierung fokussiert Maurer, indem er den draufgängerischen Junggesellen mit einem vor fünfzehn Jahren gezeugten Sohn konfrontiert, dessen stummes Werwolfdasein just bei Vollmond vermenschlicht wird. Diese in der realen Gesellschaft nicht unübliche, heute eher mit Waffenkauf und Talkshow überbrückte Kommunikationslosigkeit einer Vater-Sohn-Beziehung wird ferner zum Wendepunkt der Geschichte. Wohl auch Maurers zweitem Standbein, dem Animationskino, geschuldet sind die witzigen Überzeichnungen und filmischen Elemente in einer ansonsten linear erzählten Story. In retrospektiven Nebengeschichten spult er das Leben eines heilig gesprochenen Mönchs ab, dessen abgeschnittenes Ohr seit Jahrhunderten in einem Reliquienschrein aufbewahrt wird, oder das gewesene Gramdasein der Pynchons Vater verfluchenden Mutter im Bade. Ein Herr Coraghessan – als Reminiszenz an T. C. Boyle? – schließlich übermittelt dem ungleichen Heldenpaar den Auftrag ganz nach Pynchons Tragweite: die Vermessung des Venusdurchgangs, mit dessen Hilfe man die Entfernung der Erde von der Sonne beziffern könnte. Wenn da nicht der schießgeile Zwilling und der gigantisch spurende, weil genetisch überproportionierte Krokodilpräsident wären, die das Gelingen stark beeinträchtigen… Unbeeinträchtigt von Comicmoden bändigt Maurer dieses Hybrid aus melancholisch getöntem, von Surrealschleifen durchzogenen Roman und karg ästhetischer Bildstreifenkunst auf vorzügliche Weise, da er beide Narrationsformen eng aneinander koppelt und ihnen gleichwohl Soli für die kleinen Lebenskatastrophen in kompakter Form überantwortet.
|
Roland Steiner
Prosa
Lyrik
Gespräch
Portrait
|