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Roland Steiner

(Bleulers) Blaue Lagune

Sie haben mir eine Blaue Lagune auf die Augen geklebt. Dabei habe ich nicht an E gedacht, geglaubt, die bezeichnete eine Marmelade, oder zeichne sie aus. Auf dem Etikett aber steht: Helft ihrem Kind in Offenheit zu wachsen – wobei das Übersetzungsprogramm, welches ich über das mit Laser gelöste, eingescannte Etikett laufen ließ, auch anbietet: Hilft Ihr Kind in Öffentlichkeit wachsen, beziehungsweise: Hilft Ihrem Kind offensichtlich zu wachsen. Mit Laser habe ich auch die siebenundzwanzig abgeklatschten Umspannwerk-Zeichnungen auf den Thermenzulauf, wie sagt man, ausgelotet. Mein Kulturtechnik-Lehrer schreibt, ich müsse noch lernen oder sollte, je nachdem, was die Kompetenten-Programme mit mir vorhaben. Meine Eltern wissen das nicht, weil sie keinen Zugang haben, ich schenke ihnen keinen. Die Blaue Lagune stelle ein Geschenk dar, sagten sie und klebten es vor meine Sicht, die ich nicht hintergehen kann, angeeignet ist ungleich gekauft, meine Fertigkeiten sind es nicht. Oft bin ich ja nicht zuständig für mich, Verantwortung nehme ich für die Dunkelheit keine entgegen, den ersten Kuss habe ich erledigt, da hat der Druck noch nicht geblinkt. Pressen, pressen, hieß es davor und, wenn ich der Dunkelheit nicht passe, noch heute, angesichts der Blauen Lagune, der konservieren sollenden. Fischkonserven, der Rhetoriktrainer nennt sie Konservenfische, führe ich jeden Tag zwei X zwei ein. Macht vier, nehme ich mir vor, dem Logik-After zu mailen, wie er im ersten Leben heißt, interessiert mich wie bei all den Figuren auf Straßen und in Häusern nicht. Das Haus, in dem ich bin, heißt nicht Liebe, es besitzt und ist eine traditionelle Nummer. Wie Eltern. Sie bewerben sich um Titel und Aufenthaltstitel, das müsse so sein, die Mobilität, Diversifizierung, Globalität. Der Abschlüsse, Stempelsammlungen und Abschüsse viele, aber kein eigenes Haus, bloß ein geliehenes Konstrukt. Die Blaue Lagune ist auch nur ein Konstrukt, mit dem ich nichts anfange, ich fange mit niemandem etwas an, damit keiner etwas mit mir anfängt. Wie das schon klingt, Anfang, kann ich gleich Ende darüber loopen. Natürlich mag Licht ein Wert sein, in meiner Unkultur weiß es nichts anzufangen. Dass der Weltenrauchfangkehrer da war, habe ich gesehen, ich kann ja dunkel einiges und bei Dunkelheit vieles sehen, blind bin ich für andere, die auch bloß küssen wollen, Innereien von Eltern suchen, Maschinen, die. Jede anorganische Suchmaschine zeigt Milliarden Eintragsspäne, mehr als Figuren im ersten Leben, und die Übersetzungsprogramme hängen sich auf. In der Umspannwerk-Gruft möchte ich nicht wissen wie viele sich traditionell einen Strick oder einen Stein zugeführt haben. Die Haben auch als einen inneren Wert begriffen und dabei runter gekommen sind und Sollen sich aufgehalst oder in den grenzfertigen Felsen eingraviert haben. Meine Zeichnungen habe ich gerade ausgeführt. Grafit, sogar echtes, und geronnenes Vinyl hatte ich eines nebelgrün schimmernden Nachmittags in einem zugänglichen E-Haus besorgt, wie der transgredierende Skript-Maker jetzt spinnt, hat damals mein analoger Vater gesponnen, als er kurz da war, vor mir. Wegen meiner – sie nennen es – „Probleme“ – bin ich auf ihren Eroberungsflügen nur selten dabei, und wenn, dann in mir. Wo ich nicht das erste Mal im noch ersten Leben wünschte, auf der elektronisch eingebrannten Visitenkarte einen Zusatz anhängen zu können, einen wuchtigen wie Funktion oder Strukturteilwesen, Ausübungsbevollmächtigter Mensch. Im Takt des, trotz digitaler Revision prototypisch Halbsekunden Verspätung verschweigenden Chronometers wichste ich die fünfzehn alten Stämme hin und so fort die nahenden. Doppelherzen, träge und hängende Massive, chirurgisch inkorrekte Schnitzer, um die ich Konturen wie sozialsystemische Grenzen fügte zu den nun auch monetäre Gase intern strömen lassenden Kammerrahmen. Obere, unten ist Boden, wenn ich mich nicht täusche aus Kunst. 27 gespaltene Stämme, Setzlinge, neue Bäume wachsen hinzu, zumindest die Späne, die sie nach Hause schicken und ich künstlich verbrate, Eltern und Manieren, Zuwendung und Ansichten. Erinnern meinen Namen, den ich nie nenne, wie auch, in wen hinein. Ein Namen, hat der Atmosphärenamtsdirektor verlautet, ändere nichts, der resultierte auch aus Kultur und anderen Chiffren für Stacheldrahtwirrnisse. Da bin ich vor, aber vor mir die Blaue Lagune. Ich kann nicht sagen, sie läuft oder in mich, sicher nicht aus, ich sehe ja nichts. Sie glüht, und ich vergesse gelegentlich, dass ich zu glühen hätte bei all den leisen lichtlosen Lähmungen. Manches wird, so scheint es, vorgeblich, evolutionäre Zeichen beispielsweise. Vorgeblich evolutionäre Zeichen, so optimistische Quellen, seien unter den E-Folien beobachtet worden: Als Reaktion auf die Rahmenerweiterung mit Rochenleder gepolsterte Mobiltelefone in Aquarien mit Schwarzspitzen-Riffhaien werfen, diplomatische Aktien verschlingen, Geschäftsträger in die Hemisphären der kybernetischen Geschäfte treiben, aber auf der Selbstverständnispyramide des Entwicklungsvorsprungs müssten sie dennoch tranchiert werden, obschon sich von Blättern, Pulvern oder strahlenden Kernen zu ernähren die Folge gesellschaftlicher Veränderung, nicht die Ursache für Moden, Designs und Marken des Lebens sei. Aber der Beobachter im Fenster vor der Blauen Lagune kippt in die Beobachtung und strickt erst recht an der Neuen Stammzellenpädagogik weiter, Rückkehr wird gezimmert. Und Rückkehr heißt ja immer, so mein gottloser Zentralisierungsmaestro, vor das Umspannwerk, die Zeit, zu treten. Die sie nicht haben, die Trainerscharen, meine zur Genüge. Lampentausch erforderlich, schreit die Cochlea hinter dem Schirm, als ob der Lektüreschlüssel Nichts ist, wie es ist erhellend wäre. Vom Stadionbalkon, dem Balken der Vielsprachigkeit, baumeln die Kaufakten der in Hass konkurrenzierenden Nationen-Süßspeisen wie Nothähne. Am Goldenen Balkon der innerhalb des zweiten Lebens perfekt-möglichen Originalitätskopien harrt der schonungslos sozialen Umstände anstatt ein lebensunfähiges Nichtmonster auf Gestaltungshöhe des St.-Privat-Panoramen, und die Süßspeisen pendeln eilsüchtig nach Gesichtern, während der mit Unfähigkeit Gesichter zu erkennen Geschlagene dem sächlichen Match Fusiform Face Area : Amygdala zusieht. Bin das ich, frage ich nicht. Während das gravitätische Leben Haarspitzenerkenntnisse abschießend auffächert, das pastellweiße Ding Identität sein fremdes eigen gewünschtes Herkunftskonstrukt zu Ende füllt, wird die Leiche Dasein im wo möglich elterlichen Schlafzeilenzimmer sitzend aufgefunden, sie wäre aufgebrochen. Ich phantasiere schon, die Blaue Lagune – unter dem Stadionbalkon tauchen obszöne Totenköpfe auf, riegeln die Straße ab und sammeln bald offiziell nicht tote Mahlfiguren ein, beschleunigt kondensierte Kapazitäten. Die Notbremse der Volksabstimmung zur flächensittlichen Rahmendehnung als Syndrom mit Comic-Innereien erfüllen, Zuverlässigkeitsgrenzen und Transparenzpflichten, proklamieren die obszönen Totenköpfe und harnen rot. Blinkend, wie ein Licht. Ich solle das in mich sich einmischende, doch flussähnliche Instrumentarium als Licht geschenkt oder vereignet bekommen, ja haben? Mit meinem eingeklemmten Sonnensegel? Ich Fischart im Baumhaus? Ein Lithium-Akku zur Wiederbelebung des Stoffe Wechselns, lichtet Kultur, aufgeklebte? Marsch in der Saugglocke der Blauen Lagune und die Aktanten des zweiten Lebens mischen auf, beflaggt und dennoch im Banne rotierender Sterne, die verbotenen Innereien werden gekocht... Und ich bekomme Hunger, Gelüste nach neuen Konserven, eurotischen Stücken, echten mit schwedischen Häuten um polnische Filets ohne lettische Gräten, gefangen von griechischen Sprengfangtankern unter zypriotischer Flagge und thailändischer Registrierung, konserviert von mauretanisch feingliedrigen Händen in Andalusien und verpackt in Ost-Anatolien für die Schweizer Weltdesigner, für den Markt, die Flughafen-Shops, meine Eltern, mich im Genick. Und mein Geschichte-Coach lässt da behaupten, dass Waren Kultur bedingen, wie Kultur sich evolutionär anschmiegsam verhalte mit toleranter Kommunikation. Ich greife auf meinen Linguini-St.-Doktor zurück, Angriff, wie das schon klingt. Attackiert bin ich worden an den Hautspannwerken um die Innenbeine, unrein nach der Vorgeburt, in Wellen wirkungslinear bis unter den Tisch. Was denke ich da, nichts, beruhige dich. Bin da, Amygdala sei Dank, und duze ich mich schon. Was Kultur aus macht in einem oder ausmacht im ersten. Leben aufgezwungen, als Nichtentwurf ein Existenzstil, stimmte das schon für die Genese. Großvater E, staatenlos am Rande der Beete, immerfremde Beete umstechend, Felsen hauend und bravourös vielleicht Herzkulturen raubend, Großmutter Pan als Locke im Menschenkamm, und so weiter, fort sind die Eltern nie gezwungen gewesen. Sie servieren, der Welten Untertan. Geruchstropfen und Werkzeugohrentrommeln, Materialaugenvibrationen schlagen an, ein Sinnesdräuen? Im einen Augengrund der Lagune deutet Hellas, der Farbenverkäufer, zur Straße und Paolo, mein süffisant schweigender Zeichenuntergrund-Verkäufer aus der Höhle, wo eine Harpune blüht wie das Gesicht des Umspannwerksboten, auf meine Tabletten, wer zieht nun stärker, Justitia oder Concordia, strickt Großmutter noch, monumentaler Ahn E, ich kann den Norden nicht mehr im Westen sehen, der Osten schwimmt und südlich die Lagune, ob diese E, diesem… mir… dem Klaffen Lichttherapie ausgleichend ist –

 

Roland Steiner   15.09.2007   

Roland Steiner
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