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Du begehst den Weg kein Wiedermal
Adelheid Dahimène: Buttermesser durch Herz. Fügungen

Adelheid Dahimène: Buttermesser durch Herz In Erich Frieds Gedicht Fügungen heißt es, dass ein Dichter nicht einer ist, der Worte zusammenfügt, sondern einer, den Worte noch halbwegs zusammenfügen, wenn er Glück hat. Und Adelheid Dahimène? Sie drückt es ähnlich aus: Ich denke viele Dinge, Nacht für Nacht wälze ich sie mit mir herum, es ist, als ob die Dinge mich denken und ich also nicht schlafen kann.

Die Dinge denken sie und die Worte fügen sie zusammen. Ja, so kann man es sehen. Und so wie die Autorin sich der Eigenwilligkeit des Wortes ausliefert, so wird man selbst mitgenommen vom Text, herausgerissen aus eingefahrenen Denkstrukturen, auf ungewohntes Terrain gezwungen, wo man sich anfangs vielleicht unsicher bewegen mag. Das Buch ist in Kapitel geordnet, deren letzter Satz als erster des nachfolgenden wiederholt wird. Der einzige Zusammenhalt zunächst - wie mir jedenfalls scheinen will. Erst als ich die Sentenz Du begehst den Weg kein Wiedermal missachte, um beim wiederholten Lesen Vertrautes zu erahnen, lasse ich mich ein auf dieses Abenteuer der Worte. Und begeistere mich zum Beispiel für Laternen, die „ihr Licht wie eine Notdurft verrichten, es unter den Bäumen abschlagen, weil es weiter nicht reicht“.

Das Gelesene lässt sich schwer beschreiben. Keine Handlung, nichts Greifbares, dafür Impressionen, Assoziationen, die sich irgendwann zu einem Ganzen fügen: Mann, Frau, Liebe, Hass, Nähe und Distanz. Je weniger man sich als Leser fragt, was die Autorin dazu trieb, umso mehr kann man sich den eigenen, daraus entstehenden Fantasien hingeben. So finde ich Gefallen am Erspüren der Zutaten, aus denen Adelheid Dahimène als leidenschaftliche Wortspielerin einen ungewöhnlichen Sud gebraut hat. Man schmeckt einzelne Gewürze heraus: Rilkes Panther, Rimbauds trunkenes Schiff, Lautréamonts Maldoror, Sartres Hölle, Frieds Fügungen. Als Ganzes ist der Text aber unverwechselbar neu. Ein Experiment, das die Freude der Autorin, die durch Kinderbücher bekannt geworden ist, am Jonglieren und Spielen verrät.

So wie aus zwei gegenüberliegenden Spiegeln in einem Saal im Schloss Schönbrunn unendlich viele Bilder dem Betrachter zurückgeworfen werden, so können die immer neuen und überraschenden Wortspiele faszinieren. Man liest sich „mit Flaumgewichten im Mund durch das Unterholz“. Und dann begegnet man doch einem „Bekannten“ des französischen Impressionismus. Maldoror, der Menschenhasser, der Liebe mit Gewalt suchte und sie nie fand. Wenn er im Kapitel Salzwasser auf Grund gegangen ist, wo ihm zum Mund herein und hinaus Fischschwärme ziehen, dann ist auch die Nähe dieses Textes zum Surrealen nicht abwegig, wo doch Lautréamont, der Autor der Gesänge des Maldoror, als Vorgänger des Surrealismus gilt.

Bleibt mit Erich Fried gesprochen die Frage, ob die Dichterin nun Glück gehabt hat. Darauf hat Dahimène selbst eine Antwort: Nimm mich nicht bei den Worten, ... sie sind nur lose aneinandergelegt und rinnen dir durch die Finger, schon wenn du sie mit den Spitzen berührst, würde es dich dein Glück kosten. Die Autorin jedenfalls hat Glück gehabt, vor allem aber der Leser, der bereit ist, sich das „Buttermesser durch(s) Herz“ gehen zu lassen.

Adelheid Dahimène im Poetenladen

Adelheid Dahimène
Buttermesser durch Herz
Fügungen
Klagenfurt: Ritter Verlag 2005
buchhandel.de

© 27.10.2005  Dorothea Gilde            

Dorothea Gilde
Interview