Véronique Olmi
Ein Mann eine Frau
Laisser faire l'amour
Es ist ein kleines Buch. An einem Nachmittag zu lesen. Ein Nachmittag auch, an dem ein Mann und eine Frau zusammenfinden. Zuerst im regengepeitschten Jardin du Luxembourg, dann in einem nahe gelegenen Hotel. Eine Frau, die vom Leben enttäuscht wurde, erfährt in der körperlichen Hingabe an einen flüchtigen Bekannten eine Art Wiedergeburt. Sexuelle Handlungen, Gerüche und Geräusche, Farben und selbst das Schweigen werden seziert. Véronique Olmis Wortlupe fährt dabei sehr nahe an das Geschehen heran und knapp an Pornographie vorbei.
Leider ist die Geschichte wenig erotisch und auch nicht berührend, was man gerade diesem Zoomen von Gesten und Gefühlen zuschreiben kann. Zwei bekannte französische Schriftstellerinnen, die auch keinerlei Scheu vor eindeutig erotischem Vokabular hatten, könnten als Musen Véronique Olmi über die Schulter geschaut haben. Die eine, Benoît Groult, ließ in Salz auf unserer Haut Spannung hochkochen und den Leser um die beiden Liebenden ihres Romans zittern. Die andere, die intellektuelle Catherine Millet, richtete nüchtern und kalt einen lakonischen Kamerablick auf das sexuelle Treiben der Catherine M.
Benoît Groult löste Sturzbäche von Tränen aus und die Millet einen literarischen Skandal. Véronique Olmis Buch hingegen hat nichts davon, außer vielleicht voyeuristischem Unterhaltungswert. Literarischer Anstrich tropft sporadisch aus dem spröden Farbpinsel des nouveau roman. Die Anlehnung an diese kühle und zurückhaltende Stilrichtung des französischen Romans der sechziger Jahre bleibt dürftig, weil sie häufig von trivialen bis pathetischen Szenen unterbrochen wird.
Eine erfreuliche Nachricht gibt es dann doch. Die Übersetzung von Claudia Steinitz ist gelungen. Sie bleibt dicht am Original, und bringt selbst Alliterationen unbeschadet rüber: „Alors il le lui dit.“ – „Aber er erinnerte sie.“ Nur stellenweise wird das Konzise, Einschneidende der französischen Staccati aufgeweicht und fließt in eher narrativ breite Bahnen: „Exactement. Les lieux. Les noms des hôtes. Les paroles qu'ils avaient échangées.“ – „Also sagte er ihr ganz genau die Orte, die Namen der Gastgeber.“
Ein Mann eine Frau ist Véronique Olmis fünfter Roman, zur Lektüre an einem Regentag geeignet. Es sei denn, man wünscht, den Nachmittag anstatt als Voyeur der Liebe doch lieber als Akteur zu verbringen.
Véronique Olmi
Ein Mann eine Frau
Roman
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
München: Antje Kunstmann 2006
Olmi-Interview | Die Diktatur des Orgasmus
Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute in Paris. Bekannt wurde die ausgebildete Schauspielerin vor allem mit ihren Theaterstücken. Zuletzt schrieb sie die Romane Nummer sechs (Kunstmann 2003) und Eine so schöne Zukunft (Kunstmann 2004).
© 07.04.2006 Dorothea Gilde Print
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Dorothea Gilde
Interview
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