Unmittelbar und pointiert, mit der ihr eigenen Verve und spontanen Frische fordert sie uns auf, uns unsere Welt anzuschauen, „unsere Biografien, die sich von ursprünglichen Lebenskreisläufen sehr weit entfernt haben.“ Was alle mit Unbehagen spüren, spricht sie ungeschönt aus: keiner von uns möchte dahin zurück, wo unsere Eltern herkamen. Da wo wir aber heute sind, stecken wir mitten in der Hybris, den starren Ethos hierarchisch festgefahrener Beziehungsdenkmuster aufzulösen, ohne neue Vorbilder zu haben. „Wenn uns das stört, dann müssen wir unser Leben neu erfinden. Wir müssen vor allem überdenken, wie wir lieben.“ Mittelbarer versucht sich Thomas Lang am fast gleichen Thema. An einem lauen Wochenende im Mai lässt er vier Menschen aufeinander treffen, zwei Männer und zwei Frauen. Seine dramaturgische Konstellation sieht ein Dreigestirn vor, Rafa, Per und Pascal. Um die vierzig sind sie und Jugendfreunde, deren Verhältnis zueinander gespalten ist, waren doch beide Männer Rivalen um Rafas Gunst, die sich dann für Per entschieden hat. Ihnen gegenüber steht die Spanierin Inita, Begleiterin von Pascal, jung, dynamisch, intellektuell unterkühlt.
Zombies – genau das sind die beiden Langschen Paare. Markenzombies, denen es nicht genügt, ein Auto zu fahren, es muss schon ein Mercedes- Im Ernst, natürlich wird irgendwann klar, dass diese ganzen stereotypen Bemerkungen gewollt und dem Medien- oder Werbevokabular entnommen sind, das unseren Alltag längst bestimmt: Büstenhalter, die mit Spezialkissen gearbeitet sind, Kissen, die mit einem Wasser- Da helfen auch die kursiv eingeschobenen Passagen nicht weiter, die dem Autor für besseres Verständnis wichtig scheinen. Sie erinnern aber, wie der ganze Roman übrigens, an einen Drehbuchplot, und besonders an den Film Harry und Sally, in dem zwischendurch diverse Ehepaare, auf einer Bank sitzend, über ihr Leben und ihre Liebe sprechen. Was den Personen bei Lang fehlt, spricht Iris Radisch umso deutlicher aus: „Uns fehlte der Zusammenhang unserer historischen Situation in der Geschichte, der Zusammenhang des sozialen Netzes und sogar der Zusammenhang von Geborenwerden, Jungsein, Reifsein, Altsein und Sterben. … Uns fehlte das Lebendige.“ Leider fehlt dieses Lebendige nicht nur den agierenden Personen, sondern dem neuen Langschen Roman selbst. Denn eines lässt sich nicht verbergen: dass der Autor, wie wir alle, mitten drin steckt in der Sinnkrise, die sich mangels Schatten und Faltenwurf verzweifelt an der Oberfläche fest zu klammern versucht. Diese aber ist so spiegelglatt, wie die blitzenden Chromteile der Markenküche, in der selbst der Müll designt wird und aufhört zu stinken: „Per schiebt mit dem Messer Essensreste von einem Teller in den Müll. Mehrere Knochen liegen in dem Abfall, ein halb gegessener Entenflügel und Stücke gebratener Haut. Per gießt den Rest eines grün- Angesichts der von Iris Radisch direkt artikulierten und bei Thomas Lang nur schlecht suggerierten Diagnose vom Verlust der Natur, der äußeren wie inneren, können am Ende des Buches Per und Rafa auch nicht mehr tun, als die Wände des Zimmers mit weißer Tünche zu überstreichen. Und das seichte Spiel kann von vorn beginnen. Mit Marken, Allüren, Posen und leeren Worten. That's life, würden Vierzigjährige im deplatzierten Teenie-
|
Dorothea Gilde
Interview
|