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Werner Dürrson
Denkmal fürs Wasser
Ein Buch voll flüssiger Verse
Werner Dürrsons Denkmal fürs Wasser
Kritik |
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Werner Dürrson
Denkmal fürs Wasser
Herausgegeben von Volker Demuth
Klöpfer & Mayer, Tübingen 2012
Euro 18,50
Werner Dürrson Website
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Das Tiefseeblau auf dem Schutzumschlag dieses Buches ist in Bewegung, feine Strudellinien ziehen den Blick des Betrachters auf ein Zentrum hin, und doch gibt es für das Wasser nichts Zentrales, es ist ein Stoff, der trotz seiner Fügsamkeit keine Grenzen und schon gar keine Hierarchien kennt. Sein Wesen ist der Wandel, der ständige Wechsel von einem Aggregatzustand in den anderen. Weil es der Sprache und ihren niemals endenden Metamorphosen verschwistert scheint, hat es seit jeher vor allem die Lyriker fasziniert. Es gibt Gedichte über Brunnen und Becken, Bäche, Tümpel und Pfützen; es gibt Strophen über das Abwasch- oder Putzwasser und Dichtungen über den Regen, den Schnee und das Eis. Kaum jemand hat sich jedoch die Mühe gemacht, all dies zusammenzudenken und so etwas wie eine poetische Phänomenologie des Liquiden zu schreiben. In einem fast 200 Seiten starken Text versucht der schwäbische Dichter Werner Dürrson nun das eigentlich Unmögliche.
An den Anfang stellt der 2008 verstorbene Autor augenzwinkernd ein „Lehrgedicht“. Selbstredend geht es ihm nicht darum, eingängige Strophen zu schaffen, mittels derer Wissenschaftliches über das Wasser memoriert werden könnte, sondern um eine Darstellung seiner „endlos neuen Ver/wandlungen“ die „immer und//niemals“ dieselben sind. Locker hingespritzten Tropfen gleich funkeln die kurzen Texte auf den Seiten, mal bleiben sie scheinbar für sich allein, mal verfließen sie ineinander. Immer ist klar, dass sie ein und dasselbe beschreiben, ganz gleich, ob es nun um die „schöne Gelenkigkeit“ des Wassers geht oder um sein „Röcheln in Schächten und Rohren“. Diese Wahrnehmungstropfen verquicken sich in den folgenden Kapiteln immer stärker miteinander; die Texte glucksen über die Seiten, sie werden aber niemals zum Bach und zum Fluss, der irgendwann auf metaphorische Weise ins Weltmeer mündet. Dürrson geht es nicht darum, auf vorhersehbare Art über seinen Gegenstand hinauszuweisen; es gelingt ihm, seine Hingabe an das Betrachten auf eine ganz unmittelbare Art in Sprache zu verwandeln. In dem Kapitel Annäherungen Entfernungen, das er als „Etüden und Variationen“ zu dem eingangs erwähnten „Lehrgedicht“ sieht, vermag er es zudem, seinen Enthusiasmus mit seinem Wissen zu verbinden. Denn das Wasser ist nicht nur ein lebendiges Element, es war und ist Heimat für unzählige Pflanzen und Tiere, vom Zooplankton über den Ichthyosaurus bis hin zum menschlichen Embryo, der mit „flossenartigen Armfortsätzen“ in „wässriger Finsternis//schwimmt“.
Dürrsons Begeisterung für seinen Gegenstand hindert ihn nicht daran, im folgenden Abschnitt, der in Zwei Provokationen unterteilt ist, sprachwitzig Kritik zu äußern:
Offen gesagt / deine
Blauäugigkeit stimmt mich
manchmal bedenklich
oder:
Fragt sich letztlich ob du
denn nicht an dir leidest
ob deine Selbstgefälligkeit
nicht an Wassersucht krankt
Nichts kein Wort keine
Silbe erlöst dich anscheinend
aus deiner dünnflüssigen
Vollkommenheit
Werner Dürrson ist in diesem Abschnitt des Buches ein Liebender, der aus dem Gefühlsrausch der ersten gemeinsamen Monate erwacht ist und nun nicht umhin kann, die negativen Seiten seiner Angebeteten wahrzunehmen. Wie kann das Wasser, das in anmutiger Klarheit talwärts springt und tiefgründig in Gumpen schimmert, nur so unterschiedslos allem und jedem zu Willen sein? Es nimmt Schmutz und Gift in sich auf, wäscht gleichgültig blutige Hände und trägt die Segeljolle ganz genauso auf seinem Rücken wie das Schlachtschiff. Da die Provokationen nichts geholfen haben, klagt der Dichter die Gleichgültigkeit seines geliebten Wassers an:
seht/ wie es sich aalt in den
Wasch- und Abwaschbecken/
den Nasszellen / wie es sich suhlt
in der Wanne oder gezielt die
Leiber beregnet
Aber es nützt alles nichts, das Geschmähte will nicht hören, es nimmt achtlos Unmengen von Dreck und Chemie in sich auf. Irgendwann steht es dann kurz vor dem Kollaps und muss dringend therapiert werden: Das Wasser wird ins Klärwerk geleitet und dort gerettet, wiederum durch den Einsatz von gehörig viel Chemie. Der Unterschied zu einem Menschen, der in die Psychiatrie eingeliefert wird, ist seine enorme Regenerationsfähigkeit. Willig lässt es sich nach allen Regeln der Kunst behandeln:
Seht / wir haben die Adsorptions-
kinetik den Rutschbettadsorber
die Algen-Phosphor-Elemination
die Aluminium-Phosphat-Fällung
desgleichen die Ammoniak-Desorption
wir haben die Hyperfiltrationen
samt den Verdünnungsverfahren radio-
aktiver Wässer die Naßverbrennung
Aber kaum ist dieses gereinigte Quantum Wasser aus den Klärbecken entlassen, gurgelt es durch Röhren in einen Fluss, es macht sich auf den Weg zum Meer und umströmt dort südländische Inseln oder wälzt sich in Tiefseegräben rund um ganze Kontinente. Seine faszinierendste Eigenschaft ist das Allumfassende, etwas, das nur aus der Vogelperspektive wahrgenommen werden kann, und so schwingt sich der Dichter in der abschließenden Elegie Wo endet des Wassers Odyssee denn auf zu einem sprachlichen Höhenflug, der ihn über die ganze blaue Erde trägt. Die Namen von Landstrichen, Inseln und Küstenbauwerken werden ihm mühelos zu Poesie; fast immer vertraut er völlig zu Recht einem hohen lyrischen Ton, an das Wunder erinnernd, als das jeder Mensch, der die Erde schon einmal vom All aus betrachtet hat, den blauen Planeten bezeichnet. Manchmal nur misstraut Dürrson sich selbst, etwa wenn sein Dichtergeist über dem Tigris schwebt und er plötzlich einfügt, dass sein inneres Auge „Sequenzen spontaner Abscheulichkeit“ abbilde. Er meint die amerikanische Besetzung Bagdads, ein in diesem Kontext unpassend wirkendes Detail. An derartigen kurzen Ausrutschern lässt sich aber auch erkennen, wie gut es ihm ansonsten gelungen ist, das Wasser nicht nur zu beschreiben, sondern es einfach Sprache werden zu lassen.
Es gibt keinen wichtigeren Stoff auf dieser Erde als das Wasser, und die Poesie bietet die Möglichkeit, dies umfassend erfahrbar zu machen. Allein schon deswegen sei dem Verlag Klöpfer & Meyer, der in den letzten Jahren eine der ersten Adressen für anspruchsvolle Lyrik geworden ist, für diesen Band ganz besonders gedankt.
Christian Lorenz Müller 04.01.2013 |
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Christian Lorenz Müller
Lyrik
Prosa
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