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Theo Breuer

Theo Breuer
Zischender Zustand · Mayröcker Time

 
Buchvorstellug
  Theo Breuer
Zischender Zustand · Mayröcker Time
200 Seiten · 16,90 Euro
Pop Verlag 2017
ISBN: 978-3-86356-152-9

 


Vorab:

Ja, ich fühle mich nur am Leben, wenn ich schreibe. Seit ich 15 bin, explodiert es jeden Tag in mir. Mein Kopf ist so voll, und alles muss raus, ich kann nicht anders. So oder ähnlich hat Friederike Mayröcker sich immer wieder in Unterhaltungen mit Freunden, Kollegen, Redakteuren und anderen Zeitgenossen geäußert. Das per se nicht anzuzweifelnde Statement wird zusätzlich ›beglaubigt‹ durch das Füllhorn publizierter Bücher : Die 1924 geborene, in Wien lebende Schrift­stellerin hat hundert und mehr Lyrik-, Prosa-, Hörspieltitel veröffent­licht und dabei Gedichte und Proëme geschrieben, die wortwährend an Dynamik, Komplexität, Lebendigkeit, Magie, Origi­nalität, Verve gewonnen haben und sich wie selbst­verständlich auf dem Hochplateau globaler Dichtkunst behaupten.
Nach 2000 erscheint in rascher Folge Buch um Buch, und das nächste ist bereits – für 2018 – angekündigt. Schon 1979 tut Ernst Jandl einen Ausspruch, der sich heute, wir schreiben derweil das Jahr 2017, als geradezu visionär erweist :

Während wir nun fast ein Vierteljahrhundert Hand in Hand dahinschreiten (wobei nicht verschwiegen werden soll, daß sie mich zuweilen wie einen ungezogenen Jungen hinter sich herschleppen muß), ist ihre Kraft und Zuversicht gewachsen, und ihre Dichtung hat [...] eine meinen Hals ausrenkende Höhe erreicht, die so sehr weiter zu steigern ihre Absicht ist, daß sie das Alter von 150 zu erreichen proklamiert hat.

Oder sollte das doch tollkühne Schwärmerei des offenbar immer noch Hals über Kopf verliebten Lebensgefährten gewesen sein? Von wegen! Ob mein Herz, mein Zimmer, mein Name von 1988 oder brütt oder Die seufzenden Gärten von 1998, ob dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif von 2009 oder die 2013, 2014 und 2016 erschienene Trilogie études · cahier · fleurs : Ein Wurf jagt den nächsten. Mir geht es beim Lesen dieser Bücher, was für 1 Wahnsinn und Wahnwitz und Irrwitz, (sowie den rund fünfzig weiteren, die ich seit 1991 gelesen habe, als ich mit Winterglück erstmals die hohe Sprachkunst der Friederike Mayröcker erlebe) wie Franz Schuh, der 1999 notiert :

In dem Maße, in dem das Schreiben für Mayröcker eine Sucht ist, erzeugen ihre Schriften einen berauschenden Sog. Wer seine fünf Sinne zusammenhalten will, kann diese Schriften hassen [...]. Ich finde in ihnen ein schönes Gleichgewicht von Einfach­heit und Verrückt­heit. ›Verrückt­heit‹ meint die Erlösung vom Normalsinn durch die Mesalliancen der poetischen Freiheit.

Nach 2000 nimmt die Zahl der Bücher, die ich mir von Friederike Mayröcker zu Geblüte führe, tüchtig zu, bis ich eines Tages Bensch und Kraus gegenüber einge­stehen muß, süchtig nach dem Mayröcker­sound zu sein, und so kommt es, wie es kommen muß, zu ersten feinen Explo­sionen : Fasziniert von der Wortbild­zwie­sprache in ich bin in der Anstalt · Fusznoten zu einem unge­schriebenen Werk, beginne ich im August 2010 (plan- und vorsatz­los) den einen oder anderen Gedanken­splitter zum Gelesenen zu notieren, montiere auf diese zunächst eher beiläufige Art nach und nach den ersten Essay zum Werk Friederike Mayröckers nach 2000, für den ich als Titel das Mayröcker­zitat Bettlerin des Wortes wähle.
In der Folge verfertige ich weitere Essays und Gedichte, in denen die Lektüre der nach 2000 geschriebenen Mayröcker­bücher sehr (oder weniger) un/sicht/bare Spuren hinterläßt. Diese sind zum größten Teil in den Literaturzeitschriften »Freibord«, »Kritische Ausgabe«, »manuskripte«, »Matrix«, »Triëdere«, in den Sammelbänden »Dem Meister des langen Atems · Paulus Böhmer zu Ehren«, »FREUDEN­ALPHABET · Eine Antho­logie kommuni­zie­render Poesie«, »HAB DEN DER DIE DAS · Friederike Mayröcker zum 90. Geburtstag«, »Versnetze · Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart« sowie den lite­rarischen Online­portalen »Fixpoetry«, »Kulturnotizen« und »Poetenladen« erschienen. Mit jedem neu ge­schriebenen Text, jeder – insbesondere für dieses Buch ausgeführten – Aktua­lisierung, Erweiterung, Über­arbeitung, Neufassung habe ich mehr und mehr erkannt, daß die Essays und Gedichte zum einen als eigen­ständige Elemente gelten, im Kern jedoch zusammenhängende Bausteine eines inter­textuell geprägten Gebildes sind, das mit dem Buch »Zischender Zustand · Mayröcker Time« die ent:sprechende Form gefunden hat.




Zerrinnerungswild
Ein Erinnerungsbild


zerrinnerungswild

erster Gedanke am Morgen : werde ich schreiben können werde ich heu-te schreiben können werde ich in die Feuerlilien Verfassung geraten, schreiben zu können : Anmerkungsschreiben Anmerkungsstil. Das tagelange Schweigen das Herz flügelt und fliegt wie Karussell, das Nippen an süßer Lektüre, das Knien vor der Maschine, etwas irgend ein Erinnerungsbild treibt mich vom Lager und ich knattere zur Maschine beginne zu flennen und flennen und das ist erst der Anfang.

Friederike Mayröcker · Archiv · Magische Blätter VI





* * *



Inhalt

Vorab :
Ja, ich fühle mich nur am Leben, wenn ich schreibe


»Wie eine Lumpensammlerin / ach dieser zischende Zustand«

Vermerk zu Friederike Mayröckers Werk nach
2000

Blue Windows and Nothing More

»Da mein Herz immer höher schlägt«
Virtuospoetische Buchklangkunst in »Gleich möchte ich mich auf deinem Bild niederlassen« und »Landschaft mit Verstoßung«


Fr:agile Nahtworzatortfragmenz
Proëmatischer Satz zur Poesie von ›heute‹


»Fetzchen« · It's Mayröcker Time
Wörter, die Lektüre von Friederike Mayröckers Proëmbuch »études« umkreiselnd


Momentane Aufritzung […]

Überschwemmt, die Lust am Taumel
Die atmenden Alphabete der Friederike Mayröcker


Am Wortstein
aus dem Mund geschwommen


Ulysses · Revisited
Stately, plump Buck Mulligan came from the stairhead


S·u·c·h·s·t·a·b·e·e·t (vexierwild)
Fern im Kern im Augenauftragsknabenfeuer


Zerrinnerungswild
Ein Erinnerungsbild



ANHANG

»Bettlerin des Wortes«
Notizen zu Friederike Mayröckers Werk nach 2000


Doch da : Hummel und Wespe
Vorwort zu Matrix 28 · Atmendes Alphabet für Friederike Mayröcker


Theo Breuer     Dezember 2017   

 

 
Theo Breuer
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