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Theo Breuer

Fr:agile Nahtwortatortfragmenz

 
Essay
 

Dräng die Wörter zusammen, faß dich kurz.
Jesus Sirach · AT · 32,1–13

I

Proëmatischer Satz zur Poesie von heut

Wie geht anfangen, fragt Daniela Danz in V – – – und wer weiß, vielleicht geht anfangen ja, in etwa, so …: hier kommt die zukunft überrauscht journal / lektüre und kakteen den wartesaal / mein ganzes arsenal feinster empfänger / auch ultra­kurzer wellen kürzlich länger / gewordner schatten­spiele, tönt's, jedenfalls, aus Judith Zanders manual numerale, und ich mal: manchmal : mal­zipempu – manchmal : morgenmeer – manchmal : musenmund – manchmal : mutminsch – manchmal : muschel­mörtel­mauer – manchmal : matratzen­mit­maid – manchmal : mein ich hier in der Sistig/Eifler Wolfs­kaul den Ohren kaum zu traun, keiner kann behaupten, er versteh's, schnobert Robert Walser dazwischen, hör ich doch, an einem Montag­abend, das Licht schwankt schon, hält Amir Shaheen fest, T. S. Eliot präludiert the winter evening settles down und grüne Tiere gab es zu dieser Jahres­zeit kaum, echot Ulrike Draesner, während des mitter­nächt­lichen Tatorts (Gedichte / müssen wie ein Schuß / ins Auge sein, funkt Marcel Beyer in Graphit dazwischen), den von Joachim Król verkör­perten Frank­furter Haupt­kommissar Frank Steyer, auf einmal, mir nichts, dir nichts, hin- und her­sagen: Als Gregor Samsa eines Morgens aus unru­higen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt, hol mich der Geier, das war doch schon lange aus­geheckt in schutz­loser Nacht, les ich ich Jean Kriers Eingriff, sternklar, schlägt's jetzt dreizehn, und da: der Käfer auf dem Fenster­brett bei Thilo Krause, und weiße Ele­fanten fliegen, denk ich kopfrüttelnd, spür Lars-Arvid Brischkes weites mäntelchen / des schweigens das jetzt eng anliegt, sehstunden­lang, der nächste Morgen, mutmaßt Jürg Halter, scheint / tausend Jahre fern, reib die … Augen wäscht mir der Nebel … in Traian Pops Gedicht … in a quiet way (wie J. M. Coetzee) I was raving mad …, das hat, Buch­stabe für Buch­stabe, verheißt Christine Koschel nicht Gutes, das hat doch was mit … Litratur zu tun, denk ich weiter, bin, mit einemmal, atomuhrplötzlich, schnellwach, ahn das fragment eines zimmers, / aber das ist schon das zimmer, bemütigt Martina Weber, hör und seh, zweifellos, Flann O'Briens famos to­senden Westwind, the wind from the east is a deep purple, from the south a fine shining silver / The north wind is a hard black and the west is amber, Eibenäste gegen Scheibenreste peitschen, jajaja, sagt Werner Bliß, sind ratterschöne flattertöne, eine Bö jagt die – – – andre, kein Stern / durchdringt das Gewölbe, heißt's bei Helga M. Novak … und es glänzt die wilde Welt bei Friederike Mayröcker … und denk ein paar Stunden, nein, Tage zurück, vertieft in V, manual numerale, Sieben Sprünge vom Rand der Welt, Dichterloh, Wir fürchten das Ende der Musik, Kasino­straße 3, Rose & Nachtigall »usw.« … und Eins zwei drei! Im Sause­schritt / Läuft die Zeit; wir laufen mit, kalauert Wilhelm Busch, ich kalauer mit, denk an Klaus Anders' Wachtelzeit : blühender Lauch, Muska­teller­salbei … time, the magician, raunt Thomas Hardy, und denk, in letzter Zeit, Zeit, die sich dehnt (Lydia Daher), ›mangmang‹ viel Amerikani­sches aus der ersten Hälft des 20. Jahr­hunderts verschlun­gen: E. E. Cummings' The Enormous Room, Sinclair Lewis' Main Street, Betty Smiths A Tree Grows in Brooklyn, Booth Tarkingtons The Magnificent Ambersons, Richard Wrights Native Son … undundund … Bücher, die mir, wie glühender Rauch, die Sprach ver­schlagn, ein Buch nach dem anderen drängt, gelesen zu werden, würd am liebsten mit dem einen Aug dieses Buch, mit dem andren Aug jenes Buch lesen – und mit dem dritten Aug ein weitres … uns schwanen wir ahnen – allüberall – atmende alpen­talamsel­augen alte akkordeon­spieler am angstabhang … aber … aber auch: Simplicius Simplicissimus : Alle diese Worte erwog ich mit Fleiß und stetigem Nach­denken, und bewogen mich der­maßen, daß ich die Welt verließ und wieder ein Einsiedel ward und Zauber­berg wiedergelesen, und wieder, das liegt auf der flachen Hand, wieder verschlägt's mir, ›wie man so sagt‹, die Sprach … und, endlich, endlich, endlich, Heimito von Doders Strudl­hofstiege kennen­liebn­gelernt … Als Mary K.s Gatte noch lebte und sie selbst noch auf zwei sehr schönen Beinen ging (das rechte hat ihr, unweit ihrer Wohnung, am 21. September 1925 die Straßenbahn über dem Knie abgefahren), tauchte ein gewisser Doktor Negria auf, ein junger rumänischer Arzt, der hier zu Wien an der berühm­ten Fakul­tät sich fortbildete und im Allgemeinen Kranken­haus seine Jahre machte … – und noch mal, ja, noch mal, verschlägt's mir, verschlägt's mir die Sprach (Weiterleben mit auf den Kopf gestelltem Geist empfiehlt Mikael Vogel in Morphine) … what a book, what a book, what a book (»usw.«) … und denk, über all den Büchern aus der Sphär, die Mrs Columbo gern mit der Bauchbinde ›Weltliteratur‹ versieht, laß ich nun – es geht mir da wie Elke Erb: Das ein­tretende Alter erheitert mich / mit einer neuen Neugier und der Lust, / die Nase in Dinge zu stecken – die von mir in dieserjener Zeit gelesnen ›druck­frischen‹ Lyrik­prosa­bücher, Antho­logien, Kalender, Magazine nicht ›einfach so‹ untern Büchertisch falln, so vieles / das mir im gedächt­nis blieb … gurrende tauben im oster­kahlen / apfelgeäst europas, les ich in Lothar Quinken­steins gegenort, nein, nein, hab da ja, natur­gemäß, auch wieder eine ganze Reih prächtiger poetischer ›Perlen‹ aufgelesn, seh, bei Elke Erb, kein Reh, nein: Wenn der Hirsch aus dem Wald tritt – denk nicht, das ist nichts. / Oh, weißt du, das ist das Leben, an die ich an diesem, keines­wegs ›schönen blauen‹, Abend, als sich ein toter Mann, am Strand?, nein: im Tatort, Gregor Samsa nennt, wort­saufend denk, und nun natür­lich : NEUE NEUGIER nicht ›nacht‹ nicht ›name‹ nicht ›natur‹ nicht : ›nichts‹, nein, as near a thing as we have to a king / Marianne Moore : magische · mehr­hundertseitige · monumentale · MANUSKRIPTE – durch eine Spalte in der Stallwand erblickte ich alles / Oswald Egger –: umumum­werfend : Ich bin ihnen nur knapp entronnen / Maruša Krese : eines der Wörter auf feurigster Wiese ausgepustet wie Kerze / FM : davon nächstens mehr / Marion Poschmann, und drum benenn ich, I'm now brilliantly hydrated / Kim Dower, ungeachtet ungeheurer urzeit, Ann Cotten ›gibt‹ mir die Wörter Es · ist · das · Zeitalter · der · Dis­soziierung · der · Z/e/r/s/p/litter/u/n/g · wo · man · zwar · unter · ihr · leidet · aber · sein · Heil · nirgends · sucht · als · in · ihr · Ja? : un­scharfe unruh um unweite ufer unterwürfige unken, exemplarisch, ›streng‹, würd, natur­gemäß, gern ein paar mehr benamsen aus diesem oder aus jenem tiefen Grunde, summ summ segeln silber­fischchen summ süß­salzberg summ sub­stanziel­len sommer­spros­sen­garten … summklänge, beispiels­weis Robert Musils von Mahler gezeich­nete Graphic Novel Mann ohne Eigenschaften oder Christine Kappes so schönes Gedichtbuch Wie kann das sein : auch lag eine große Schlaflosigkeit im Flattern der Tauben (von Manfred Enzens­pergers eingeschneiten hunden ganz zu schweign), aber das kann und darf ja jetzt nicht, nein, flüsterts aus Kraus' maliziös-süffi­santem Munde, Zähmung muß sein, willst doch auf einen Satz bloß dich beschränkn, je drei Lyrik-, drei Prosatitel, die ich in diesen versuchsweis formulierten Satz montier (kein kummersieb könnte knarzen | katzenkopf­kalkül | krokus · kranker · kuckuck kuckuck / kind­konzept­gedanke): hier Odile Kennels wie heißt diese inter­planetare luft : man sollte öfters Gedichte / ohne Ende schreiben, heidewitzka, in diesen Gedichten geht aber so was von der Rost ab, apropos Rost: Rost (Hendrik) blitzt Licht für andere Augen, Friederike Mayröckers Proëmbuch études : eingesponnen in Forste Fittiche Finger- / chen, Ludwig Steinherrs Flüster­galerie : schon schimmert sie vor Ihnen), dort Heinz Rademachers Gastlwelt · Hommage an eine »alte« Buchhand­lung (Bensch könnt fortwährend weinen, und ich denk an Mayröckers das Flieszen der Tränen / Kaskade der Tränen), Robert Schindels Der Kalte : da beißt keine Maus einen Faden ab, Josef Winklers Mutter und der Bleistift : »da flog das Wort auf«Der Kalte, denk ich, und mich fröstelt immer noch, in der küche ist es kalt / ist jetzt strenger winter halt / mütterchen steht nicht am herd / und mich fröstelt wie ein pferd, klingt Ernst Jandl, als läs ich weiter mitten­drin, wär – bei aller Begeis­trung für Ungeheuer und Sonnen­position – mein Favorit fürs Buch­preis­gedöns : Gedicht­buch wird hier raus­geschossen, gewesen, Der Kalte nicht mal auf der Longlist (let alone the shortlist), Longlist … Wronglist … das Lied verliert sein Lied, singt Yoko Tawada … Shortlist … Mistwort … Li­terrra­turrrbe­trrrieb, die große Kunst von Licht und Schatten (Eberhard Häfner), die kartographierten gebiete der schatten (David Frühauf), wie lange leben wir schon in diesem zustand fragt Peggy Neidel, man weiß es nicht, man weiß es nicht … replay (raumrest richten) : riesen robinien rauschen ruckweise rollen räder · rettung : rachmaninow … Tag für Tag werden die Pflaumen blauer / Biene steh uns bei und Hummel, summelt Ruth Johanna Benrath, und wespe wespe … alles jeck … meck meck Mack geht um die Eck … und … Denis Scheck, der meint, man dürfe Literatur­preise nicht zu ernst nehmen, während Peer Quer meint, und ich, ja, ich mein das auch, daß ›man‹ das durchaus ›darf‹, ich darf nicht bei Rot über die Ampel fahren, ich darf nicht gegens Copyright ver­stoßen, das Copyright ist eins der großen Probleme dieser Zeit, hilflos stehe ich / vor der Ordnung der Welt (Elisabeth Plessen) nicht der ADAC, nicht der Banker, nicht der Dollar, nicht der Euro, nicht der ›Fanatis­mus‹, nicht die Geldmeisterschaft, nicht der Hunger, nicht das Internet, nicht der Jasager, nicht die kapitale Kriegs­kakophonie, nicht die Lyrik, nicht der Macho, nicht die NSA, nicht der Oligarch, nicht der Politiker, nicht die Quarre, nicht der ›Radika­lismus‹, nicht die Steuer, nicht der Tsunami, nicht der Urwald, nicht die Verklappung, nicht die Welt­meister­wirt­schaft, nicht die Xenophobie, nicht der Yankee, nicht der Zeilen­sprung: nein, das Copyright ist die eine, die große Knacknuß dieser Zeit, heut Nacht platzt ganz bestimmt die Sonne, sagt Florian Voß, unterwegs in Flip-Flops nach Armageddon, vorher, und Urheber saufen, Amok: Niemals ließ sich ermessen, wann sie das Spiel ernst nahmen oder als Spiel, krakauert Siegfried Kracauer, aber Literatur­preise darf ich sehr, sehr ernst nehmen, wenn ich das will, YOLO, und, wenn auch meistens nicht, will ich das eben doch dann und wann, beispiels­weise während ich den Essay Poesie und Preise schreib, in dem Ulf Stolterfoht meint: Ich freue mich sehr, wenn mich ein Preis ereilt, und gerade wirft mir irgendwer George Bernard Shaws The golden rule is that there are no golden rules vor die Füß, und ich hau, knall, pfeffer, semmel, aus dem Hintergrund müßte Rahn schießen, Rahn schießt, das Bonmot, auch Fußball ist Kopfsach, gedanken­bloß ins Netz – ein Treffer wie aus dem Nichts, würd Fuß­ball­reporter jetzt brüllüllüllen, wo waren wir, ach ja, bei Denis Scheck, der sich so fröstköstlich, schmibissig, schwungtoll über eine »unglaub­liche Fehl­entschei­dung« echauffieren kann, there is nothing either good or bad but thinking makes it so, weint Hamlet … O TEMPORA O MORA … frustig frustig tralalala, Rinder, Rinder, seid ihr alle da … und ich mach, denk ich, während der Mörder, aberaber, nicht mehr lang: warte nur, balde / ruhest du auch, immer noch frei rumläuft, und morgen früh, wenn Gott will, mach ich, ohne Mist, meine kleine Leselist, keine Short-, keine Long-, einfach eine mit Rosen bedachte, naturgemäß kopfgebürtge, Leselist, und jetzt schweigen dürfen, schreib ich ganz am End im B·U·C·H·S·T·A·B·E·E·T · Gedichte im deut­schen Sprachraum · Ein listen­reicher Glückblick, und, in der Tat, vergehn nahezu neun volle Monde ohne auch bloß ein geschrieb­nes Wort, wenn ich ein, zwei Tage nicht schreiben kann, bin ich verzweifelt und fürchte, es ist aus (FM), I thought, driving through Richmond last night, something very profound about the synthesis of my being: how only writing composes it: how nothing makes a whole unless I am writing; now I have fo­rgotten what seemed to be so profound, schreibt Virginia Woolf, ber­auschend­besee­lende Lese­lustzeit, licht weht in den schilffell­köpfen, les ich bei Andreas Altmann, und in den Ohren klingn, weiter, Reiter, weiter, heiter, Jan Wagners Wörter, Verse, gefüllt / mit tiefster bläue, Jan Fischers Zeilen, am schlimmsten waren die Pflanzen im Herbst, die andre oder die, von Rolf Dieter Brinkmann geschriebne, Eine Geschichte // Der Himmel ist ganz blau / auf der Schall­platten­hülle / und / wer immer das hier liest, / er liest, / der Himmel ist ganz blau. / Aber das ist / noch nicht alles. / Eine kleine weiße Wolke / fliegt am Rand des Blaus / dahin – klarhaftig, kusagauma, kein gobbledy­gook, nein, könnte eine Erfin­dung sein : mit Sylvia Geist im Gordischen Paradies …, und itzt irgendein imperativ­inter­mezzo ? ich immer ihr immanuel ich installiert in irrer privat­para­phrase (prälu­dium? … platz­programm?) : plastikpyjamahöschen · plitsch­platsch­nächte ? plötz­lich poren papier­patronen, himmlisch­herr­liche Garten­stein­zeit : bäume haben sich ihre schatten he­raus­gerissen, / brennen im wurzel­feuer steht, schwarz auf weiß, in Andreas Altmanns Die lichten Lieder der Bäume liegen im Gras und scheinen nur so, aber: Kann man die Zeit erzählen, diese selbst, als solche, an und für sich? Wahrhaftig, nein, das wäre ein närrisches Unterfangen! steht im Zauber­berg geschriebn … und dann (und … wann – ?), denk ich weiter, wend ich mich, wieder mal, die Mauersegler / verwirren schon den Himmel (Bianca Döring), ver­stärkt den herbst­zeit­losen Gedichten von Walter Helmut Fritz zu, denen ich diesmal auf den anima­lischen Tief­grund geh, volle Fauna­dröhnung hör und seh: Aal · Affe · Amsel · Antilope · Biene · Bitter­ling · Borkenkäfer · Büffel · Chamä­leon · Chimäre · Dachs · Distelfalter · Dohle · Eichhorn · Ei­dechse · Eisbär · Elefant · Elster · Ente · Esel · Fasan · Fliege · Floh · Frosch · Geier · Girrvogel · Glücksvogel · Grille · Hase · Haubentaucher · Hengst · Huhn · Hummel · Hund · Igel · Insekt · Käfer · Kamel · Katze · Krähe · Krebs · Krokodil · Lerche · Libelle · Lungen­fisch · Maultier · Möwe · Murmel­tier · Muschel · Nacht­falter · Natter · Ochse · Papagei · Pavian · Pechvogel · Pferd · Phönix · Pleitegeier · Purpur­schnecke · Qualle · Räder­tier · Ratte · Raubtier · Raub­vogel · Regen­pfeifer · Sala­mander · Schaf · Schild­kröte · Schlange · Schmetterling · Schnecke · Schwalbe (Heute noch denken wir: Schwalbe, / und schon beginnt sie zu fliegen) · Schwan · See­schwalbe · Seestern · Skarabäus · Skorpion · Spaßvogel · Spatz/Sperling · Spinne · Star · Steckenpferd · Steinkrebs · Storch · Taube · Traumtier (beobachtet das langsame Ver­gehen der Steine) · Unglücks­rabe · Vogelschwarm · Wal · Wasseramsel · Wasser­vogel · Wespe · Zeit­vogel · Ziege, bevor ich, ganz hinab, in Friederike Mayröckers Proëmbuch études versink : hat sich das Bäumchen wieder belebt, auf dem Früh­stücks­tisch / in der Küche hat das Mimosen­bäum­chen sich neu belebt zaghaft 1 / neuer Trieb wie Händchen mir entgegen haben meine Tränen seine / Blätter neu belebt grüne Zierde in meinen Augen haben seine / Wurzeln sich neu erfrischt usw., während drauszen der Sturm / während mein Herz sich bäumt wie die Büsche am Hang, »étude« / die Übung, der Natur während die Locken des Liebsten mein Gesicht / ver­hüllen dasz ich nicht sehen soll seine Lieblich­keit während / die Kuckucke in meiner Brust : während ich lebe in Kontrasten / 20.7.11, dem ich den Essay »Fetzchen« · It's May­röcker Time · Wörter, die Lektüre von Friederike Mayröckers Proëm­buch »études« umkreiselnd verdank, der mich, über Wochen­wochen­wochen, so sehr in Atem hält: Who can ever say the perfect thing to the poet about his poetry? And not too much or not too little, just enough, frag ich mich, die ganze Zeit, mit Alice Munro, und die Tage schau­kelten und bildeten Wochen, trös­tet Robert Musil im Mann ohne Eigen­schaften, um mich, ›eines Tages‹ in diesem schon so befrag­ten benagten betagten ›neuen‹ Jahrhundert, auch einge­denk Horaz' Ut pictura poesis, Hugo von Hofmanns­thals Sprache ist über­haupt nur Bild und Thomas Klings Malerei und Schrift fallen partiell zusammen, mehr und mehr dem ›Gemälde­gedicht‹ / »Paral­lel­text zur bil­denden Kunst« (FM) zuzuwenden: Du kannst sie weiter­erzählen, / diese Topo­graphie, nur weißt du nicht, was / die wenigen Leute am Ufer jetzt sagen, schreibt Jürgen Becker zur Ansicht von Delft, nachdem ich Gabriele Frings' vor­treff­liche Mono­graphie Giorgiones Länd­liches Konzert · Dar­stel­lung der Musik als künstlerisches Programm in der vene­ziani­schen Malerei der Renais­sance les und sich aus der Lektüre ein um Kunst und Lyrik rankendes Zwie­gespräch mit der in Bonn am Rhein leben­den Autorin entspinnt, alles spült Die große Woge hoch als wär's ein bild / das jeder so gut kennt, wähnt Judith Zander, tadel­los trüber terrassen­treppen­traum : tränend text – täubchen­turm · tingeltangel · talg­licht · trüge­rische todes­trauer tippen, wandering into language is always a trespass / JMC, das, unver­hofft, zu neuen Gedichten führt, und seit einer nun bereits be­trächt­lichen Zeit wird zeit­genössi­sche kunst­volle Lyriklang gesichtet, gesucht, ge­sammelt, chronisch auf ZUFALL lauernd, absichts­los, die Tage schaukeln, Albrecht Fabri malt Verse: Stern­bilder der Sprache, die Tage gaukeln, so vermeide ich sichtbarkeiten … das ist die lage, bekennt Lara Rüter, wir lesn, und fräsens mit Norbert Lange aus den Augen­höhlen, betrachtn mit Hans Bender Fragonards Die Badenden lang und lüstern, stelln einander, mit Marcus Roloff ver­sunken am wangen­tisch / im toten winkel des golde­nen schnitts, wort­dauernd, kunst­umkrei­selnde Gedichte vor, und, sieh da, sieh da, Timotheus, auch in Kasinostraße 3 wird man fündig (wie in so vielen Gedicht­büchern von heut), Ann-Kathrin Ast, beispiels­weis, schreibt zu Edvard Munchs Sommer­nacht am Oslofjord
sommernacht, fast mund

der mund ist eine insel groß noch grauer
nur ein streif blaurosa wie das lippenlose
wolkenkind fast mund das kind das mit
dem gräsernen wasser spielt umspült
dort wo die insel sich verschließt

dort wo
das wasser sie
an ihre lippe nimmt

… und ›neulich‹ bläst Westwind aus vollen Backen (FM), bin ich, wieder mal, taglang mit Gedichten von Axel Kutsch, die Türen auf, die Fenster / und Fahnen rausge- / hängt, daß sie / klirren im Wind, und Hans Bender befaßt, und Bender beschreibt, was er in den Incidents von Roland Barthes vor­gefunden: Ruhig sitzen, nichts tun / Der Frühling kommt, / und das Gras wächst / wie von selbst – und wonach ich seit Jahren so sehr mich sehn, und ich stürz mich, Blinder Übergang, auf Gisela Hemaus Gedichte, die mir, auf einer geheimnisvoll melan­choli­schen Straße, In München, die Begegnung mit de Chirico bescheren: end­lich einfache epi­sode (effizienz­exkurs) : erdendlager eröffnet – elende e-mission · ermüdet – – – erlebnisscheuer … enterich, Gedichte, die ich, klar, hinter geschloßnen Lidern lesen möcht, statt­dessen reiß ich Augen weltweit auf und find vorn­weg das Gedicht, das ›wie gemalt‹ (womit man zum guten Schluß kommt, sich, gleichsam, auf den palm­ström­linien­fömig – folglich westöstlich – aus­gerich­teten Diwan im gabinetto lirico zurück­zieht … jetzt noch ein wenig, wie es bei Uwe Hübner heißt, in seinem Lieblings­buch liest) zum mäandrisch gezeich­neten Themen­kreis paßt:

Am siebten Tag würde er ruhen

Er malt Fenster
endlose Reihen von Fenstern
Hinter die einzelnen Fenster
stellt er Männer
Kinder Frauen
Sie schauen hinaus
Draußen ist nichts sagt er
Und malt


II

Interludium

in der schwüle der lebensläufe hüpfen funken / über.
Evelyn Schlag

In Here and Now · Letters 2008 – 2011, dem 2013 bei Faber and Faber in Lon­don er­schie­nenen Brief­wechsel mit J. M. Coetzee schreibt Paul Auster am 29. Sep­tember 2009:

We live in an age of endless writing workshops, graduate writing programs (imagine getting a degree in writing), there are more poets per square inch than ever before, more poetry magazines, more books of poetry (99% of them published by microscopic small presses), poetry slams, performance poets, cowboy poets – and yet, for all this activity, little of note is being written. The burning ideas that fuelled the innova-tions of the early modernists seem to have been extinguished. No one believes that poetry (or art) can change the world anymore. No one is on a holy mission. Poets are everywhere now, but they talk only to each other.

Nachdem Coetzee im Brief vom 14. Oktober fragt: Who today has the power to shape young souls that Brodsky or Herbert or Enzens­berger or (in a more dubious way) Allen Ginsberg had? antwor­tet Auster am 23. Oktober 2009:

My only consolation is that art forges on, in spite of everything. It is an unquenchable human need, and even in these grim times, there are countless numbers of good writers and artists, even great writers and artists, and even if the audience for their work has grown smaller, there are still enough people who care about art and literature to make the pursuit worthwhile.


III

fr:agile fragmenz

In diesem Gedicht wird kein Fleisch gegessen.
Hendrik Rost

fr:agile fragmenz

the poem is a machine made out of words und das spektrum des zwischen hinter­land­schlucht zentral­straßen­flucht schwin­genden so oder so also einsilbig wortreich fest­freime­trisch no verse is libre for the man who wants to do a good job all­ite­rierend assonant ›poetisch‹ prosaisch spar­tanisch simul­tan­kaska­disch licht leicht luftig düster drückend dumpfig klang­voll singend antilyrisch quarrend über­hitzt unterkühlt unterspült über­spitzt meta­eupho­risch höll­himmlisch synästh­katachre­tisch stan­dardi­siert w·ort·spiel·er·i·s·ch konkret kraß dialektal leicht­füßig ver­schleppt schlicht dicht motzig­fotzig­rotzig jambisch trochäisch daktylisch anapästisch erdig krümelnd meta­physisch perlend ernst finster knochig parodis­tisch flim­mernd rhapso­disch ironisch sarkastisch zynisch schwärme­risch schwä­rend schüch­tern derb herb sanft heiter hypochondrisch lässig forciert usw. ge|form(ulier)ten jedes banale bedeutsame ding des mikro­makroda­seins aus nächster nähe der totalen in blau­genauen blick nehmenden vielfach konter­karieren­den gedichts in fiesen zeiten bloß noch ganz kleiner ver­schie­bungen erstreckt sich natur­gemäß als word in pro­gress vom einge­wurzelten bildreichen strophen­gedicht zur zusammen­gepur­zelten proëmcollage visuel­len bricolage vom ana- epi- zum leipo- para­gramm vom lustigen klar­text zur listigen verkrall­horn­heutung vom binnen­kreuz­paar­gereim­ten zum alltags­parlando vom welt­umgar­nenden knäuelchen haiku über akrostichon cento ode sestiter­zine zum zwein­zel­gänge­rischen sonett vom zank­äpfelnden apho­rismus zum maul­jaulenden sprich:stich:wort von der abrundenden blau­pause zum nicht­geschrie­bnen abgrund­schrun­denden gedicht blutender asso­ziationen vom tief­stapeln­den ein­wort­gedicht über herunter­spielende vier­zeiler zum balla­desken erzähl- aus­schwei­fenden lang­geschicht­gedicht mais degas ce n'est pas avec des idées qu'on fait des vers c'est avec des mots von feurigen stimmungs­versen zum wasser­umwallten wortschwall von politisch grun­dierten mit sug­gestiven not­bot­schaften schar­nierten versen über pure sture zur priva­ten poesie für öffent­liche ohren hier tänzelnde bach­dich­tung dort schwän­zelnde fachsprachrichtung hier kako­phonische krach­mischung dort hyper­bo­lische lach­lichtung hier komische zumu­tung dort kauzige schuh­blutung hier de­rekon­struie­rende mach­dichtung dort gedanken­weiche nach­sich­tung von hermetisch ver­rät­selten über doppelt gemoppelte zu offen struk­turierten block­flatter­satz­strophen von asso­ziativ ver­ketteten über­bor­denden kurio­skurrilen phan­tasmago­rien zu (›rea­lität‹ ver­fremdender) drala­konischer inventur von beat sound pop zum äthe­rischen gedicht vom fallen­gelas­senen ver­legen­heits­vers zum triebe­tollen gele­gen­heits­gedicht von sonnen­strahl thunder­storm zum kre­natür­lichen flocken­flug von kino­vativer sp·r·a·c·h·sch·r·öpf·ung zu konge­nialer nach­empfin­dung hommage remix anver­wand­lung vom dich­tung aller länder zeiten in die uner­hörte zange zähmen­den gedicht des poeta doctus zum naiven notat des art-brut-texters von der chiff­rierten zur inter­tex­tuellen ver­flechtung von der notgebornen knottrig-eruptiven attacke zur müßigen besinnung von alle­gorie emblem metonymie symbol zu salopp­lyrik ohne ›denn‹ und ›laber‹ vom absurd anwutenden oxy­moron zum grotesk geifernden para­doxon vom narben­frohen nonsens zum warzweißen schief­sinn stimmt es glimmt es nicht from poems with to poems without punch line von sehr naturfeiner stramm­fromm baumasti­sierter grau­kraut­poesie übers schwer trauma­ti­sierte meta­lyrische gedicht­gedicht zum mehr tiktak­tisch klugen sehr­gedicht vom genicht für o niemand über poets' poetry für den einen zum gedicht zum weinen für jedermann von stillen um eine metapher bloß ran­kenden versen zur schrillen hektisch­wilden über unkennt­lichen blattraum weit darüber hinaus sich schwin­delnden pleo­phan­tanas­tischen wirbel­wurmi­gen end­los­zeilen­montage vom stottrigen s|t|a|k|k|a|t|o zur geschmeidigen bijouterie vom surrealen kopster­bölter über dissonanz lautlyrik zur tramagisch musika­lischen volks­lied­strophe von turbaner häuser­zeile bis zur frusti­kalen zeit­gemäß f·®/a|g-›m‹e↔n⌂tierΔ÷t‼¢e×n bezie­hungs­weise befrem­delnden sumpf­dotter­blum ich gehe in ein anderes blau im schnee­gestöber von heute // der ›dichter‹ liegt vor hitze stockt der mut / in heißen lüften ist kein wort dabei / die zeit der großen verse ist vorbei / in den brüsten seh ich geizt die glut // der wurm ist nah hier hilft wohl bloß noch ducken / sich mit schicken kämmen zu bestücken / die feisten schreiber gehen schon an krucken / die dreisten leser wollen sich verdrücken

Theo Breuer    19.08.2014    Druckansicht  Zur Druckansicht - Schwarzweiß-Ansicht

 

 
Theo Breuer
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