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Theo Breuer
Fr:agile Nahtwortatortfragmenz
Essay
Dräng die Wörter zusammen, faß dich kurz.
Jesus Sirach · AT · 32,1–13
I
Proëmatischer Satz zur Poesie von heut
Wie geht anfangen, fragt Daniela Danz in V – – – und wer weiß, vielleicht geht anfangen ja, in etwa, so …: hier kommt die zukunft überrauscht journal / lektüre und kakteen den wartesaal / mein ganzes arsenal feinster empfänger / auch ultrakurzer wellen kürzlich länger / gewordner schattenspiele, tönt's, jedenfalls, aus Judith Zanders manual numerale, und ich mal: manchmal : malzipempu – manchmal : morgenmeer – manchmal : musenmund – manchmal : mutminsch – manchmal : muschelmörtelmauer – manchmal : matratzenmitmaid – manchmal : mein ich hier in der Sistig/Eifler Wolfskaul den Ohren kaum zu traun, keiner kann behaupten, er versteh's, schnobert Robert Walser dazwischen, hör ich doch, an einem Montagabend, das Licht schwankt schon, hält Amir Shaheen fest, T. S. Eliot präludiert the winter evening settles down und grüne Tiere gab es zu dieser Jahreszeit kaum, echot Ulrike Draesner, während des mitternächtlichen Tatorts ( Gedichte / müssen wie ein Schuß / ins Auge sein, funkt Marcel Beyer in Graphit dazwischen), den von Joachim Król verkörperten Frankfurter Hauptkommissar Frank Steyer, auf einmal, mir nichts, dir nichts, hin- und hersagen: Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt, hol mich der Geier, das war doch schon lange ausgeheckt in schutzloser Nacht, les ich ich Jean Kriers Eingriff, sternklar, schlägt's jetzt dreizehn, und da: der Käfer auf dem Fensterbrett bei Thilo Krause, und weiße Elefanten fliegen, denk ich kopfrüttelnd, spür Lars-Arvid Brischkes weites mäntelchen / des schweigens das jetzt eng anliegt, sehstundenlang, der nächste Morgen, mutmaßt Jürg Halter, scheint / tausend Jahre fern, reib die … Augen wäscht mir der Nebel … in Traian Pops Gedicht … in a quiet way (wie J. M. Coetzee) I was raving mad …, das hat, Buchstabe für Buchstabe, verheißt Christine Koschel nicht Gutes, das hat doch was mit … Litratur zu tun, denk ich weiter, bin, mit einemmal, atomuhrplötzlich, schnellwach, ahn das fragment eines zimmers, / aber das ist schon das zimmer, bemütigt Martina Weber, hör und seh, zweifellos, Flann O'Briens famos tosenden Westwind, the wind from the east is a deep purple, from the south a fine shining silver / The north wind is a hard black and the west is amber, Eibenäste gegen Scheibenreste peitschen, jajaja, sagt Werner Bliß, sind ratterschöne flattertöne, eine Bö jagt die – – – andre, kein Stern / durchdringt das Gewölbe, heißt's bei Helga M. Novak … und es glänzt die wilde Welt bei Friederike Mayröcker … und denk ein paar Stunden, nein, Tage zurück, vertieft in V, manual numerale, Sieben Sprünge vom Rand der Welt, Dichterloh, Wir fürchten das Ende der Musik, Kasinostraße 3, Rose & Nachtigall »usw.« … und Eins zwei drei! Im Sauseschritt / Läuft die Zeit; wir laufen mit, kalauert Wilhelm Busch, ich kalauer mit, denk an Klaus Anders' Wachtelzeit : blühender Lauch, Muskatellersalbei … time, the magician, raunt Thomas Hardy, und denk, in letzter Zeit, Zeit, die sich dehnt (Lydia Daher), ›mangmang‹ viel Amerikanisches aus der ersten Hälft des 20. Jahrhunderts verschlungen: E. E. Cummings' The Enormous Room, Sinclair Lewis' Main Street, Betty Smiths A Tree Grows in Brooklyn, Booth Tarkingtons The Magnificent Ambersons, Richard Wrights Native Son … undundund … Bücher, die mir, wie glühender Rauch, die Sprach verschlagn, ein Buch nach dem anderen drängt, gelesen zu werden, würd am liebsten mit dem einen Aug dieses Buch, mit dem andren Aug jenes Buch lesen – und mit dem dritten Aug ein weitres … uns schwanen wir ahnen – allüberall – atmende alpentalamselaugen alte akkordeonspieler am angstabhang … aber … aber auch: Simplicius Simplicissimus : Alle diese Worte erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken, und bewogen mich dermaßen, daß ich die Welt verließ und wieder ein Einsiedel ward und Zauberberg wiedergelesen, und wieder, das liegt auf der flachen Hand, wieder verschlägt's mir, ›wie man so sagt‹, die Sprach … und, endlich, endlich, endlich, Heimito von Doders Strudlhofstiege kennenliebngelernt … Als Mary K.s Gatte noch lebte und sie selbst noch auf zwei sehr schönen Beinen ging (das rechte hat ihr, unweit ihrer Wohnung, am 21. September 1925 die Straßenbahn über dem Knie abgefahren), tauchte ein gewisser Doktor Negria auf, ein junger rumänischer Arzt, der hier zu Wien an der berühmten Fakultät sich fortbildete und im Allgemeinen Krankenhaus seine Jahre machte … – und noch mal, ja, noch mal, verschlägt's mir, verschlägt's mir die Sprach ( Weiterleben mit auf den Kopf gestelltem Geist empfiehlt Mikael Vogel in Morphine) … what a book, what a book, what a book (»usw.«) … und denk, über all den Büchern aus der Sphär, die Mrs Columbo gern mit der Bauchbinde ›Weltliteratur‹ versieht, laß ich nun – es geht mir da wie Elke Erb: Das eintretende Alter erheitert mich / mit einer neuen Neugier und der Lust, / die Nase in Dinge zu stecken – die von mir in dieserjener Zeit gelesnen ›druckfrischen‹ Lyrikprosabücher, Anthologien, Kalender, Magazine nicht ›einfach so‹ untern Büchertisch falln, so vieles / das mir im gedächtnis blieb … gurrende tauben im osterkahlen / apfelgeäst europas, les ich in Lothar Quinkensteins gegenort, nein, nein, hab da ja, naturgemäß, auch wieder eine ganze Reih prächtiger poetischer ›Perlen‹ aufgelesn, seh, bei Elke Erb, kein Reh, nein: Wenn der Hirsch aus dem Wald tritt – denk nicht, das ist nichts. / Oh, weißt du, das ist das Leben, an die ich an diesem, keineswegs ›schönen blauen‹, Abend, als sich ein toter Mann, am Strand?, nein: im Tatort, Gregor Samsa nennt, wortsaufend denk, und nun natürlich : NEUE NEUGIER nicht ›nacht‹ nicht ›name‹ nicht ›natur‹ nicht : ›nichts‹, nein, as near a thing as we have to a king / Marianne Moore : magische · mehrhundertseitige · monumentale · MANUSKRIPTE – durch eine Spalte in der Stallwand erblickte ich alles / Oswald Egger –: umumumwerfend : Ich bin ihnen nur knapp entronnen / Maruša Krese : eines der Wörter auf feurigster Wiese ausgepustet wie Kerze / FM : davon nächstens mehr / Marion Poschmann, und drum benenn ich, I'm now brilliantly hydrated / Kim Dower, ungeachtet ungeheurer urzeit, Ann Cotten ›gibt‹ mir die Wörter Es · ist · das · Zeitalter · der · Dissoziierung · der · Z/ e/r/s/p/litter/u/n/g · wo · man · zwar · unter · ihr · leidet · aber · sein · Heil · nirgends · sucht · als · in · ihr · Ja? : unscharfe unruh um unweite ufer unterwürfige unken, exemplarisch, ›streng‹, würd, naturgemäß, gern ein paar mehr benamsen aus diesem oder aus jenem tiefen Grunde, summ summ segeln silberfischchen summ süßsalzberg summ substanziellen sommersprossengarten … summklänge, beispielsweis Robert Musils von Mahler gezeichnete Graphic Novel Mann ohne Eigenschaften oder Christine Kappes so schönes Gedichtbuch Wie kann das sein : auch lag eine große Schlaflosigkeit im Flattern der Tauben (von Manfred Enzenspergers eingeschneiten hunden ganz zu schweign), aber das kann und darf ja jetzt nicht, nein, flüsterts aus Kraus' maliziös- süffisantem Munde, Zähmung muß sein, willst doch auf einen Satz bloß dich beschränkn, je drei Lyrik-, drei Prosatitel, die ich in diesen versuchsweis formulierten Satz montier (kein kummersieb könnte knarzen | katzenkopfkalkül | krokus · kranker · kuckuck kuckuck / kindkonzeptgedanke): hier Odile Kennels wie heißt diese interplanetare luft : man sollte öfters Gedichte / ohne Ende schreiben, heidewitzka, in diesen Gedichten geht aber so was von der Rost ab, apropos Rost: Rost (Hendrik) blitzt Licht für andere Augen, Friederike Mayröckers Proëmbuch études : eingesponnen in Forste Fittiche Finger- / chen, Ludwig Steinherrs Flüstergalerie : schon schimmert sie vor Ihnen), dort Heinz Rademachers Gastlwelt · Hommage an eine »alte« Buchhandlung (Bensch könnt fortwährend weinen, und ich denk an Mayröckers das Flieszen der Tränen / Kaskade der Tränen), Robert Schindels Der Kalte : da beißt keine Maus einen Faden ab, Josef Winklers Mutter und der Bleistift : »da flog das Wort auf« – Der Kalte, denk ich, und mich fröstelt immer noch, in der küche ist es kalt / ist jetzt strenger winter halt / mütterchen steht nicht am herd / und mich fröstelt wie ein pferd, klingt Ernst Jandl, als läs ich weiter mittendrin, wär – bei aller Begeistrung für Ungeheuer und Sonnenposition – mein Favorit fürs Buchpreisgedöns : Gedichtbuch wird hier rausgeschossen, gewesen, Der Kalte nicht mal auf der Longlist (let alone the shortlist), Longlist … Wronglist … das Lied verliert sein Lied, singt Yoko Tawada … Shortlist … Mistwort … Literrraturrrbetrrrieb, die große Kunst von Licht und Schatten (Eberhard Häfner), die kartographierten gebiete der schatten (David Frühauf), wie lange leben wir schon in diesem zustand fragt Peggy Neidel, man weiß es nicht, man weiß es nicht … replay (raumrest richten) : riesen robinien rauschen ruckweise rollen räder · rettung : rachmaninow … Tag für Tag werden die Pflaumen blauer / Biene steh uns bei und Hummel, summelt Ruth Johanna Benrath, und wespe wespe … alles jeck … meck meck Mack geht um die Eck … und … Denis Scheck, der meint, man dürfe Literaturpreise nicht zu ernst nehmen, während Peer Quer meint, und ich, ja, ich mein das auch, daß ›man‹ das durchaus ›darf‹, ich darf nicht bei Rot über die Ampel fahren, ich darf nicht gegens Copyright verstoßen, das Copyright ist eins der großen Probleme dieser Zeit, hilflos stehe ich / vor der Ordnung der Welt (Elisabeth Plessen) nicht der ADAC, nicht der Banker, nicht der Dollar, nicht der Euro, nicht der ›Fanatismus‹, nicht die Geldmeisterschaft, nicht der Hunger, nicht das Internet, nicht der Jasager, nicht die kapitale Kriegskakophonie, nicht die Lyrik, nicht der Macho, nicht die NSA, nicht der Oligarch, nicht der Politiker, nicht die Quarre, nicht der ›Radikalismus‹, nicht die Steuer, nicht der Tsunami, nicht der Urwald, nicht die Verklappung, nicht die Weltmeisterwirtschaft, nicht die Xenophobie, nicht der Yankee, nicht der Zeilensprung: nein, das Copyright ist die eine, die große Knacknuß dieser Zeit, heut Nacht platzt ganz bestimmt die Sonne, sagt Florian Voß, unterwegs in Flip-Flops nach Armageddon, vorher, und Urheber saufen, Amok: Niemals ließ sich ermessen, wann sie das Spiel ernst nahmen oder als Spiel, krakauert Siegfried Kracauer, aber Literaturpreise darf ich sehr, sehr ernst nehmen, wenn ich das will, YOLO, und, wenn auch meistens nicht, will ich das eben doch dann und wann, beispielsweise während ich den Essay Poesie und Preise schreib, in dem Ulf Stolterfoht meint: Ich freue mich sehr, wenn mich ein Preis ereilt, und gerade wirft mir irgendwer George Bernard Shaws The golden rule is that there are no golden rules vor die Füß, und ich hau, knall, pfeffer, semmel, aus dem Hintergrund müßte Rahn schießen, Rahn schießt, das Bonmot, auch Fußball ist Kopfsach, gedankenbloß ins Netz – ein Treffer wie aus dem Nichts, würd Fußballreporter jetzt brüllüllüllen, wo waren wir, ach ja, bei Denis Scheck, der sich so fröstköstlich, schmibissig, schwungtoll über eine »unglaubliche Fehlentscheidung« echauffieren kann, there is nothing either good or bad but thinking makes it so, weint Hamlet … O TEMPORA O MORA … frustig frustig tralalala, Rinder, Rinder, seid ihr alle da … und ich mach, denk ich, während der Mörder, aberaber, nicht mehr lang: warte nur, balde / ruhest du auch, immer noch frei rumläuft, und morgen früh, wenn Gott will, mach ich, ohne Mist, meine kleine Leselist, keine Short-, keine Long-, einfach eine mit Rosen bedachte, naturgemäß kopfgebürtge, Leselist, und jetzt schweigen dürfen, schreib ich ganz am End im B·U·C·H·S·T·A·B·E·E·T · Gedichte im deutschen Sprachraum · Ein listenreicher Glückblick, und, in der Tat, vergehn nahezu neun volle Monde ohne auch bloß ein geschriebnes Wort, wenn ich ein, zwei Tage nicht schreiben kann, bin ich verzweifelt und fürchte, es ist aus (FM), I thought, driving through Richmond last night, something very profound about the synthesis of my being: how only writing composes it: how nothing makes a whole unless I am writing; now I have forgotten what seemed to be so profound, schreibt Virginia Woolf, berauschendbeseelende Leselustzeit, licht weht in den schilffellköpfen, les ich bei Andreas Altmann, und in den Ohren klingn, weiter, Reiter, weiter, heiter, Jan Wagners Wörter, Verse, gefüllt / mit tiefster bläue, Jan Fischers Zeilen, am schlimmsten waren die Pflanzen im Herbst, die andre oder die, von Rolf Dieter Brinkmann geschriebne, Eine Geschichte // Der Himmel ist ganz blau / auf der Schallplattenhülle / und / wer immer das hier liest, / er liest, / der Himmel ist ganz blau. / Aber das ist / noch nicht alles. / Eine kleine weiße Wolke / fliegt am Rand des Blaus / dahin – klarhaftig, kusagauma, kein gobbledygook, nein, könnte eine Erfindung sein : mit Sylvia Geist im Gordischen Paradies …, und itzt irgendein imperativintermezzo ? ich immer ihr immanuel ich installiert in irrer privatparaphrase (präludium? … platzprogramm?) : plastikpyjamahöschen · plitschplatschnächte ? plötzlich poren papierpatronen, himmlischherrliche Gartensteinzeit : bäume haben sich ihre schatten herausgerissen, / brennen im wurzelfeuer steht, schwarz auf weiß, in Andreas Altmanns Die lichten Lieder der Bäume liegen im Gras und scheinen nur so, aber: Kann man die Zeit erzählen, diese selbst, als solche, an und für sich? Wahrhaftig, nein, das wäre ein närrisches Unterfangen! steht im Zauberberg geschriebn … und dann (und … wann – ?), denk ich weiter, wend ich mich, wieder mal, die Mauersegler / verwirren schon den Himmel (Bianca Döring), verstärkt den herbstzeitlosen Gedichten von Walter Helmut Fritz zu, denen ich diesmal auf den animalischen Tiefgrund geh, volle Faunadröhnung hör und seh: Aal · Affe · Amsel · Antilope · Biene · Bitterling · Borkenkäfer · Büffel · Chamäleon · Chimäre · Dachs · Distelfalter · Dohle · Eichhorn · Eidechse · Eisbär · Elefant · Elster · Ente · Esel · Fasan · Fliege · Floh · Frosch · Geier · Girrvogel · Glücksvogel · Grille · Hase · Haubentaucher · Hengst · Huhn · Hummel · Hund · Igel · Insekt · Käfer · Kamel · Katze · Krähe · Krebs · Krokodil · Lerche · Libelle · Lungenfisch · Maultier · Möwe · Murmeltier · Muschel · Nachtfalter · Natter · Ochse · Papagei · Pavian · Pechvogel · Pferd · Phönix · Pleitegeier · Purpurschnecke · Qualle · Rädertier · Ratte · Raubtier · Raubvogel · Regenpfeifer · Salamander · Schaf · Schildkröte · Schlange · Schmetterling · Schnecke · Schwalbe (Heute noch denken wir: Schwalbe, / und schon beginnt sie zu fliegen) · Schwan · Seeschwalbe · Seestern · Skarabäus · Skorpion · Spaßvogel · Spatz/Sperling · Spinne · Star · Steckenpferd · Steinkrebs · Storch · Taube · Traumtier (beobachtet das langsame Vergehen der Steine) · Unglücksrabe · Vogelschwarm · Wal · Wasseramsel · Wasservogel · Wespe · Zeitvogel · Ziege, bevor ich, ganz hinab, in Friederike Mayröckers Proëmbuch études versink : hat sich das Bäumchen wieder belebt, auf dem Frühstückstisch / in der Küche hat das Mimosenbäumchen sich neu belebt zaghaft 1 / neuer Trieb wie Händchen mir entgegen haben meine Tränen seine / Blätter neu belebt grüne Zierde in meinen Augen haben seine / Wurzeln sich neu erfrischt usw., während drauszen der Sturm / während mein Herz sich bäumt wie die Büsche am Hang, »étude« / die Übung, der Natur während die Locken des Liebsten mein Gesicht / verhüllen dasz ich nicht sehen soll seine Lieblichkeit während / die Kuckucke in meiner Brust : während ich lebe in Kontrasten / 20.7.11, dem ich den Essay »Fetzchen« · It's Mayröcker Time · Wörter, die Lektüre von Friederike Mayröckers Proëmbuch »études« umkreiselnd verdank, der mich, über Wochenwochenwochen, so sehr in Atem hält: Who can ever say the perfect thing to the poet about his poetry? And not too much or not too little, just enough, frag ich mich, die ganze Zeit, mit Alice Munro, und die Tage schaukelten und bildeten Wochen, tröstet Robert Musil im Mann ohne Eigenschaften, um mich, ›eines Tages‹ in diesem schon so befragten benagten betagten ›neuen‹ Jahrhundert, auch eingedenk Horaz' Ut pictura poesis, Hugo von Hofmannsthals Sprache ist überhaupt nur Bild und Thomas Klings Malerei und Schrift fallen partiell zusammen, mehr und mehr dem ›Gemäldegedicht‹ / »Paralleltext zur bildenden Kunst« (FM) zuzuwenden: Du kannst sie weitererzählen, / diese Topographie, nur weißt du nicht, was / die wenigen Leute am Ufer jetzt sagen, schreibt Jürgen Becker zur Ansicht von Delft, nachdem ich Gabriele Frings' vortreffliche Monographie Giorgiones Ländliches Konzert · Darstellung der Musik als künstlerisches Programm in der venezianischen Malerei der Renaissance les und sich aus der Lektüre ein um Kunst und Lyrik rankendes Zwiegespräch mit der in Bonn am Rhein lebenden Autorin entspinnt, alles spült Die große Woge hoch als wär's ein bild / das jeder so gut kennt, wähnt Judith Zander, tadellos trüber terrassentreppentraum : tränend text – täubchenturm · tingeltangel · talglicht · trügerische todestrauer tippen, wandering into language is always a trespass / JMC, das, unverhofft, zu neuen Gedichten führt, und seit einer nun bereits beträchtlichen Zeit wird zeitgenössische kunstvolle Lyriklang gesichtet, gesucht, gesammelt, chronisch auf ZUFALL lauernd, absichtslos, die Tage schaukeln, Albrecht Fabri malt Verse: Sternbilder der Sprache, die Tage gaukeln, so vermeide ich sichtbarkeiten … das ist die lage, bekennt Lara Rüter, wir lesn, und fräsens mit Norbert Lange aus den Augenhöhlen, betrachtn mit Hans Bender Fragonards Die Badenden lang und lüstern, stelln einander, mit Marcus Roloff versunken am wangentisch / im toten winkel des goldenen schnitts, wortdauernd, kunstumkreiselnde Gedichte vor, und, sieh da, sieh da, Timotheus, auch in Kasinostraße 3 wird man fündig (wie in so vielen Gedichtbüchern von heut), Ann-Kathrin Ast, beispielsweis, schreibt zu Edvard Munchs Sommernacht am Oslofjord …
sommernacht, fast mund
der mund ist eine insel groß noch grauer
nur ein streif blaurosa wie das lippenlose
wolkenkind fast mund das kind das mit
dem gräsernen wasser spielt umspült
dort wo die insel sich verschließt |
dort wo
das wasser sie
an ihre lippe nimmt |
… und ›neulich‹ bläst Westwind aus vollen Backen (FM), bin ich, wieder mal, taglang mit Gedichten von Axel Kutsch, die Türen auf, die Fenster / und Fahnen rausge- / hängt, daß sie / klirren im Wind, und Hans Bender befaßt, und Bender beschreibt, was er in den Incidents von Roland Barthes vorgefunden: Ruhig sitzen, nichts tun / Der Frühling kommt, / und das Gras wächst / wie von selbst – und wonach ich seit Jahren so sehr mich sehn, und ich stürz mich, Blinder Übergang, auf Gisela Hemaus Gedichte, die mir, auf einer geheimnisvoll melancholischen Straße, In München, die Begegnung mit de Chirico bescheren: endlich einfache episode (effizienzexkurs) : erdendlager eröffnet – elende e-mission · ermüdet – – – erlebnisscheuer … enterich, Gedichte, die ich, klar, hinter geschloßnen Lidern lesen möcht, stattdessen reiß ich Augen weltweit auf und find vornweg das Gedicht, das ›wie gemalt‹ (womit man zum guten Schluß kommt, sich, gleichsam, auf den palmströmlinienfömig – folglich westöstlich – ausgerichteten Diwan im gabinetto lirico zurückzieht … jetzt noch ein wenig, wie es bei Uwe Hübner heißt, in seinem Lieblingsbuch liest) zum mäandrisch gezeichneten Themenkreis paßt:
Am siebten Tag würde er ruhen
Er malt Fenster
endlose Reihen von Fenstern
Hinter die einzelnen Fenster
stellt er Männer
Kinder Frauen
Sie schauen hinaus
Draußen ist nichts sagt er
Und malt
II
Interludium
in der schwüle der lebensläufe hüpfen funken / über.
Evelyn Schlag
In Here and Now · Letters 2008 – 2011, dem 2013 bei Faber and Faber in London erschienenen Briefwechsel mit J. M. Coetzee schreibt Paul Auster am 29. September 2009:
We live in an age of endless writing workshops, graduate writing programs (imagine getting a degree in writing), there are more poets per square inch than ever before, more poetry magazines, more books of poetry (99% of them published by microscopic small presses), poetry slams, performance poets, cowboy poets – and yet, for all this activity, little of note is being written. The burning ideas that fuelled the innova-tions of the early modernists seem to have been extinguished. No one believes that poetry (or art) can change the world anymore. No one is on a holy mission. Poets are everywhere now, but they talk only to each other.
Nachdem Coetzee im Brief vom 14. Oktober fragt: Who today has the power to shape young souls that Brodsky or Herbert or Enzensberger or (in a more dubious way) Allen Ginsberg had? antwortet Auster am 23. Oktober 2009:
My only consolation is that art forges on, in spite of everything. It is an unquenchable human need, and even in these grim times, there are countless numbers of good writers and artists, even great writers and artists, and even if the audience for their work has grown smaller, there are still enough people who care about art and literature to make the pursuit worthwhile.
III
fr:agile fragmenz
In diesem Gedicht wird kein Fleisch gegessen.
Hendrik Rost
fr:agile fragmenz
the poem is a machine made out of words und das spektrum des zwischen hinterlandschlucht zentralstraßenflucht schwingenden so oder so also einsilbig wortreich festfreimetrisch no verse is libre for the man who wants to do a good job alliterierend assonant ›poetisch‹ prosaisch spartanisch simultankaskadisch licht leicht luftig düster drückend dumpfig klangvoll singend antilyrisch quarrend überhitzt unterkühlt unterspült überspitzt metaeuphorisch höllhimmlisch synästhkatachretisch standardisiert w·ort·spiel·er·i·s·ch konkret kraß dialektal leichtfüßig verschleppt schlicht dicht motzigfotzigrotzig jambisch trochäisch daktylisch anapästisch erdig krümelnd metaphysisch perlend ernst finster knochig parodistisch flimmernd rhapsodisch ironisch sarkastisch zynisch schwärmerisch schwärend schüchtern derb herb sanft heiter hypochondrisch lässig forciert usw. ge|form(ulier)ten jedes banale bedeutsame ding des mikromakrodaseins aus nächster nähe der totalen in blaugenauen blick nehmenden vielfach konterkarierenden gedichts in fiesen zeiten bloß noch ganz kleiner verschiebungen erstreckt sich naturgemäß als word in progress vom eingewurzelten bildreichen strophengedicht zur zusammengepurzelten proëmcollage visuellen bricolage vom ana- epi- zum leipo- paragramm vom lustigen klartext zur listigen verkrallhornheutung vom binnenkreuzpaargereimten zum alltagsparlando vom weltumgarnenden knäuelchen haiku über akrostichon cento ode sestiterzine zum zweinzelgängerischen sonett vom zankäpfelnden aphorismus zum mauljaulenden sprich:stich:wort von der abrundenden blaupause zum nichtgeschriebnen abgrundschrundenden gedicht blutender assoziationen vom tiefstapelnden einwortgedicht über herunterspielende vierzeiler zum balladesken erzähl- ausschweifenden langgeschichtgedicht mais degas ce n'est pas avec des idées qu'on fait des vers c'est avec des mots von feurigen stimmungsversen zum wasserumwallten wortschwall von politisch grundierten mit suggestiven notbotschaften scharnierten versen über pure sture zur privaten poesie für öffentliche ohren hier tänzelnde bachdichtung dort schwänzelnde fachsprachrichtung hier kakophonische krachmischung dort hyperbolische lachlichtung hier komische zumutung dort kauzige schuhblutung hier derekonstruierende machdichtung dort gedankenweiche nachsichtung von hermetisch verrätselten über doppelt gemoppelte zu offen strukturierten blockflattersatzstrophen von assoziativ verketteten überbordenden kurioskurrilen phantasmagorien zu (›realität‹ verfremdender) dralakonischer inventur von beat sound pop zum ätherischen gedicht vom fallengelassenen verlegenheitsvers zum triebetollen gelegenheitsgedicht von sonnenstrahl thunderstorm zum krenatürlichen flockenflug von kinovativer sp·r·a·c·h·sch·r·öpf·ung zu kongenialer nachempfindung hommage remix anverwandlung vom dichtung aller länder zeiten in die unerhörte zange zähmenden gedicht des poeta doctus zum naiven notat des art-brut-texters von der chiffrierten zur intertextuellen verflechtung von der notgebornen knottrig-eruptiven attacke zur müßigen besinnung von allegorie emblem metonymie symbol zu salopplyrik ohne ›denn‹ und ›laber‹ vom absurd anwutenden oxymoron zum grotesk geifernden paradoxon vom narbenfrohen nonsens zum warzweißen schiefsinn stimmt es glimmt es nicht from poems with to poems without punch line von sehr naturfeiner strammfromm baumastisierter graukrautpoesie übers schwer traumatisierte metalyrische gedichtgedicht zum mehr tiktaktisch klugen sehrgedicht vom genicht für o niemand über poets' poetry für den einen zum gedicht zum weinen für jedermann von stillen um eine metapher bloß rankenden versen zur schrillen hektischwilden über unkenntlichen blattraum weit darüber hinaus sich schwindelnden pleophantanastischen wirbelwurmigen endloszeilenmontage vom stottrigen s|t|a|k|k|a|t|o zur geschmeidigen bijouterie vom surrealen kopsterbölter über dissonanz lautlyrik zur tramagisch musikalischen volksliedstrophe von turbaner häuserzeile bis zur frustikalen zeitgemäß f·®/a|g-›m‹e↔n⌂tierΔ÷t‼¢e×n beziehungsweise befremdelnden sumpfdotterblum ich gehe in ein anderes blau im schneegestöber von heute // der ›dichter‹ liegt vor hitze stockt der mut / in heißen lüften ist kein wort dabei / die zeit der großen verse ist vorbei / in den brüsten seh ich geizt die glut // der wurm ist nah hier hilft wohl bloß noch ducken / sich mit schicken kämmen zu bestücken / die feisten schreiber gehen schon an krucken / die dreisten leser wollen sich verdrücken
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Theo Breuer
Lyrik
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Porträt
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