Manfred Jendryschik
Vom Wasser
Manchmal, scheint’s tröstlich, gehen auch die Könige
baden, siehe der zweite Ludwig, soeben
war er noch da, nun sucht er Atlantis. Die Immunität
von Pinochet wurde zu spät aufgehoben, Franco
starb friedlich im Bett wie Stalin, der Mörder
von Luther King sollte nie gefunden werden. Warum
nur, fragt sich der kleine Mann in der Wanne (und sei’s drum:
Müller-Lüdenscheidt) etabliert sich das Unrecht
so weltweit und immer wieder, ganz sentimental-
faschistoid-heimatliebend, Mr. President? Usedoms
genannte Kaiserbäder sagen ein Herzliches
Willkommen wie auch den Diktatoren
der Kontinente, aber die waschen sich, hört man, anderswo
in aller Unschuld das Blut von den Fingernägeln.
Und es hilft ja auch nichts,
regelmäßig die Kurtaxe zu zahlen.
Manfred Jendryschik, geboren 1943 in Dessau, lebt in Leipzig. Heinrich-Heine-Preis und Händel-Preis. Zahlreiche Erzählbände und Essays. Gedichtbände unter anderem: Die Ebene 1980
Das Gedicht ist abgedruckt in der Anthologie: Es gibt eine andere Welt.
05.01.2011