Ulrich Zieger
Im hafen.
Was ist das für ein meer in unsrer mitte,
wenn fischer und bootsbauer in ihre hütten zurückgekehrt sind,
die leuchttürme langsam verwittern
und kinder auf rostigen schaluppen kentern,
altes angsteinflössendes mesopotamisches meer
der Phönizier Ionier Ägypter und Griechen,
meer des Odysseus aus Dublins gestorbenen in gay paris
altes meer der zum sterben gerüsteten inseln,
was für ein meer der bezichtigung,
der zerbrochenen tontafeln und der zersprungenen sprachen,
derart eingeschüchtert so verletzt,
so erschöpft von den wüsten aus stein an den küsten,
den küsten der giftigen schlämme,
in denen das hinterland über sein nichts triumphiert,
sein bombastisches blendendes scheitern,
das sich von Erynnien geführt in die flut stürzt,
wie grün es heut ist unter sprühendem niesel,
wie kobaltblau gestern als alles schon sommerte,
wie nüchtern, herr Dionysos, hat dein wein mich gemacht,
wie barfuss, herr Jesus, dein wandelndes wort.
Ulrich Zieger, geboren1961 in Döbeln, lebt in Montpellier (Frankreich). Gedichtbände: Neunzehnhundertfünfundsechzig 1990; Vier Hefte 1999; L’Atelier / Die Werkstatt 2010; Aufwartungen im Gehäus. Edition Rugerup 2011
Das Gedicht ist abgedruckt in der Anthologie: Es gibt eine andere Welt
10.11.2011