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Robert SchleifVölkerschlacht bei Leipzig 1813Napoleon gestochen Kritik
In Zeiten, in denen sich der klassische Buchmarkt im wirtschaftlichen Sinkflug befindet, versuchen Verlage immer häufiger ihr Programm durch so genannte Nonbooks für ein breites Publikum attraktiv zu halten. Von den teilweise grotesken Auswüchsen dieser Entwicklung kann man sich jährlich auf den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt überzeugen. Zu jedem Kinderbuch das passende Plüschtier, zu jedem Bildband ein Memoryspiel, die Büsten Goethes und Schillers als Salz- und Pfefferstreuer. So einträglich diese Artikel für die Verlage auch sein mögen, nicht selten erfüllen sie, neben dem finanziellen Aspekt, nur den Zweck, von einem eher schwachen Verlagsprogramm abzulenken. Auch wenn Nonbooks offiziell auf das dazugehörige Printformat aufmerksam machen sollen. Nun ist es natürlich keineswegs so, dass Nonbook-Artikel eine per se sinnlose Modeerscheinung verzweifelter Verleger sind. Wie bei Romanen, Gedichtbänden oder Sachbüchern kommt es hierbei auf eine gute Idee an, die ansprechend und originell umgesetzt wird. So geschehen bei einem Skatspiel zur Völkerschlacht bei Leipzig 1813, das im Verlag E.A. Seemann erscheint. Entworfen und gezeichnet wurden die 32 Karten von Robert Schleif. Sie zeigen neben den Wappen der vier in die Schlacht involvierten Großmächte Frankreich, Preußen, Russland und Österreich auch deren prominenteste Monarchen, Politiker und Generäle, sowie bedeutende Schauplätze in und um Leipzig. Wieso ist dieses Kartenspiel aber eine so gute Idee? In die Zeit des frühen 19. Jahrhunderts fallen nicht nur die Befreiungskriege Mitteleuropas gegen das napoleonische Frankreich. Es war auch die Zeit der Entwicklung eines der bis heute beliebtesten Kartenspiele Deutschlands: dem Skatspiel. Der Ort seiner Entstehung liegt nur etwa vierzig Kilometer südlich von Leipzig. Altenburg in Thüringen heißt die Stadt, in der 1886 auch die Allgemeine Deutsche Skatordnung verabschiedet wurde und in der das 2001 gegründete Skatgericht sitzt. Mit seiner professionellen Reglementierung und einem sportlich organisierten Ligasystem hat sich Skat längst über den Status eines bloßen Kartenspiels erhoben. Skat ist Kulturträger und damit offenbar bestens geeignet, deutsche Geschichte zu transportieren. So begegnet der Spieler von Robert Schleifs Skatspiel nicht nur Napoleon I. (Kreuz König), sondern unter anderem auch Gebhard Leberecht von Blücher (Pik Bube), Friedrich Wilhelm III. (Pik König) und Klemens Wenzel von Metternich (Karo Dame). Der Fürst von Metternich eine Dame? Nun ja, wie man es dreht. Denn das Völkerschlachtskat verbindet das französische Kartenblatt mit dem deutschen, das bekanntlich aus den Farben Eichel, Blatt, Herz und Schellen besteht und dessen Bildkarten statt Bube und Dame Unter und Ober zeigen. Diese Kreation nennt man augenzwinkernd Deutsch-französisches Kongressblatt. Auf den Spielkarten finden sich jedoch nicht nur die Protagonisten der Völkerschlacht in wunderbar historisierendem Stil, sondern auch Miniaturkarten der wichtigsten Schauplätze der Schlacht. Neben Leipzig kommen so unter anderem die heute eingemeindeten Lindenau, Möckern, Paunsdorf und Holzhausen zu ihrem Recht. Der Nicht-Leipziger, sowie derjenige, der an seinen Geschichtsunterricht nicht mehr die frischesten Erinnerungen hat, erfährt in einem kleinen Begleitheft das Wichtigste, was für eine zünftige Partie Skat am Stammtisch nötig ist. So machen Nonbooks Spaß!
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Mario Osterland
Gespräch
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