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Adrian KasnitzWodka und OlivenNeudeutsche Lebenswege Kritik
Was bleibt von den Orten der Erinnerungen, wenn sie nicht mehr existieren? Es bleibt die Sprache und das Erzählen, das die Erinnerungen aufrecht erhält. Zugegeben, diese Erkenntnis ist nicht gerade eine neue, an Aktualität verliert sie aber kaum. In Zeiten, in denen der Familienroman Konjunktur hat, erst recht nicht. Zwar ist das Prosadebut von Adrian Kasnitz sicher keine klassische Familiensaga, doch im Zentrum von Wodka und Oliven stehen die Lebensläufe zweier Familien und das Erzählen ihrer Schicksale durch den Protagonisten Moritz. Moritz ist auf der Flucht. Ziel- und ruhelos streunt er durch Berlin, lernt hier und da ein paar Menschen kennen und erzählt ihnen von einem Haus in der westfälischen Provinz. Es ist das Haus in dem er aufwuchs, das Haus, das von den Planierraupen verschont wurde und trotzdem nicht mehr da ist. Vergessen kann und will er aber nicht, also erzählt er. Einem Kneipenwirt erzählt er von malochenden Vätern im Ruhrpott. Einem Kind erzählt er von seinem Bruder und den Spielen, die er mit den anderen Kindern im Haus spielte. Einer Rentnerin erzählt er von seinen griechischen Nachbarn, die einer aufziehenden Militärdiktatur entgangen sind. Warum er das jedem erzählt, vor allem Wildfremden, wird Moritz natürlich gefragt. „'Warum, warum', schrie er, als sei er von etwas gestochen worden, 'das weiß der Himmel. Ich muss einfach. Es ist in mir drin. Aber niemand hat eine Ahnung davon. Ich bin der Einzige, der es weiß. Wenn ich es nicht tue, wer dann?'“ Moritz ist allein. Allein in Berlin, allein in der Welt. Der Kontakt zu Eltern und Angehörigen ist abgerissen. Als er die junge Kellnerin Ella kennenlernt, schöpft er neuen Mut. In ihr findet er jemanden, der ihm zuhört. Er erzählt ihr nächtelang vom Haus seiner Kindheit und seinen Bewohnern, bei Wodka und Oliven. Und er erzählt ihr von Angiliki, dem Nachbarsmädchen, die er ebenfalls aus den Augen verloren hat. Ella gegenüber kann er sich endlich öffnen und ihr die ganze Geschichte erzählen. Adrian Kasnitz' Wodka und Oliven erscheint als #1 der Reihe neudeutsch im noch jungen Verlag CH. SCHROER, in dem ausschließlich Debutromane verlegt werden sollen. So ist es Kasnitz, der bisher vor allem als Lyriker und Verleger der parasitenpresse bekannt ist, zu verzeihen, dass er auf dem Terrain der Prosa stilistisches Verbesserungspotential aufweist. Vor allem die Rahmenhandlung, die Moritz' Gemütszustand und sein Verhältnis zu Ella erzählt, ist an manchen Stellen zu kontrolliert, zu konstruiert, sodass sie dem Leser hier wenig Spielraum zur eigenen Interpretation lässt. Dieser Umstand soll allerdings nicht über die durchaus ansprechenden Passagen der Erinnerungen des Protagonisten hinwegtäuschen. In atmosphärischen, dichten Episoden, die die Rahmenhandlung so nicht kennt, werden die Schicksale zweier Familien nachgezeichnet, die aus Polen bzw. Griechenland nach Deutschland eingewandert sind. Kasnitz erzählt hier facettenreich und einfühlsam, so dass der Leser doch noch die Chance bekommt, eine eigene Bindung zu den Figuren inklusive des Protagonisten Moritz aufzubauen. So ist Wodka und Oliven ein stiller Roman, der entdeckt werden will.
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Mario Osterland
Prosagedichte
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