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Arthur MissaFormenverfu(e)gerZumutungen Kritik
„Es handelt sich um das Skizzenbuch eines werdenden Autors“, heißt es auf den Seiten des jungen Leipziger Verlags ed.cetera zu Formenverfu(e)ger. Angesichts dessen möchte man dem werdenden Autor Arthur Missa drei Dinge wünschen: 1. Das Erreichen seiner Ziele. 2. Die Überwindung dieses skizzenhaften Debüts. 3. Gelassenheit hinsichtlich des Literaturbetriebs. Aber der Reihe nach, von hinten nach vorn. Es mag ja sein, dass eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen nach 1945 es nicht verdient hat, alljährlich mit einem Wettlesen, mit diesem Wettlesen in ihrer Geburtsstadt geehrt zu werden. Und ganz sicher ist es so, dass diese Schriftstellerin sich bei so einigen (auch prämierten) Erzählungen, die in Klagenfurt zum Vortrag kommen, im Grab herumdrehen würde, wie man gemeinhin sagt. Was Ingeborg Bachmann aber ebenfalls nicht verdient hat, ist ein selbsternannter Verteidiger, der die brillante Lyrikerin mit zwei schlechten Gedichten zu sühnen versucht. „Ich scheiß' auf euer Klagenfurt / am liebsten wär' mir da ein Mord“ reicht nicht mal für einen mittelmäßigen Kalauer. Wenn Missa dem Bachmannpreis nichts weiter als „Wortgewichs“ attestiert und dort lieber „Schwanz im Mund / und / Zunge lutscht / 'ne Muschi rund“ sehen würde, treibt es dem Leser schon die Schamesröte ins Gesicht. Allerdings nicht auf die Weise, wie es sich der Autor wohl erhofft. Wenn dieser dem Bachmannpreis, warum auch immer, eins auswischen will, dann sollte er es vielleicht im Stile eines Rainald Goetz tun. Oder auch nicht. Gut, könnte man mit wegwischender [sic] Geste sagen, Missa ist dem Thema Klagenfurt eben nicht gewachsen. Macht nichts, der Band hält ja noch fünfzig weitere Stücke aus Prosa parat. Doch finden sich darunter immer mehr verunglückte Gedichte und altkluge Verbalprügel gegen „die Kulturkritiker“ (wer auch immer die sind), die sich in Allgemeinplätzen und Fäkaljargon erschöpfen. Dabei ist natürlich nichts gegen Fäkaljargon in der Kunst einzuwenden. Wenn dieser aber nur dazu dient die eigene Enttäuschung darüber kund zu tun, dass man auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten keinen Preis gewonnen hat, ist das einfach zu wenig. Der Autor bewegt sich dann auf dem Niveau von Sidos Arschficksong oder einem „Streetart-Künstler“, dessen subversive Kraft sich in Parolen wiederfindet wie „Mandy is foll schwuhl!“ Was gibt es aber Positives zu Formenverfu(e)ger zu sagen? Textlich leider wenig, denn Missas Gespür für Themen und Stoffe, sowie eine gewisse sprachliche Reflexivität deuten sich in seinen längeren Prosatexten nur an. Optisch ist das Buch hingegen nicht zu verachten und passt sich gewissermaßen kongenial dem persönlichen Kramladen des Autors an. Jeder Text in Formenverfu(e)ger wurde von der Grafikerin Katja Eichfeld in eine eigene typografische Form gebracht. Damit wird ein schöner Experimatalcharakter erzeugt, dem man im herkömmlichen Buch leider viel zu selten ausgesetzt ist. Da Missas Texte jedoch nur selten über eben jenen Charakter verfügen, bleibt hier oft der schale Beigeschmack der Effekthascherei. Denn je kürzer der Text ist, desto mehr Raum bleibt für die Typographie, die in ihrer fast bildlichen Ausgestaltung den Leser (vor allem beim raschen Durchblättern) am meisten anzieht. Hält der präsentierte Text dann aber nicht mehr als „ficken“ und „in die Fresse schlagen“ parat, fühlt man sich verschaukelt. So bleibt Formenverfu(e)ger vor allem ein gelungenes typografisches Experiment.
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Mario Osterland
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