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Art Spiegelman
Die wilde Party
„Natürlich ist das Lyrik. Reimt sich doch.“
Art Spiegelman illustriert einen vergessenen Skandalerfolg
Kritik |
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Art Spiegelman / Joseph Moncure March
Die wilde Party
Aus dem Amerikanischen von Uli Becker
168 Seiten, Broschur
Fischer Taschenbuch Verlag 2011
12,99 EUR
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Haben Sie schon einmal ein Buch gekauft, nur weil Sie dessen Einband schön fanden? Wenn nicht, sollten Sie es vielleicht einmal wagen. Manchmal kann man dabei erstaunliche Entdeckungen machen. Wie zum Beispiel der Comiczeichner Art Spiegelman, dem in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einem Antiquariat ein Buch in die Hände fiel, das eigentlich schon vergessen war. Es handelte sich um „Die wilde Party“ eines gewissen Joseph Moncure March, der in den „goldenen Zwanzigern“ Redakteur des New Yorker war. 1926 schrieb er ein Gedicht, das aufgrund seiner nicht immer jugendfreien Beschreibungen zunächst als unpublizierbar galt. Als es einige Jahre später dennoch veröffentlicht und zum Skandalerfolg wurde, fiel es William S. Burroughs in die Hände. Das Buch habe ihn überhaupt erst zum Schreiben gebracht, versicherte er Spiegelman in einem Gespräch und bestätigte ihm, dass es sich dabei um Lyrik handle. „Reimt sich doch“, so Burroughs. Bis zur Entdeckung der „wilden Party“ hatte Spiegelman nie viel mit Lyrik zu schaffen. Doch neben der goldenen Typographie des Einbandes lernte er auch den Text zu schätzen und beschloss ihn zu illustrieren.
In Marchs Langgedicht findet sich der Leser im New York des „Jazz Age“ wieder und wird Gast einer Party, die im Laufe der Nacht zunehmend aus den Fugen gerät. Die Gastgeber sind die Varieté-Künstler Queenie und Burr, die ihren Streit vom Morgen mit einem kleinen Fest vergessen machen wollen. „Queenie war blond, ohne Alter so eine: / Schmiß zweimal pro Trag im Vaudeville die Beine. […] Derzeit war ein Kerl namens Burr ihr Mann; / Seine Nummer kam gleich nach ihrer dran. / Berühmt als Clown / Und dito als Faun: / Sein Konterfei klebte an jedem Zaun.“
Begleitet von Spiegelmans Bildern im klaren und kantigen Schwarz-Weiß-Stil trudeln die Gäste in der Wohnung der beiden ein und schon bald bietet sich dem Leser ein breites Panorama von anmutigen, großmäuligen und zwielichtigen Gestalten der Großstadtbohème. Als die Party bereits Fahrt aufgenommen hat, tauchen etwas verspätet „Queenies Busenfreundin“ Kate und ihr neuer Liebhaber Black auf. Es dauert nicht lange und zwischen den vier Protagonisten entspinnt sich ein gefährliches Spielchen aus Partnertausch, Eifersucht und Macht. Selbstredend sind sie nicht die einzigen, die an diesem Abend auf der Suche nach Leidenschaft und Rausch sind. So wird „Die wilde Party“ schnell zu einem orgiastischen Fest, bei dem sich Sex, Alkohol und Prügeleien die Klinke in die Hand geben. – Und den Zorn der Nachbarn auf sich zieht.
Der Rhythmus dieser Nacht ist atemberaubend, doch der Text allein lässt ihn nur erahnen. Das mag vor allem an der Übersetzung liegen, die es nicht immer schafft, die englischen Reime zu ersetzen. „Burrs riskierte einen Blick, / Einen langen, bittern: / „Ach nee“, sagte er, „ die ham's gerad nötig!“ / Die Augen schmal, in den Händen ein Zittern. // „Bist ja eifersüchtig!“ / Zwinkerte Kate ihm keß zu. / „Ich und eifersüchtig?“ / Er bemühte sich, überlegen zu gucken: / „Das wüßt ich! / So was kann mich doch nicht jucken.“
Die regelmäßig in den Text eingestreuten Limericks können leider nicht über den holprigen Gesamteindruck hinwegtäuschen. Das ist der Punkt, an dem Spiegelmans Illustrationen das Gedicht entschieden aufwerten. Denn mit ihrem analytischen Blick führen sie den Leser immer ganz nah ans Geschehen heran. Die Dynamik der Zeichnungen lässt dabei nie den Eindruck entstehen, nur einen Teil der Szene, ein Standbild, präsentiert zu bekommen. Hier präsentiert sich Spiegelman eindeutig auch als Erzähler, der es schafft alle 75 Bilder kohärent ineinander fließen zu lassen. Für Queenie hingegen sollen die Dinge lieber auseinanderdriften und sieht in Black die Chance einen neuen Lebensabschnitt ohne Burr zu beginnen. Zwischen den beiden Männern kommt es schließlich zu einem Kampf, an dessen Ende ein Schuss fällt. „Da trat wer die Tür ein: / Es war die Polente.“
Mit „Die wilde Party“ ist Art Spiegelman eine eindrucksvolle Graphic Novel gelungen, deren Bilder jedoch nicht gänzlich über die Schwächen des Textes hinwegtäuschen können. Das scheint auch der Verlag zu wissen, der den Namen des Dichters auf dem Buchcover gleich wegließ, stattdessen aber eine Auswahl von Spiegelmans Skizzenbüchern anhängte.
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Mario Osterland
Prosagedichte
Gespräch
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