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Ostragehege

Ein Ruhepol im Zeitschriftenpool

Zeitschrift für Literatur, Kunst Nr. 49

Ostragehege 49
Ostragehege
Zeitschrift f. Literatur, Kunst 49
Herausgegeben von
Literarische Arena e.V.
c/o Axel Helbig

Ostragehege | Website  externer Link

Der Markt der Literaturzeitschriften ist im deutschsprachigen Raum erfreulicherweise breit gestreut. In diesem Segment überregional hervorzustechen, ist dadurch allerdings schwer. Ostragehege hat genau dieses Potential. In der neusten Ausgabe gelingt es der Dresdner Literaturzeitschrift, Unbekanntes in abbildbare Wirklichkeit zu erheben, und das in unnachahmlicher Fachkenntnis der Reportierenden.

Ostragehege – Zeitschrift für Literatur und Kunst erscheint seit 1994 und mittlerweile in seiner 49. Ausgabe. Das erste Heft des Jahres 2008 ist eine Einladung zum Entdecken. Vor den Neuentdeckungen darf man jedoch wiederentdecken: die Klassiker der Moderne. Zurückgegriffen wird hierbei auf Pirandello. Das überraschende: als Prosaist. Ein absoluter Zugewinn für den Leserhorizont ist auch das Wiederaufleben Pierre Reverdys, dieses »Kopfes voller Schönheiten«.

Ebenfalls entdeckt werden darf Jens Wonneberger. In dem Gespräch zwischen Axel Helbig und dem 1960 geborenen Autor wird dessen gesamtes Werk detailliert und hintergründig behandelt, inklusive der Zeitgeschichte um die Thematik Schreiben vor und nach der Wende, der Diskussion des Schreibens an sich, bis hin zu existenziellen Fragen. Das Feingefühl und die Begeisterung Axel Helbigs für Wonneberger garantieren, dass – trotz des Umfangs des Gesprächs – nirgends etwas zerredet wird.

Die Vorstellung der »Gastautoren« aus Graz ist ebenfalls gelungen, da diese fundiert ausgewählt sind, so dass ein repräsentatives Ergebnis der lebhaften Grazer Literaturszene dargestellt wird, indem Autoren von Anfang 20 bis Ende 60 durch alle Generationen hindurch beleuchtet werden. Herausstechender Text ist hier wohl bild mit mutter von Birgit Pölzl. In houwelandtscher Manier konstruiert sie aus 6 verschiedenen Perspektiven eine überlappende Handlungsschnittmenge, wobei jede einzelne Person noch eine ganz eigene Stimme aufweist.

Der interdisziplinäre kulturelle Anspruch der Zeitschrift wird erfüllt durch präzise Gespräche über die Kunst von Günter Hofmann und über die Kompositionsszene Graz, verkörpert durch Gerd Noack und Christian Scheib.

Die in Ostragehege enthaltenen Rezensionen erlauben einen Blick in die literaturwissenschaftliche Forschung und verdienen eher die Bezeichnung literarische Wertung. Sie stellen eine geballte Intertextualität und literarische Wissensvermittlung bis hin zu Hypertextualität zur Musik und zur bildenden Kunst dar.
    Das Profil dieser Zeitschrift ergibt sich aus der intensiven redaktionellen Arbeit. Zuweilen mag man sich die Frage stellen, ob die Redaktion gegenüber den eigentlichen Texten nicht zu dominant ist und sich mancher Leser daher nicht einen höheren Primäranteil wünscht.

Gesondert zu erwähnen ist die kongeniale intellektuell aufgeladene Stichelrede zwischen Christian Filips und Hendrik Jackson, die sich in ihrem Charakter vom sonstigen Programm der Zeitschrift absetzt. Der nachfolgende surreal-groteske Prosa-Beitrag Im Nachtzug nach Paris von Martin Lechner, der einen mitnimmt auf die Reise durch mehrere Humorstränge, schafft es jedoch aufzulockern und die Ausgangslage wieder herzustellen.

Die Zeitschrift Ostragehege ist ein Ruheraum ohne modisches Zwangsstreben und vermittelt Zeitstille. Diese wird jedoch Ostragehege sicherlich nicht aufhalten, auf die 50 zuzuschreiten.


OSTRAGEHEGE
c/o Axel Helbig
Birkenstraße 16
01328 Dresden
ISSN 0947 – 1286
4,90 EUR

Walter Fabian Schmid, geboren 1983 in Regen, lebt in Bamberg.

Walter Fabian Schmid   26.03.2008

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