Am 30.11 und 01.12.2009 fand im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg ein Symposium zur zeitgenössischen türkischen Literatur statt. Autoren, Verleger, Übersetzer, Journalisten und Literaturveranstalter diskutierten dank der finanziellen Unterstützung der Robert Bosch Stiftung, des Goethe-Instituts und des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst über den aktuellen Stand und die Probleme türkischer Literatur in Deutschland. Nach dem gelungenen Auftritt der Türkei als Gastland der Frankfurter Buchmesse 2008 gilt es, das geweckte Interesse der deutschen Leser an der türkischen Literatur wach zu halten. Zwar erfuhr sie letztes Jahr eine vermehrte Medienaufmerksamkeit, doch jetzt stellt sich die Frage, ob sie ihre Bedeutung beibehalten kann, und wie sie das kann. In erster Linie seien es die Türken selbst, die sich für die Vermittlung und das Lesen ihrer Literatur in Deutschland interessieren, behauptete die Literaturkritikerin und Autorin Dr. Monica Carbe in ihrer Rede über die aktuelle Rezeption der türkischen Literatur. Doch gerade für den deutschen Leser ist die Literatur aus dem „Land der versunkenen Kulturen“ (Sybille Thelen) aufgrund der großen türkischen Gesellschaft in Deutschland spannend. Für die Deutschtürken andererseits ist sie unverzichtbar, um sich der eigenen Geschichte und der Identität zu versichern. Wie Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch in seinem Grußwort betonte, ist sie aber vor allem der Kitt beider Welten, denn „Literatur ist eine der Grundlagen des gegenseitigen Verstehens.“ Ja, vielleicht ist die Literatur sogar der Königsweg, wenn man wissen will, wie ein Land denkt. Und wie denkt ein Land, dessen Erzählungen sich aus dem äußerst kreativen Spannungsverhältnis zwischen anatolischer Tradition, westlichen Denkmustern und vorderasiatischer Mythenwelt speisen? Glücklicherweise ist die Differenziertheit und der Facettenreichtum nicht mehr nur beschränkt auf die bekanntesten Vertreter wie den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, den Friedenspreisträger Yasar Kemal oder den Lyriker Nâzim Hikmet. Die Vielschichtigkeit der zeitgenössischen türkischen Literatur zeigten vor allem die in Bamberg anwesenden Autoren wie Mario Levi, der mit seinem Roman „Istanbul war ein Märchen“ in Deutschland bekannt wurde, sowie der vielseitige Selbstdarsteller Murathan Mungan, ebenso Müge Iplik&ccdil;i mit ihren durchkomponierten Kurzgeschichten und die jüngeren Autoren wie der sprachgewaltige Murat Uyurkulak und die eher lakonische Sebnem Isigüzel Das Symposium war aber nicht nur ein Beitrag zum besseren Verständnis einer anderen Kultur, sondern gab vielmehr den Blick frei auf die dahinterliegenden Strukturen; auf die Produktions- und Schreibbedingungen einerseits und die Bemühungen dem Fremden seine Fremdheit zu nehmen andererseits. Denn Bemühungen, die türkische Literatur zu etablieren, gibt es auch auf deutschsprachiger Seite viele. So stellte etwa der Leiter des Unionsverlages, Lucien Leitess, die „Türkische Bibliothek“ vor, die als Kulturkatalysator bis 2010 zwanzig der wichtigsten Werke des vergangenen Jahrhunderts zugänglich gemacht haben wird. Dass allerdings kein ursprünglich türkischsprachiges Buch auf Deutsch erscheinen kann ohne die wichtige Arbeit eines Übersetzers, dafür sensibilisierten Jürgen Jakob Becker vom Übersetzerfonds des Literarischen Colloquiums Berlin und Barbara Yurtdas, eine der kundigsten Übersetzerinnen türkischsprachiger Literatur. Yurtdas gab Einblicke in die schwierigen Eigenheiten türkischer Übertragungen, bei denen nicht nur eine eigenwillige Sprache, sondern ein gesamter Kulturraum in einen anderen transportiert werden muss. Das geschieht ebenso durch Literaturveranstaltungen. Tomas Friedmann, Leiter des Literaturhauses Salzburg, proklamierte, dass die literarischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für die türkische Literatur sehr gut seien, und sie in Literaturhäusern aufgrund der zahlreichen Anknüpfungspunkte bewusst häufiger vorkomme. Literatur will aber nicht nur diskutiert und verortet werden, sondern vor allen Dingen erlebt werden. Dazu luden die Abendlesungen der Autoren ein, die zeigten, dass die türkische Literatur mit Feuer im Blut vorgetragen wird. Von diesem Elan angesteckt boten die Bamberger Schauspieler Heidi Friedrich und Andreas Ulich mitreißende Interpretationen für die deutschen Zuhörer. Und wenn die Organisation eines Symposiums so reibungsfrei abläuft wie in der Villa Concordia, dann klingen die Worte des Ministers Heubisch, in Anspielung auf den Kabinettsbeschluss vom 6. Oktober, noch vielversprechender: „Bayern war bisher das Schlusslicht in der Literaturförderung in Deutschland. Deshalb habe ich den Etat verdoppelt.“ Werden die zusätzlichen Gelder weiterhin so gewinnbringend eingesetzt, kann sich auch Bayern literarisch glücklich schätzen.
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Walter Fabian
Schmid Bachmannpreis
Gespräch
Bericht
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