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Gerhard Falkner

Ein E-Mail-Gespräch mit WF Schmid
Gerhard Falkner zu den Pergamon Poems
  Gespräch
  Foto: Constantin Lieb
Gerhard Falkner, geboren 1951 in Schwabach, gehört zu den bedeutendsten Dichtern der Gegen­wart. Er ver­öffent­lichte zahlreiche Bücher der verschiedensten Genres, darunter die Gedichtbände wemut, Luchterhand 1989, X-te Person Einzahl, Suhrkamp 1996, Endogene Gedichte, DuMont 2000, Hölderlin Reparatur, Berlin Verlag 2008, die Novelle Bruno, Berlin Verlag 2009, den Thesenband Über den Unwert des Gedichts, Aufbau 1993, und die Theaterstücke Der Quälmeister und Alte Helden, beide DuMont 1998. Bei kookbooks, wo soeben die Pergamon Poems erscheinen, erschien schon 2005 sein Langgedicht Gegensprechstadt – ground zero.
  Falkners Werk wurde unter anderem mit dem Spycher Literaturpreis Leuk, dem Kranichsteiner Literaturpreis, dem Peter-Huchel-Preis und mit dem Preis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Nürnberg aus­gezeichnet.
  Gerhard Falkner lebt in Berlin und Weigendorf.


WF SCHMID: Lieber Gerhard, wie kam es eigentlich zu dem Projekt, dass Du einen ganzen Gedicht­band zum Pergamon­fries schreibst?

GERHARD FALKNER: Die beiden jungen Minimal­film-Fürsten Constantin Lieb und Felix von Böhm erhielten vom Pergamon Museum den Auftrag, fünf Werbe­clips zum Pergamon Fries zu machen. Sicher ahnte dort niemand, dass die beiden auf die Idee verfallen würden, Gedichte als Text zu verwenden.
  Sie fragten mich, ob ich diese Texte schreiben würde. Sie erwischten für diese Frage den vielleicht ungüns­tigs­ten Augen­blick meines Lebens.
  Trotzdem sagte ich zu, im Affekt.
  Dieser Affekt rettete mich wahr­scheinlich vor der totalen Unmöglich­keit, in einem solchen Moment extremster Arbeits­über­lastung Gedichte zu einem der­ma­ßen heraus­fordern­den Thema zu schreiben.
  Im Affekt stecken aber eben auch sehr hohe Ener­gien.
  Die Idee zu einem ganzen Buch ent­stand aller­dings erst, als bei mir dann alle Dämme gebrochen waren.

WF SCHMID: Und was hat dich dann längerfristig an dem Thema interessiert?

GERHARD FALKNER: Alles!
  Wenn Du keine Doktor­arbeit darüber haben möchtest, kann ich Dir nur ein paar Stich­punkte liefern. Da ist zuerst einmal die Unge­heuer­lich­­keit der künst­lerischen Durch­drin­gung und die un­glaub­liche Dyna­mik des Ge­sche­hens unter radi­ka­lem Ver­zicht auf alles Un­wesent­liche. Dann die epische und die akute Breite der Bilderzäh­lung, die den Sieg der hellen und olym­pischen Götter über die rohen und düs­teren Kräf­te der Natur dar­stellt. Die kine­mato­graphi­sche Auf­fas­sung und Wie­der­gabe der Hesiod­schen Götter­auf­stellung, also Breit­wand und Action-Kino, bevor solche Be­griffe überhaupt denkbar waren und wie das aus der Not­wen­dig­keit ent­stand, in einer Geste der Macht und der Reprä­sen­tation dem Volk die gött­liche Urheber­schaft der sieg­reichen Schlacht und ihre Prota­gonis­ten vor­zu­stellen. Durch­aus auch mit den Bezügen, die Peter Weiss in seiner furiosen Eröff­nung der „Ästhe­tik des Wi­der­stands“ dar­gestellt hat, auch wenn ich seiner Argu­men­tation nicht in allen Punkten zu folgen wünsche.

Gerhard Falkner
Pergamon Poems
Gedichte + 5 Clips
kookbooks 2012

  Dann alle Aspekte des leider zur Zeit arg über­stra­pazier­ten kultu­rellen Ge­dächt­nis­ses plus das Thema der Ekphrasis, also der lite­rari­schen Durch­leuchtung bil­den­der Kunst, die uns in den ein­drucks­vollen Bei­spielen Winckel­manns, Hein­ses oder Herders heute kaum noch vertraut ist.
  Weiterhin das Kunstwerk als Speicherplatz von Infor­mation ohne explizite Aus­arbeitung einer Intention.
  Es ließen sich noch viele, vor allem auch intel­lek­tuelle Anreize anführen, wie zum Beispiel die Fragen: Wann wird eine Kunst dekadent? Be­sit­zen wir noch die glaub­hafte Er­kennt­nis­fä­hig­keit bezüg­lich einer Ver­falls­erschei­nung? Besitzen alle kultu­rellen Perioden oder Blüte­zeiten ihre „Post­moderne“, also bei­spiels­weise die Scho­lastik als Post­mo­derne des Mittel­alters? Und warum behält die Laokoon-Gruppe, die ja eben­falls und zeit­gleich in der per­game­sischen Werk­statt enstand und im Alkyoneus des Frieses nahezu iden­tisch vorkommt, während der ge­samten Antike ihre außer­ordent­liche und stets gerühmte Signi­fikanz, wohin­gegen (ich liebe dieses Wort, es erinnert mich an breite, ge­streifte Hosen­träger) der Perga­mon­altar durch die klas­sisch (attisch) orien­tier­ten Römer als helle­nistischer Barock geächtet und ver­drängt wurde?
  Der stärkste Anreiz aber war die Ästhe­tik der Ge­schlech­ter, diese un­über­biet­bare Zuspitzung der männ­lichen und weib­lichen Ideale im agi­erenden Kör­per, die gött­liche Gleich­stel­lung der Göt­tinnen gegen­über den Göttern bei gleich­zei­tiger Aus­dif­feren­zierung der Ge­schlech­ter­rollen.
  Ästhetische Gesichtspunkte haben mich also fast am meisten bewegt und insbe­sondere der Versuch einer die bishe­rigen Beispiele über­windenden Dar­stellung.
  Was nur durch die extreme Belast­barkeit der poeti­schen Form möglich war.

WF SCHMID: Was belastet denn dabei deine Auffassung von der Form so?

GERHARD FALKNER: Die Prosa muss einen Gedanken entwickeln, die Poesie kann ihn setzen.
  Das spart Zeit und Raum und erhöht die empathische Durchschlags­kraft.
  Mir war es wichtig, viel Information zu ver­arbeiten und gleich­zeitig eben jene Leichtig­keit des Textes zu erhalten, die mit dem „Besun­genen“ mit­halten kann. Die Sprache, die ich teil­weise ver­wendet habe, ist keine Anbie­derung an den Jargon der Gegen­wart, sondern das Ergeb­nis von Betrach­tung und Beobachtung. Der Fries birgt zum Beispiel eine enorme Datenmenge. Das sind vor­wiegend politische, mytho­logische, archi­tekto­nische, reli­giöse, histo­rische und vor allem ästhe­tische Daten.
  Es ist eine formale Zu­spitzung nötig, die nur das Gedicht zu leisten ver­mag, ohne dass der Text unter der Last des Mit­teilens­werten zu­sammen­bricht.
  Ich konzen­trierte mich also auf die Haupt­merk­male des Altars, seine Dynamik und seine kinema­tographische Dar­stel­lung und Ausfaltung, (Breit­wand im wahrsten Sinne des Wortes), seine schlacken­lose Erzäh­lung und seine binäre Konzep­tion: Männer und Frauen, Götter und Gi­ganten, Sieger und Be­siegte.
  Ich versuchte mich auf das zu Konzen­trie­ren, was in der Flut der bis­herigen Lite­ratur nicht erscheint oder keine Rolle spielte, denn ich wollte nicht, auch nicht mit anderen Worten, das sagen, was man eh schon weiß, wenn man es denn weiß. Mir ging es um die mit anderen Augen les­baren neuen Codes.
  Auch die Formel des Rock 'n' Roll ist überhaupt nicht weit her­geholt oder zeit­geistig geschmäck­lerisch, sondern impli­ziert Tanz, Moder­nität und Artistik. In ihr stecken Stein und Voranstürmen, das Abrollen einer gigan­tischen Insze­nierung. Kino. Das habe ich versucht mit den Mitteln for­maler Aleatorik: lyrisches Spiel, Collage, Jam­bus, erha­benem epi­gramma­tischen Duktus mit ge­zielten Ab­sackern und auch den berauschten Passagen einer stürmischen Ekphrasis nachzudichten.

WF SCHMID: Schon ein bisschen viel Kontext- und Ästhetiküberschuss, oder? Und dann auch noch die theoretisch überanstrengte Intermedialität, das pompöse, antike Dokumentarkino erst in Text umzuwandeln, der dann durch die Clips zu einem mini­malis­tischen Film wird …

GERHARD FALKNER: Die Frage ist brisant gestellt, be­in­haltet aber wenig Diskutables. Was meinst Du denn mit Kon­text- und Ästhetik­über­schuss und im Verhältnis wozu? Im Verhältnis zum Anlass, zu meiner Antwort auf Deine Frage, oder zum prä-normierten Bedeutungs­umfang der Sache durch die innere Ver­fasst­heit des Frage­stellers.
  Den zweiten Teil der Frage finde ich leider etwas begriffs­stutzig: Das pompöse antike Dokumentarkino wäre ja, falls mich nicht alle guten Geister verlassen haben, der Altar. Über den zu diskutieren mangelt es uns an Anlass und mir an Ver­mes­sen­heit. Diesen in einem Text darzustellen war meine (vertrag­liche) Aufgabe. Dass daraus die Clips entstanden, die ja in keine mini­malis­tischen Filme umge­wandelt wurden, sondern dieses Konzept sehr über­zeugend bereits in sich trugen, war eine durch den Auftrag der SMB vor­gege­bene Reihen­folge, der Museums­werbung zum Ziel hatte.
  Der theoretisch über­anstrengten Inter­medialität entspräche hier eine rhe­to­risch über­an­strengte, nar­ziss­tisch geprägte Kon­fron­tations-Orna­mentik.
Or does my bird sing the wrong tune?

WF SCHMID: Dein Vogel pfeift in der Tonalität, in der Du ihn lässt.
  Aber wenn Du mir schon nichts über Deine Meinung zur Intermedialität zwitschern willst (deren Theorie aus Sicht des Frage­stellers ja eh über­anstrengt wird und ihn in seinem Narzissmus wahrscheinlich eh nicht juckt) – wie schauts denn mit dem Thema Auftrags­arbeit aus? Das klingt da oben fast ein wenig nach Korsett. War dem so? Bist am End des­wegen so aggro?

GERHARD FALKNER: Lieber WFS,
  sehr gerne würde ich Dir über Intermedialität und mein skeptisches Verhältnis ihr gegenüber Auskunft geben, wenn Du die Frage präzisierst.
  Was aggro heißt weiß ich nicht.
  Die Frage aber nach der Auftragsarbeit finde ich interessant. Gedichte als Auftragsarbeit in einem respektablen Sinne sind ja eher selten.
  In diesem Fall bedeutete Auftragsarbeit zwei Restrik­tionen, erstens: Die Texte mussten den Namen der ange­sprochenen Szenen bzw. Gott­heiten bein­halten, damit sie wegen der beab­sichtigten vir­tuellen Führung durch das Pergamon Museum zuordenbar sind, und zweitens: Sie mussten in einem 2-Minuten-Clip leger unter­zubringen sein.
  Dichterisch gesprochen war das ein bisschen die Versuchs­anordnung, wie lange man unter Wasser die Luft anhalten kann.
  Aber da war dann die innere Bestimmung des Korsetts, nämlich die des Speck-Wegnehmens, gar nicht so schlecht. Ich fühlte mich ein bisschen wie der Dompteur des hauseigenen Löwens. Löwe. Plus Genitiv.

WF SCHMID: Ich find ja das Rezeptions­potential des Buches zwischen Gedicht­band und Aus­stel­lungs­katalog spannend. Wenn wir mal nur vom Text ohne seine Funk­tion inner­halb der Aus­stel­lung ausgehen: Siehst Du, in Hin­blick auf Deine Dich­tung, das Buch wider­spruchs­frei als Gedichtband?

GERHARD FALKNER: Ich höre es bei Dir zwischen den Zeilen immer ein bisschen knistern und knirschen.
  Wir haben in Deiner Frage weder die Priorität, das Sujet oder Genre, noch die Reihenfolge erfasst. Ausstellungskatalog passt wirklich gar nicht. Zwar gibt oder gab es gerade diese „Ausstellungen“ zu diesem Thema, das Panorama von Asisi und die Zusatzausstellung „Pergamon“ im Nord­flüge, die sind aber nicht Gegen­stand der Texte. Der Fries ist nicht (oder nur über um­ständ­liche Begriff­lich­keiten) eine Aus­stellung, sondern er erscheint als ein zen­trales Kunst­werk der Kunst­geschichte, wie etwa der Kodex des Hammurabi, das baby­lonische Ischtartor oder das Markttor von Milet.
  Die Texte sind nicht ausstellungs­bezogen, sondern penetrant und immanent auf die Gigantomachie.
  Sie sind ent­standen, ich wiederhole das, als Texte zu Video-Clips, die das Museum für Werbe­zwecke bei Bboxx-Filme in Auf­trag gab. Sie mussten eine gewisse Verständlichkeit aufweisen, ohne vor den Weich­spül­verfahren der Werbe­branche in die Knie zu gehen.
  Dass wir das erreicht haben, zeigt der Erfolg, zu dem wesent­lich die beiden Filme­macher beigetragen haben. Die Aufrufe, wenn man Youtube und die Platt­formen des Per­gamon Museums zusammen­nimmt, gehen bereits in die Zehn­tausende.
  Wann hat Lyrik zuletzt so etwas erreicht?
  Der wunderbare Artikel von Gustav Seibt in der SZ war ja nur der Startschuss. Die Filme werden demnächst auf der Agora in Athen gezeigt, sind prominent am Er­öff­nungs­abend des ILB nach der Rede von Liao Yiwu platziert und stehen im nächsten Semester in Harvard auf dem Vor­lesungs­plan. Das Pergamon Museum hat auf Grund des Erfolgs sogar den Kino Trailer in den Ber­liner Kinos ein zweites Mal auf­genommen. Wir haben damit den Beweis geliefert, dass auch kom­plexe und poetische Texte als Werbung (die das permanent leugnet), funktionieren können.
 Erst wenn diese Gedanken alle bedacht und abge­handelt sind, dann kommt der Gedicht­band.
  Ich hatte zuerst auch die Bedenken, O Gott, ent­täusche ich mit dieser etwas leichteren Zugäng­lich­keit das kleine Häuflein Einge­schwo­rener, das jede Bühne stürmt, die sich da­rauf einlässt, als leeres Haus zu enden.
  Und dann, ja natürlich sehe ich das Buch schluss­endlich, nachdem ich es auf einen ent­sprechenden Umfang erwei­tern konnte, als Gedicht­band. Als was sonst.
  Nachdem ich es geschafft habe, dass praktisch jeder meiner Gedicht­bände sehr unter­schiedlich ist, gibt es somit einen neuen, der dieses Kriterium ebenfalls erfüllt. Und auch der nächste, der in Arbeit ist, wird dies wieder in einer sehr anderen Weise und dann auch wieder formal komple­xeren Weise sein.
  Ob widerspruchs­frei, das würde ich auch da mit Vergnügen nicht garan­tieren.

WF SCHMID: Erfolg (der vielleicht selbst auf Werbe­strategien basiert?) begründet zwar die Frage nicht, aber genau an deine stetige Neu­erfindung dachte ich, als ich die Frage formu­lierte.
  Ein bisschen was wollte ich dann doch noch zu den Clips wissen: Die ver­setzen dich ja auch in die Rolle eine Drama­tikers, der alles weitere dem Regisseur über­lassen muss. Das Problem aus meiner Sicht ist zwar zum einen die Stei­gerung der Ex­pres­sivität und der Sugges­tivität durch die Clips; zum anderen aber ein Ver­lust an Komplexität – und damit meine ich, dass eine einzelne Inter­preta­tion immer restriktiv ist gegen­über weiteren Inter­preta­tions­mög­lich­keiten. Wo siehst Du die Vor- und Nach­teile?

GERHARD FALKNER: Lieber WFS, das ist jetzt aber eine ziemlich groß­kalibrige philosophische Frage (und zwar teleologisch wie heuristisch): Wer macht womit weiter, wie und mit welchem Ziel? Wie sicher ist ein Text vor seiner inadä­quaten Verwendung? Fast würde ich sagen, man kann sich seinen Mörder nicht aussuchen. In dieser Sukzession hat die Lyrik von Haus aus schlechte Karten, jedenfalls in neuester Zeit. Wenn ein Schubert sie findet und daraus Lieder macht, hat sie Glück gehabt. Die Bild vor Wort Dominanz hingegen unterjocht sie geradezu pornografisch. So nach der Art: Leck mir die Stiefel. Oder, anderes Beispiel, ist ein Libretto einmal in eine falsche Oper verwandelt worden, dann ist es aus damit.
  Weitere Inter­pretations­möglich­keiten ergeben sich dummerweise erst dann wieder, wenn die engeren, zeitnahen Inter­pretationen verloren gegangen sind. Das ist es, was Goethe gemeint hat, als er sagte, etwas, das einmal Wirkung getan hat, kann eigentlich gar nicht mehr wirklich beurteilt werden.
  Auch den zweiten Teil der Frage finde ich sehr wichtig, in wieweit sperrt eine „Interpretation“ des Textes diesen für andere (Interpretation). Die Vor und Nachteile liegen auf der Hand.
  Im Falle der Pergamon Poems finde ich die Lösung kongenial, wozu neben der filmi­schen Konzep­tion entscheidend auch die Leis­tungen der Schau­spieler bei­tragen.
  Allerdings sind meine Gedichte, besonders die unvertonten, jetzt schon sehr festgelegt auf ihre Er­haben­heits­brüche im Gestus einer sehr gelas­senen Vor­trags­weise. Der maxima­listi­sche Ansatz ebenso wie die ironische und gelegentlich auch hektische Inschwung­nahme der Figuren kommt auf Grund der mini­malis­tischen Forma­tierung vielleicht manchmal zu kurz.

WF SCHMID: Da gibst du aber (unbewusst?) auch gut Verweise zu den Gedichten selbst. Also jetzt hier die Oper, die keinen geringen Platz einnimmt, und weiter oben natürlich das Kino des Frieses, der in den Gedichten immer in Bewegung ist. Wie wichtig ist Dir eigentlich das jetzt­zeitliche surrounding der Texte wie etwa auch der Klingeltondownload oder die Frage nach den Gigabyte des Frieses?
  Das trägt ja auch nicht wenig zu den Brüchen bei. Da fällt mir aber grad noch auf, dass das ja auch für die Mar­kierung des Rezeptio­nisten-Blick­winkels der Texte sorgt. Was war deine primäre Absicht mit dem „surrounding“?

GERHARD FALKNER: Mir ist das sehr wichtig, denn nur dadurch lässt sich erhalten, was Dich­tung durch alle Zeiten hindurch bestands­fähig gemacht hat.
  Den Löwen von gestern füttern mit den Ga­zellen von heute. Ottos Mops kotzt hat uns zwar alle amü­siert, aber wir möchten es ja nach allem, was sich bis dahin in der und durch die Dichtung bewegt hat, auch nicht dabei be­wenden lassen. Schließ­lich hatten die Deutsch­lehrer 30 Jahre lang ihren Spaß damit.
  Ich jedenfalls ziele eher auf die Einge­weide, das Gehirn jetzt mal dazu­gezählt. Mir sind sublime und aura­tische Zugänge zur Sprache wichtig, die müssen aber durch zeit­gemäße Verfahren und Voka­bularien immer neu er­schlossen werden. Es muss aus der Hüfte kommen und ins Schwar­ze treffen.
  Alles Basteln in der Literatur ist mir ein Gräuel.
  Zur Zeit arbeite ich an einem Gedicht­band, der „Schorf­heide“ heißen wird. Im Unter­titel: „Verland­schaft­lichung von Libellen, neuro­logi­schem Gras und Denk­mo­del­len.“
  Da komme ich dann noch mal aus einer ganz anderen Ecke, indem ich ver­suchen werde, Natur­gedichte auf ihre Diskurs­belast­bar­keit zu prüfen, und sie trotzdem so aussehen zu lassen, wie Kirchen­lieder.

WF SCHMID: Herzlichen Dank, lieber GF!

Walter Fabian Schmid    10.08.2012   

 

 
Walter Fabian Schmid
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