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Décio Bettencourt Mateus *1967
Décio Bettencourt Mateus Décio Bettencourt Mateus ist Geophysiker, schreibt jedoch auch Gedichte und hat bis jetzt vier Bände vorgelegt: A fúria do mar (Die Wut des Meeres, 2003); Os meus pés descalços (Meine bloßen Füße, 2006); Xé Candongueiro (Hey, Candongueiro, 2009); Gente de mulher (2011). Das Gedicht „Der Candongueiro“ ist aus dem ersten Band und typisch für sein poetisches Anliegen. Der Candongueiro ist ein Minibus, der als Taxi dient: und nicht nur in Luanda, sondern in ganz Angola ein Begriff ist. Diese meistens ziemlich alten, blauen Toyota Hiace-Busse sind oft das einzige Transportmittel, das es gibt, um sich in der Stadt oder auf dem Land von einem Ort zum anderen bewegen zu können. Im Candongueiro trifft man nicht nur aufeinander, man kommt auch überall herum und vor allem hört man Musik. Es gibt kaum einen Fahrer, der die Titel und Sänger im Radio oder auf dem CD nicht kennt und man kann ihre Beliebtheit an der Frequenz, mit der sie im Candongueiro gespielt und kommentiert werden, erkennen. Die klassische Dimension dieses Transportmittels wird vom Dichter noch dadurch erhöht, dass er sein Gedicht als „Lied an Júpiter“ einordnet, ein Lied für die oberste Gottheit der Römer. Die tägliche Fahrt im Candongueiro hat eine solche Bedeutung, dass Mateus seinen dritten Band sogar Xé Candongueiro (2009) genannt hat. Der Candongueiro bestimmt ja die Mobilität im Alltag und die Musik, die „nervt“ und „dröhnt“, beflügelt in Wirklichkeit die Gemüter. Diese Bezugnahme auf den Alltag der Bevölkerung ist generell Thema von Mateus' Gedichten: er unterhält auch einen Blog – mulembeira.blogspot –, in dem er seine Gedichte vorstellt. Eine Musikrichtung, die man im Minibus in Angola sehr oft hört, ist die Kuduro-Musik. Stefanie Alisch und Nadine Siegert haben dazu einen informativen Artikel ins Internet gestellt (norient.com). Die „kuduristas“ liebäugeln mit der neureichen Kultur und zelebrieren Körperbewegungen, die sie als typisch angolanisch verstehen und an denen auch Frauen teilhaben – die Sängerin Própria Lixa war jahrelang die bestverkaufte Kuduro- Décio Bettencourt Mateus ist jedoch Dichter. Er singt oder spielt nicht, sondern er komponiert Literatur. In „Der Candongueiro“ verliebt das lyrische Ich sich in eine unbekannte Frau, die Glória heißt. Das Wichtige an dieser Frau ist, dass diese Begegnung im Candongueiro stattfindet. Ihr rhythmischer Minikosmos wird in den vorliegenden neun Sextetten mit Kreuzreimen wiedergegeben und so entsteht der Eindruck, dass der Kontakt mit den Menschen im Minibus – trotz allem Stress – so wohltut, dass man sich ständig neu in ihnen verlieben muss. Diese ständig wiederkehrende Gefühlsäußerung findet man auch in anderen Gedichten von Décio Bettencourt Mateus. Er beschäftigt sich mit Menschen, die sich im Zwischenbereich zwischen Legalität und Illegalität aufhalten. „Candonga“ bedeutet ja im Portugiesischen auch „Schmuggel“ oder „Schwarzmarkt“. Straßenverkäufer, Händler oder Dichter, der Candongueiro ist eine Metapher für die Nähe zu den Menschen, die überall auf den Straßen Luandas anzutreffen sind. Ineke Phaf-Rheinberger Zum deutschen Text von Décio Bettencourt Mateus 24.11.2012 |
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