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Ineke Phaf-Rheinberger
PITANGAS, Kostproben aus der heutigen Literatur Angolas (1) Ein sehenswerter Film des jungen angolanischen Autors und Regisseurs Ondjaki hat den Titel: Hoffentlich werden Pitangas blühen (Oxalá cresçam pitangas, 2011). Die knallroten, kirschenähnlichen Pitanga-Früchte wachsen auf einem Strauch, der in vielen tropischen Ländern heimisch ist, so wie auch in der Stadt Luanda, über die dieser Film handelt. Mit den Stimmen von zehn Personen wird eine Geschichte zusammengestellt, die versucht, einen Eindruck verschiedener Lebenssituationen zu vermitteln. Luanda ist die Hauptstadt Angolas, voller junger Leute, eine Stadt im Bauboom, in der tiefe Armut sich mit schnell erworbenem Reichtum abwechselt. Luanda ist auch eine Stadt, in der Besuche von Präsidenten, Regierungsdelegationen oder anderen offiziellen Vertretungen vieler Länder der Welt an der Tagesordnung sind. Der materielle Reichtum des Landes hat sich herumgesprochen, der kulturelle Reichtum weniger. Mit der folgenden Serie von zehn Pitangas geht es mir darum, dem Wirken des Schriftstellerverbandes (UEA) nachzuspüren, der am 10. Dezember 1975 in Luanda gegründet wurde. Er hat seinen Sitz in einer Villa im Largo das Escola, einem Stadtviertel, in dem sich verschiedene bekannte Schulen sowie auch die zentrale Busstation befinden. Agostinho Neto, der erste Präsident der Republik – die damals erst seit einem Monat existierte (seit dem 11. November) – gründete die UEA zusammen mit 48 anderen Schriftstellern, von denen heute auch Boaventura Cardoso, Ruy Duarte de Carvalho, António Jacinto, João Melo, Maria Eugenia Neto, Pepetela, Manuel Rui, José Luandino Vieira oder Uahenga Xitu international wahrgenommen werden. Auch jüngere ins Deutsche übersetzte Autoren, wie José Eduardo Agualusa, Ana Paula Tavares und Ondjaki selbst sind Mitglieder der UEA, obwohl sie im Ausland leben. Die UEA wirkt als dynamischer Magnet, wo Autoren und Besucher sich vorstellen und neu aufgenommene Mitglieder ihren Einstand feiern. Der Verband publiziert eine Zeitschrift: Maka. Revista de Literatura & Artes, von der anlässlich seines 35-jährigen Bestehens die erste Nummer erschienen ist. Herausgegeben wird sie von dem herausragenden Anthropologen und früheren Vizeminister für Kultur Virgílio Coelho, heute hauptberuflich Verleger des renommierten Kilombelombe- Wenn es irgendwo in Angola einen Ort gibt, in dem über vergangene Ereignisse und die eigene Geschichte disputiert wird, dann ist es die Literatur. Davon sollte in den zehn Pitangas, die der Poetenladen in diesem Jahr publizieren wird, ein Eindruck vermittelt werden. Es geht dabei nicht um eine Auswahl der wichtigsten Vertreter der Literatur Angolas; dazu wäre dieser Rahmen viel zu klein. Es geht um eine Auswahl von Texten, die einige bis jetzt noch nicht ins Deutsche übersetzte Autoren und Autorinnen vorstellt. Sie streifen unterschiedliche Themen und literarische Genres, die Neugier auf weitere Lektüren erwecken sollen. Nur bei diesem ersten Text wird von dieser Regel abgewichen, denn es geht um Agostinho Neto (1922-1979). Zwar wurde seine Poesie in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts schon ins Deutsche übersetzt, diese Übersetzungen betonten jedoch vor allem die Beziehung seiner Dichtung zum politischen Gedankengut. In dieser Pitanga geht es jedoch nicht um Neto als ersten Präsidenten seines Landes, sondern um den Poeten, der seine „einzige Landschaft“ besingt, begleitet von der quissanje, einem Lamellophon, das typisch ist für die musikalische Kimbundu-Tradition und das anderswo, z.B. in der Shona-Sprache Mozambiks und Zimbabwes, mbira heisst. Neto vermittelt die Träume der jungen Intellektuellen seines Landes und vermerkt auch, dass er nicht zu dieser „anderen Jugend“ gehört, das heißt zu der paramilitärischen portugiesischen Jugendorganisation „Mocidade Portuguesa“, die der Konsolidierung der Kolonialmacht diente. „Ja in jedem Gedicht“ (1959) ist ein relativ unbekanntes Werk von Agostinho Neto, das erst 2011 in eine Anthologie aufgenommen wurde. Es zeigt jedoch beispielhaft, wie sehr die „Sagrada Esperança“ (Heilige Hoffnung), Titel der Ausgabe des Gesamtwerks von Netos poetischer Produktion, von Brüchen, Rissen und Zweifeln geprägt ist. In den folgenden neun Pitangas, die jeden Monat veröffentlicht werden, geht es um Themen wie die Guerilla, die kulturelle Vielfalt Angolas mit seinen vielen verschiedenen Sprachen, experimentelle Poesie, Jugendkultur, Autorinnen, Stadtkultur und vor allem um Parodien auf den heutigen Konsumdrang. Unterstützt und begleitet wird diese Serie von Barbara Mesquita, der Übersetzerin von Pepetela, die alle literarischen Texte ins Deutsche übertragen wird, sowie von der UEA und dem Goethe- Ineke Phaf-Rheinberger Humboldt-Universität zu Berlin Quellen:
01.02.2012 |
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poetenladen | Blumenstraße 25 | 04155 Leipzig | Germany
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virtueller raum für dichtung
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