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Jürgen Buchmann

Memoiren eines Münsterländer Mastschweins

Schweinesk

Kurzkritik
  Jürgen Buchmann
Memoiren eines Münsterländer Mastschweins
freiraum-verlag
Greifswald 2012

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Durch die Augen eines sprachmächtigen Schweines kommt die Welt in ihrer sprach­lichen Ver­fasst­heit ins Schillern.
  Jürgen Buchmann lässt uns an den Lehr- und Wander­jahren eines solchen Tieres, das letztlich das Tierische hin zum Humanen verlassen hat, teil­haben und lässt uns mit jenem jugend­lichen Eber eine der letzten Grenzen, die zwischen Tier und Mensch, überwinden. Im Grunde löst er so ein Ver­sprechen der Humanitas und der Auf­klärung ein, nach dem letztlich jedes vernunftbegabte Wesen dem Kate­gori­schen Imperativ unter­liegt.
  Buchmanns Text ist dabei mehr als eine Fabel, weil er sich nicht damit begnügt, einem Tier mensch­liche Charak­ter­eigen­schaf­ten zu unter­stellen, an die es starr ge­bun­den ist, sondern im Grunde auf wenigen Seiten einen Ent­wick­lungs­roman ent­wirft, dessen Held nunmal ein Schwein ist, das von einem un­erbitt­li­chen Onkel in Deutsch und Latein unter­wie­sen wurde, nicht ohne auf Fehler hin mit aller Macht ins Schweini­sche zurück­geworfen zu werden.
  Das Erlernen der Sprache als zivili­sato­rischer Prozess ist eben gepaart mit einem unzi­vili­sierten Straf­verhalten. Wer kennt solche Situa­tionen nicht aus eigenem Erleben: „Ich war jedoch kaum über mensá-grunz! und menáe-grunz! hinaus­gekom­men, als mich der samsoni­tische Zement­sack seiner Kinn­backen traf und mich auf quie­kendem, vier­beinig strampeln­dem Flug in den Morast der nahe­gelegenen Suhle beför­derte.“
  Und wer will es einem fühlenden Wesen verübeln, wenn es aus dieser Um­klam­merung von Schwei­nen und Latein­drill das Weite sucht? Als Bauer ver­klei­det gelingt dem Helden die Flucht. Aber der Weg durch die Menschen­welt hält für ein Jung­schwein, auch für ein ver­kleidetes, allerlei Gefahren bereit.
  Das alles hier von mir eher launig Dar­gestell­te wird aller­dings einem Buch­mann­text nicht gerecht. Buchmann ent­wickelt die Geschichte vor dem Hin­ter­grund seiner Sprach­liebe, und die redu­ziert sich weiß Gott nicht auf eine Nei­gung zum Lateini­schen. Dem Schwein als dem Frem­den wird eine etwas geküns­telte, weil über­nom­mene oder gelernte Sprache ver­liehen, in seinem Weg durch die münster­länder Welt aber trifft es auf Ungarisch, Französisch, Akzen­te und Dialekte, und natürlich auf Hoch­deutsch in den ver­schie­densten sozia­len Aus­for­mun­gen. Eine durch Sprache struk­turierte Welt eben, die ihre eigene Bild­lichkeit entfaltet.
  Der Buchmannfreund wird dieses im neuen Greifs­walder freiraum-verlag er­schie­nene Büch­lein sehr mögen, aber auch allen Anderen sei es anempfohlen.

 

Jan Kuhlbrodt    07.05.2012   

 

 
Jan Kuhlbrodt
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