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Florian VoßIn Flip-Flops nach ArmageddonHölle. Ankunftshalle Kritik
Ich habe sehnsuchtsvoll aber auch ein wenig ängstlich auf das Buch gewartet, die Texte kannte ich bereits aus den Fahnen, aber ich war gespannt auf die Illustrationen, die noch nicht fertig waren, als der Verlag mir die Fahnen schickte. Heute war das Buch im Postkasten (endlich) und ich war erstaunt. Nicht dass ich mir im Vorfeld eine genaue Vorstellung hätte machen können von dem, was mich erwarten würde (Düsternis) und die sich jetzt bestätigte oder eben nicht, vielmehr war ich eben gespannt darauf, wie Marina Friedrich die düsteren Sujets in Voss' Texten visuell interpretieren würde. Welche Abstufungen von Schwarz es geben würde. Es ist der Illustratorin gelungen, den Texten einen heiteren Anstrich zu verleihen, ohne den Vossschen Pessimismus zu verwischen. Also fast eine Quadratur des Kreises. Aber die machen den Humor sichtbar, der in diesen Texten steckt (innewohnt ist vielleicht der bessere Ausdruck, denn eigentlich versteckt er sich nicht), und den man sich durch die Bitterkeit hindurch erschließen muss. Im Mittelbild drängt eine Menge wasserköpfiger Gestalten in den Vordergrund, halb entschlossen halb frustriert und verschiebt dabei das Gefüge der Stadt, das ein totes ist (Mauern, Autos) das im Kosmos des Bandes gleichfalls das Weltgefüge ist, und wenn es erwacht, bevölkern es Freaks. Neukölln als Zentrum und Hölle, wie jede deutsche Kleinstadt auch, das Zentrum Berlins, metropolenfern, das ein desillusionierter Dante durchstreift. Der Leser wird umsonst nach den Resten von Versöhnung sorgen, die Autoren sonst so gern im Rinnstein ansiedeln. An diesen Kanten rinnt Abfall. Mit In Flip Flops nach Armageddon legt Florian Voß also seinen neuen Gedichtband vor, den zweiten im Verlagshaus J. Frank. Und dieser Band ist bevölkert mit allem, was die zeitgenössische, medial gefilterte Hölle bevölkern könnte. Mir sind einige Verse aus Voss' in der Lyrikedition erschienen Bänden noch im Kopf, Verse wie diese: Dieser Verschossene Tag der Himmel ist eine Palette falsch gemischter Farben. Naja immerhin Farben, wenn auch falsch gemischt. Immerhin geht der Weg dran vorbei wie an einem Ausweg aus dem Pessimismus. Aber was in vergangenen Bänden nur Anstrich war, gibt in diesem eine manifeste Kulisse. Wird beweglich dann und Raum für einen furiosen Danteismus. Allerdings einen, der ohne Himmel auskommt, dessen Heerscharen als Versehrte in die Hölle eingegangen sind, oder sie hat sich ausgebreitet zur Allgegenwart. Und wir standen in der Hölle das war die Fußgängerzone der Stadt Kassel. In seinem neuen Band hat Florian Voss sich also neu aufgestellt. Das heißt nicht, dass er seinen Pessimismus überwunden hätte, sondern er hat ihn vielmehr perfektioniert, aus seinem Pessimismus eine Welt gebaut. Ähnlich dem Sphärenmodell Dantes, durch das der Renaissancedichter seinen Helden stolpern ließ, hat Voss in seine Höllenstudio als Berliner Republik nachgebaut, nur eben jenen Himmel hat er weggelassen. Und er begegnet dem Versehrten, Kranken, Todgeweihten. Engel mit Krebsgeschwüren unter den Augen und Stammes-Tätowierungen auf den Flügeln Aber als gelernte Dialektiker können wir darin die Zuversicht erkennen. (Der Autor möge mir diesen versöhnlichen Schluss nachsehen.)
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Jan Kuhlbrodt
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