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George Oppen

die rohstoffe

Über George Oppen und den Band die rohstoffe

Kritik
  George Oppen
die rohstoffe
Gedichte, zweisprachig
Mit einem Nachwort von Paul Auster
Übersetzung: Norbert Lange
luxbooks 2012
147 Seiten, 22 Euro


„Und die Welt veränderte sich
Es hatte Bäume und Menschen gegeben
Wege und Straßen ...“
Überleben: Infanterie
George Oppen

Wir kommen langsam ans Ende mit der Durchsicht der Schätze des Früh­jahrs. Und weiß Gott waren da Schätze darunter. Sie lagen wie Braunkohle kurz unter der Oberfläche und ihre Gruben sind weithin sichtbar für jeden. Im Grunde brauchte man nur zugreifen und hielt ein Buch in der Hand, dessen Lek­türe sich lohnte. Es wäre müßig; Namen zu nennen, denn die Liste ist lang. Über viele der Bücher ist bereits geschrieben worden, über viele aber auch nicht. Doch wir werden uns beflei­ßigen, nicht allzu viele und große Lücken zu lassen.

Eine, die es nach meiner Meinung jetzt, gleich und sofort zu schließen gilt, ist die Oppen­lücke. Im verdienstvollen Wiesbadener Verlag Luxbooks erschien ein zwei­spra­chiger Band unter dem Titel The Materials / Die Roh­stoffe. Das Original ist 1962 im Ver­lag New Directions in New York erschienen. Oppen lebte von 1908 bis 1984 und gehörte zu den Objektivists, die in der ameri­kanische Literatur von nicht gerin­gem Einfluss waren, und es wäre fatal, würden wir uns diesem Einfluss heute nicht aussetzen.

Es ist mir schon klar, dass die amerikanische Dichtung einen Kontinent darstellt, den zu Fuß zu durchwandern ein ganzes Leben in An­spruch nähme. Und die Reise­geschwin­dig­keit des Lesers kommt nun mal der eines Spazier­gängers gleich, denn er will ja was sehen. Und dann trifft er bei der Wan­derung auf folgenden Text:

„... Wir sahen den Samen
Den winzigen Mammutbaumsamen
Im Museum neben der riesengroßen Scheibe
Vom Baum. Und dachten uns den Samen
In Erde und den Wuchs beschleunigt
Dass wir den Samen ausgreifen sahen, gewaltsam
Welt durch sich gezwungen in Borke, das Grün
der Nadeln des Redwood, bis der Baum
Vor uns stand im Raum ohne Erde – ...“

Es handelt sich hier um einen Auszug aus dem Gedicht: Return in der Übersetzung Norbert Langes unter dem Titel Heimkehr. Abgesehen davon, dass ich persönlich sofort anspringe, wenn irgend­wo von Redwoods die Rede ist, weil diese Lebensform trotz ihrer Größe ein biblisches Alter erreichen kann, und weil es derartige Bäume in den Gärten meiner europäischen Verwandten nicht gibt, überraschte mich das Auftreten eines dieser Bäume, wenn auch als Same und Scheibe, in einem Text Oppens neben all den Maschinen und Kanälen, die die Texte sonst durchziehen
.
Es ist ein längeres Gedicht, länger als alle anderen Gedichte im Band und mir scheint hier etwas von Oppens Poetologie zu stecken, eben weil er sich hier den Raum gibt und das sonst Momenthafte in einen mehr oder weniger zeitlosen Kontext stellt. Angesichts dieses Textes erscheinen die anderen als eine Art Quickshot des Gedankens und der Entwicklung.
Und in dem Text Vulkan heißt es dann auch:
„Auf dem Weg nach draußen ist der Hausbesitzer
Kurz verloren in der Knochenkälte“

Vielleicht sind das die beiden Pole Oppenscher Dichtung, der kurze Kälteschock angesichts ewiger Mammut­bäume. Aber auch diese Position wird eine vor­über­gehende sein. Auf­gehoben findet sie sich im Gedicht: An die Erin­nerung am Ende des Bandes:
„Alles Existierende ist
Dein Besitz. Und in den Höhlen deines Schlafes
Lebt es in unserem fortdauernden Morgen.“

„Oppen ist ein trüge­risch einfacher Dichter. Will man sein Werk lesen, ist man gezwungen, es gleichsam zu erlernen“, schreibt Paul Auster in seinem Nachwort. Und dieses Erlernen ist mit einer wieder­holten und wieder­holenden Lektüre verbunden. die rohstoffe sind kein Buch, das man so einfach zur Seite legt. Auch und vor allem, weil diese Art des Lernens Spaß macht.

 

Jan Kuhlbrodt    02.06.2012   

 

 
Jan Kuhlbrodt
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