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Georg HeymIch bin von dem grauen Elend zerfressenZu Georg Heym: Ich bin von dem grauen Elend zerfressen Kritik
Wäre man böse, könnte man sagen, dass Georg Heym, wäre er nicht 1912 beim Eislaufen eingebrochen und ertrunken, vielleicht ein paar Jahre später vor Verdun gefallen oder am deutschen Kampfgas erstickt wäre, das der Wind vom Westen zurückgetrieben hatte, den verursachern direkt in die Lunge, aber das ist Spekulation. Heym ist beim Eislaufen eingebrochen und ertrunken, und zwar zwei Jahre bevor der erste Weltkrieg angezettelt worden war und Europa zum ersten Mal in diesem vergangenen Jahrhundert in Schutt und Asche legte. Florian Voß, der neue Herausgeber der Lyrikedition 2000, legt zum Start seiner Tätigkeit den Band „Ich bin vom Elend ganz zerfressen“ vor, in dem ca. „30 Dichterinnen und Dichter der jüngeren und jüngsten Generation in einen Dialog mit ihm (Heym)“ treten. Den Beiträgen dieser Autorinnen und Autoren, sind die Gedichte Heyms beigegeben, auf die die Autorinnen und Autoren sich beziehen. Geht man nach diesem Bändchen, so entsteht kein einheitliches Heymbild, und seine Dichtung schillert in den verschiedensten Farben und Tönen, von depressiv bis hoch ironisch, von zutiefst privat bis historisch politisch. Und vielleicht ist es das Glück dieses Autors, dass er von der Literaturgeschichte eher stiefmütterlich behandelt wurde, und eine Gesamtausgabe seines Werkes in den Sechzigerjahren unvollendet blieb. Die bei Ellermann 1964 erschienene Ausgabe bietet in ihrem ersten Band Gedichte und Gedichtfragmente, die kaum über einen Kamm zu scheren sind, die Auseinandersetzungen mit Literatur und mit Literaturgeschichte bieten, aber auch mit der stupiden Situation in einem Preußischen Grundbuchamt. Und jeder der auf Heymtexte bezugnehmenden Zeitgenossen von heute findet eine Nuance, an der er sich abarbeiten kann, oder wird von dem Ton, des an der Schwelle zur Moderne stehenden jungen Dichters eingefangen. Denn man kann schon ein wenig neidisch werden, wenn man liest, wie leicht und souverän der junge Heym mit dem Reim umgeht. In dieser Hinsicht dichtet der Tote vielleicht aus einer Naivität heraus, die uns Heutigen ein für alle mal verstellt scheint. Aber auch zum Reim, sogar zum einfachen Endreim finden einige Beiträge zurück und es scheint, dass niemals etwas restlos vergangen, allem haften noch Momente der Jugend an.. So kommen im vorliegenden Band zum einen die verschiedensten zeitgenössischen Temperamente mit den Temperamenten Heyms in Kontakt. Und entsprechend ist auch die Auswahl der Urtexte: Ob sich nun Max Czollek im Eingangsbeitrag an Heyms „Die Irren“ abarbeitet, oder Marcus Roloff auf „Nachmittag“ Bezug nimmt. Es sind unterschiedliche Entfernungen zwischen den Texten, die Heym aber nie ganz aus den Augen verlieren.Und wir sollten es auch nicht.
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Jan Kuhlbrodt
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