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Elke Erbs Poetics 10
Über Assonanzen Beim Übersetzen der Gedichte von Olga Martynova habe ich gelernt, die Verse adäquat wiederzugeben, wie Prosa etwa, aber Olgas grazile Regsamkeit im Versaufbau, d.i. in der Mitteilung, der Folge der Signale, zieht schon von selbst in sich hinein. Sie sagte: „Hör zu, ihr reimt im Deutschen nicht, für uns ist es normal, für euch nicht.“ Stimmt. Oft auch sind ihre Verse recht langzeilig, so daß ihre Endreime nicht auffielen. Ich wollte den Texten aber nichts schuldig bleiben, so unternahm ich es, ihnen einen Klang-Zusammenhang mitzugeben, indem ich, zwanglos das Vorhandene ergänzend, Binnenreime, Endreime, Stabreime und günstige Assonanz über den gesamten Text warf. Die Klangstruktur entsteht – oder entsteht nicht – beim eigenen Text schon während des Schreibens, energetisch. Wer wird nun einer anderen Kind als Stiefkind stehn lassen! Zumal ja das Geben so sonderlich zufrieden macht. Wie auch das Lernen! Und endet nicht. In dem Lernprozeß begegnen mir nunmehr, seit ich nämlich auf sie achte, erfreuend feinere Arten von Assonanzen. (Die Freude ist auch die des Gebens, ihres Erblühens am fremden Text). (Man möchte ja annehmen, daß der eigene in seiner Gier selber einheimst, was er bekommen kann). Eine gute Chance ist die Wiederbegegnung mit einem einmal gefertigten Text. Eine Chance, wenn die selbstverständlich erforderliche eigene Gutheißung des bereits Geleisteten einem nicht im Wege ist. Verblendend. Assonanzen statt reiner Endreime erfordern eine besondere Aufmerksamkeit für den Klangbau ihrer Verse, damit sie überhaupt funktionieren. Z.B. ist es günstig, wenn der Vers so entschieden auf sein Ende zuläuft, daß diesem nichts übrigbleibt, als in den Klang-Kontakt zu treten. Gewöhnlich gibt man ihm denselben Vokal, mit dem der Partner-Vers tönt. Ich hatte dieser Tage das (nicht freilich völlig überraschende) Glück, mir über feinere Arten von Assonanz bewußt zu werden, die ich traf in meiner Übersetzung – und übrigens auch im russischen Original – von Olga Martynovas Zyklus „Von Tschwirik und Tschwirka“. Zwei Beispiele aus dem folgenden Gedicht (unterstrichen):
FÜR WADIM STRUKOW tanzte – Falter: Lesen Sie den Text laut und nehmen Sie den Genuß des Zusammenklangs dieser beiden Wörter. das bittere Petersburg: die Assonanz triumphiert ohne Vokalgleichheit. Zwei Wörter vereinigend. Verbündet sind sie! (Hier kann ich auch eine russische Assonanz zeigen: Petipa in Vers 6 und Petersburg – und ein wenig auch bittere: tip – bitt. Im Deutschen funktioniert die Assonanz nicht, denn der Name des Ballettmeisters – s. Wiki – hat den Akzent auf der letzten Silbe: Petipá, aber russisch ist Petersburg Peterbúrg.) In einem anderen Gedicht (mit dem langen Titel „Tschwirka spricht mit einer Libelle, während Tschwirik im Krieg ist“) genügte mir die Assonanz der beiden Schlußverse nicht, sie lauteten: Wie dumm, daß ich nicht fähig bin, / dir davon zu erzählen. Eine gewöhnliche Assonanz. Man müßte die beiden ä dehnen, es ergäbe sich ein tänzerischer Rhythmus, der vielleicht irgendwo in einer Textmitte Reiz gehabt hätte, aber nicht am Schluß. Nein! Korrektur! Eine (noch erinnerlich wann) gelernte Regel lautet: Schreibe entspannt hin, was da steht. Unversehens stimmt es. Da stand: Wie dumm, daß ich nicht verstehe, / dir davon zu erzählen. Perfekt! Das gedehnte geschlossene e reagiert apart, auf das bestimmteste, mit der Dehnung des offenen ä, in Komplizenschaft mit der Folge der vier d in den beiden Versen. Mitwirkt auch der Gleichlaut des v von verstehe (obwohl nicht in der Akzent-Silbe, aber vielleicht ja gerade deshalb, weil es versteckt steht) mit dem v in davon. So fein kann das gehn, wenn es losgeht! Sie können uns auch eine Mail an info[at]poetenladen.de senden.
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Elke Erb
Poetics
Laudatio
Lyrik
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