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Elke Erbs Poetics 15
Mich erstaunte Nicolaus Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf und Pottendorf (1700-1760) mit dem Gedicht: Gebet Gib mir, was du verordnest hast, das deine Diener haben sollen, wenn sie dir nützlich werden wollen: ein Joch, das meinem Halse paßt; Geduld und Unerschrockenheit, das Tun und Ruhn in gleichem Grade, und Beugung bei der größten Gnade, und dein Verdienst zum Ehrenkleid; ein inniglich vergnügtes Herz, ein schwimmend Herz in deinem Blute; das nötigste vom Heldenmute; beim Lieben einen mäß'gen Schmerz; ein Auge rein und sonnenklar; ein treues Ohr für alle Schäden; gerührte Lippen, recht zu reden; Gemeinschaft mit der obern Schar. Gebet
Gib mir, was du verordnest hast, Ordnung, nicht Willkür je nach Laune, das deine Diener haben sollen,Gleich irdischem Herrschaftshaushalt wenn sie dir nützlich werden wollen:Nach ihrer freien Entscheidung (weitere „wenn dann“ folgen). Anmerkung: Ein so annehmliches Gleichgewicht zwischen sollen und wollen gewagschalt ist mir noch nicht vorgekommen und sehr angenehm. Von der in Wirkung und Betracht gebrachten Leistung Ausgeglichenheit weiß das Gedicht auch selbst, s. 3 Verse weiter. ein Joch, das meinem Halse paßt;Der Natur nach passend, dem Lebewesen, metaphorisch, aber dann Semikolon. Bestimmtheit auch der Satzzeichenordnung. Geduld und Unerschrockenheit,Eine ungewöhnliche Paarung, sie muß erfahren worden sein und eingeprägt. Wie angenehm, unverhofft solch einem gelebten Plus zu begegnen, in einer Gedichtzeile, wo doch sonst gern Hungern und Lungern herumhungern und -lungern, wie im Leben selbst! – scheint einem da auf ... das Tun und Ruhn in gleichem Grade,Ja, schön satt auch im Reim; zumal nun auch noch Gnade verlautet wird, & die Kreatur muß sich vernünftig verhalten. – Nein, nicht die Kreatur an sich (sags der Katze!) – die menschliche Kreatur an sich. Vernünftig: überschaubar. und Beugung bei der größten Gnade,Da sind deutlich zwei, die sich begegnen, ja und fast, daß man die Gegenseite (die der Gnade) für eine angenommene Größe halten könnte. Hm. Dies ist ein theoretisch unternehmungslustiger, anstelliger Kopf. Ich schaue auf die Formel und denke, ob sich das evozierte Verhältnis vielleicht graphisch vergegenwärtigen ließe? und dein Verdienst zum Ehrenkleid;Übertrifft meinen Verstand, nur kurz mal huscht ein Lichtblick. ein inniglich vergnügtes Herz,Oh, als ob er es sich selbst gönnt und es sich mit welch einem starken Griff schenkt, zeigt das folgende ein schwimmend Herz in deinem Blute;das ja (theoretisch rückhaltlos) in einen anderen Sachverhalt taucht, so begriffstark, wie auch das Semikolon wieder (nach dem mit dem Ehrenkleid) sondert. Ach, jetzt sehe ich, nun kommt eines nach dem andern, ebenso wie sich weiter Beherzigungswertes reiht bis zum exakten Punkt. das nötigste vom Heldenmute;Könnte es sein, er schneidet dem Heroischen den Anteil an psychologischer Ersatzfunktion ab? beim Lieben einen mäß'gen Schmerz;Habe mich im Grimmschen Wörterbuch dessen versichert, daß mäszig durchaus auch angemessen bedeuten kann. Nicht nur nicht zuviel (also so, daß die Leidenschaft die Glaubenskraft schwächte ...). ein Auge rein und sonnenklar;Übrigens: schau mal in den Spiegel, wenn du gerade maßlos leidest seelisch: es kann sein, daß deine Augen leuchten. ein treues Ohr für alle Schäden;Kann man liebwerter sprechen? Vom Herrn/Hausherrn/Vermieter/Diener? Er denkt daran. gerührte Lippen, recht zu reden;Rührige Lippen kann er wegen des Metrums nicht sagen. Vielleicht soll es nur bedeuten: nicht verschlossene? Gerührte aber rührt ein wenig auch, nicht wahr? Außerdem: wie die Lautung das Rührige/Gerührte selbst hier einbringt! Gemeinschaft mit der obern Schar.
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Elke Erb
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