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Elke Erbs Poetics 4 Rainer Maria Rilke (4.12.1875 - 29.12.1926): Das Stundenbuch. Erstes Buch: Das Buch vom mönchischen Leben (1899) Es gibt im Grunde nur Gebete, / so sind die Hände uns geweiht, / daß sie nichts schufen, was nicht flehte; / da einer malte oder mähte, / schon aus dem Ringen der Geräte / entfaltete sich Frömmigkeit. Zweites Buch: Das Buch von der Pilgerschaft (1901) [...]; ich war wie eine Stadt am Meer, / wenn eine Seuche sie bedrängte, / die sich wie eine Leiche schwer / den Kindern an die Hände hängte. Drittes Buch: Buch der Armut und vom Tode (1903) Und willst du jetzt von mir: so rede recht –, / So bin ich nicht mehr Herr in meinem Munde, / der nichts als zugehn will wie eine Wunde; / und meine Hände halten sich wie Hunde / an meinen Seiten, jedem Ruf zu schlecht. Immerhin paßt Herr zu Hunde. Ach! Krasse Beispiele, denke ich, und das Verfehlte ist ja offensichtlich. Läßt es sich thematisieren? Beim allmorgendlichen Lesen der 300 Seiten Gedichte aus seinem ersten Jahrzehnt hatte ich neben dem Erstaunen über dergleichen immer wieder das Gefühl, als stünde ich an einem flach dahinfließenden Gewässer, flach wie Gebirgsgewässer, dabei aber doch breit. Das Erstaunen fragte: warum diese Stilblüten, merkt er es nicht? Freilich braucht man einige Zeit, bis man aus dem gleichmütigen Nießnutz der allgemein üblichen Sprache, die nur dazu dient, etwas zu vermitteln, herausgefunden hat. Bis man sich von dem Unheil für Unheil absegnenden Spruch „Der Zweck heiligt die Mittel“ befreit und verstanden hat: So wie die Mittel sind, so ist auch das Ergebnis. Darin stimmen die Kunst, die Poesie und die Humanität überein. Die kommunistische Utopie hat den Gegenbeweis nicht erbracht. Verkürzt wäre zu sagen, daß poetologisch die Mittel Selbstzweck zu sein haben. In den oben gegebenen Beispielen haben sie nur zu dienen. So offensichtlich, als sei der Text nahe davor, diesen Befund als Klage vorzubringen. Und ich glaube nicht, daß es für „dergleichen“ eine positive Möglichkeit im Gedicht geben kann, wie sie mir, viel rascher als ich dachte und verblüffend unwidersprechlich im Fall der vers-tötenden Enjambements begegnet ist. Ich hatte gleich anfangs gemeint (s. Poetics 1), im Gedicht sei alles möglich, es müsse nur ins Spiel miteinander gebracht werden. Ein besseres Beispiel als Andreas Altmanns Gedicht „Ein Fischreiher steht ...“ (s. Poetics 3) hätte ich nicht finden können. Also war das Glück mit mir. Aber hier: ich kann nicht glauben, daß irgendein Gedicht es aushält (geschweige denn aus dem Minus ein Plus machen kann) wenn sich in ihm eine Leiche schwer an die Hände von Kindern hängt. Die Seuche schon wäre schlimm genug. So hat ein großer Dichter angefangen ... Dabei ist, was zu sagen erstrebt ist, durchaus neu, aktiv, kreativ ..., ist er rücksichtslos in der Aufregung? Der Gesichtskreis ist aufgerissen, voller thematischer, motivischer dramatischer Bewegung, und er verdankt die Steigerung und Weitung dem eigenen Anfang ... Es war auch gleich zu sehen, daß dessen flaches Strömen eine Unaufhaltsamkeit hatte, schon bei den Ersten Gedichten, noch vor den Frühen. Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,
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Elke Erb
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