poeten | loslesen | gegenlesen | kritik | tendenz | news | links | info | verlag | poet |
Elke Erbs Poetics 25
Handrij Zejler (1804 – 1872) Dichter, evangelischer Pfarrer, Publizist. Im Filter des Gedichts / Prez kridu basnje heißt ein neues Buch von Kito Lorenc, das Essays, Gespräche, Notate von 1965 bis 2009 versammelt hat, in einem deutschen Teil und einem sorbischen. Mich überraschte im Rückblick die ausgereifte Sprache schon der ersten Texte, die über den versierten Linguisten hinaus den freien unabdingbaren Zugriff des Dichters erkennen läßt, im Rückblick: Ich meine, daß ich sie seinerzeit/ihrerzeit nicht hätte in ihren Qualitäten erfassen können. Besonders der Essay „Der Fabeldichter Handrij Zejler“ erfreute mich von Satz zu Satz, bis er mich dann an einer Stelle gegen Ende regelrecht zu einem eigenen Zugriff trieb: Gründet sich also der besondere künstlerische Wert und Reiz dieser Fabeln vor allem auf ihren sorbischen Nationalcharakter, so liegt gerade darin auch die besondere Schwierigkeit für den Nachdichter. Das beginnt bei der an der sorbischen Volkssprache und an den Stilelementen der sorbischen Volkspoesie geschulten, bei allem fantasievollen Wortschöpfertum in hohem Grade typisierten Fabelsprache Zejlers, deren stilistischen Ort der Sorbe sofort spürt, von der aber die Übersetzung immer nur probeweise, annähernde Eindrücke vermitteln kann, ganz zu schweigen von den zahllosen assoziationsträchtigen direkten oder indirekten Zitaten aus der sorbischen Sprachfolklore, die in einer Nachdichtung kaum realisierbar sind. Die Stelle, die ich unterstrichen habe: Womit wirkt sie auf mich? Ich habe sie wohl ein wenig aus dem Kontext isoliert, nämlich mit dem Sorben empfunden, mit ihm, dem etwas begegnet, in dem er sofort spürt, daß es Seins ist. Wechsle ich der Sorbe aus gegen der Deutsche: durchaus, nicht wahr, ist auch ihm zu gönnen, daß er etwas sofort spürt ... Obwohl ein Dichter natürlich auch in erster Linie ein seelischer Selbstversorger ist: Fabeln sind ein volksnahes Genre, und Kito Lorenc stellt als eine Besonderheit Zejlers unter den bekannten Fabeldichtern dar, wieviel mündliche sorbische Volkspoesie er in seine Fabeln direkt oder indirekt aufgenommen hat, Spruchweisheit, Schnurren, rustikalen Humor, Märchen, vor allem Tiermärchen. Noch eindeutigere und wesentlichere Indizien [...] ergibt eine Sichtung der auftretenden Tierächaraktere für die tiefe, strukturelle Sättigung der Zejlerschen Fabel mit der unverwechselbaren sorbischen Überlieferung. Nehmen und geben: eine heimische Fabel-Tradition existierte nicht. Die Frage war: Wie können diese Gebilde in das sprachliche Leben finden, zu dem ländlich-gegenständlichen Wortgebrauch in den Dörfern und in das in Dialekte zersplitterte Sorbisch? Ich unterstreiche noch einmal die oben unterstrichenen Worte. Zu den Deutschen brauchten Zejlers Fabeln mehr als ein Jahrhundert. – Aus der von Kito Lorenc herausgegebenen und 2004 im Domowina- Der Dachs und die Füchsin
Es ist recht angenehm, merke ich, weiter in dem Fabelbuch lesend, neuen Reizen bei einem Genre zu begegnen, bei dem man sie nicht erwartet hätte. Und was die Übersetzungen betrifft (wie die eben zitierte sind sie fast alle vom Herausgeber des Buchs, Kito Lorenc), so fühlt man sich bei ihnen durchweg wie andere Leute wohl im Urlaub.Der Dachs sah die Füchsin in der Falle sitzen, erschrak und sprach: „Ei, ei! Muhme Neunmalklug, was soll denn das?“ – „Alles deinetwegen“, klagte die Füchsin, „ich hatte dir ein Festmahl angerichtet: zehnerlei Braten, zehnerlei Soßen, und das in zehnerlei Schüsseln; dann lief ich nach Gewürz und Zutaten, die hier im Felde so herrlich dufteten, und siehst du wohl, diese Kirmesliebe zu dir gereichte mir zum Unglück – so hilf mir nun auch!“ – „Meine Liebe, weißt du was?“, erwiderte der Dachs: „Hast selbst gebacken
|
Elke Erb
Poetics
Laudatio
Lyrik
|
|
poetenladen | Blumenstraße 25 | 04155 Leipzig | Germany
|
virtueller raum für dichtung
|