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Dave King
Homecoming
Berlin: Aufbau 2006
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Seit Howard im Vietnamkrieg bei einer Bombenexplosion schwer verletzt wurde, kann er weder sprechen noch zeichnen; seine Gedanken sind zwar klar, aber die Übersetzung in Bilder oder Wörter gelingt ihm nicht mehr. Nur mit Gesten kann er sich mühsam verständlich machen. Im Haus seiner verstorbenen Eltern lebt er gemeinsam mit Laurel und den beiden Handwerkern Steve und Harrison, die er in Gedanken jedoch nur Nit und Nat nennt, weil er ihre Namen ohnehin nicht artikulieren kann. In kritischen Situationen zeigt er eine Visitenkarte mit der Aufschrift „Ich bin von normaler Intelligenz“ vor, und wöchentlich mäht er den Rasen des nahegelegenen Klosters. Dort befindet sich ein künstlich angelegter steiler Hügel, den er den „Ha-Ha“ nennt und auf dem er sich mit dem Rasenmäher in von einer lebensbedrohlichen Schieflage gekennzeichnete Situationen befördert. Diese scheinbar schwerelosen Momente erinnern ihn an seinen Flug durch die Luft bei der Bombenexplosion – die letzten Sekunden seines normalen Lebens – und sind für ihn der einzige Grund für ein kleines bisschen Lebensfreude.
Sein ruhiges Leben wird aus den Fugen gebracht, als seine Collegeliebe Sylvia einen Drogenentzug machen möchte und ihren neunjährigen Sohn Ryan für acht Wochen in Howards Obhut gibt. Natürlich entdecken nun alle Mitbewohner von Howards zusammengewürfelter WG ihre familiäre Ader, und innerhalb der zwei Monate verändert sich ihr Leben rasant. Doch schließlich holt Sylvia Ryan wieder ab – und Howard erleidet eine schwere Krise, die zu seiner Einweisung in eine psychiatrische Klinik führt und der er nur schwer wieder entkommt.
Homecoming von Dave King ist einer dieser typischen US-amerikanischen Romane eines hierzulande unbekannten und zahlreiche Berufe ausübenden Autors, der mit Zitaten wie „ein strahlendes Juwel“ oder „ein stilles Meisterwerk“ auf dem Buchrücken angekündigt wird und nach dessen Lektüre sich weder ein positives noch ein negatives Gefühl einstellen möchte. Natürlich ist die Geschichte um den kranken Howard und seinen Stiefsohn auf Zeit gut erdacht, die Charaktere sind zum großen Teil überzeugend gezeichnet, und das Buch wird trotz der nahezu 500 Seiten nicht langweilig. Aber dennoch bleibt der Roman vor allem eines: belanglos. Das liegt zum einen an der Vorhersehbarkeit des Plots: Dass aus dem scheuen und zurückgezogenen Howard ein Familienmensch wird, ist von Beginn an klar – und ganz nebenbei verrät auch der Klappentext fast die gesamte Handlung. Auf den letzten Seiten gibt King dann noch einmal richtig Gas und entwickelt einen unglaubwürdigen Showdown, der zum Rest des Buches nicht passen möchte.
Zum anderen überzeugt die Sprache nicht: Mit einigen lyrischen Anklängen möchte sie scheinbar den fehlenden persönlichen Stil des Autors und die Bedeutungslosigkeit kompensieren und enthält zudem einige Übersetzungsfehler („ ...und als ich Ryan auf dem Arm hatte, hab ich sogar ein paar Tränen verdrückt.“). Eigentlich scheint der Roman mit seiner Reduzierung auf wenige handlungstragende Figuren, einigen cineastischen Rückblenden in die gute alte Zeit und der zum Teil aufgesetzten Rührseligkeit nach einer Verfilmung geradezu zu schreien – eine literarischer Verlust wäre dabei jedenfalls nicht zu beklagen. Der Klappentext vergleicht das Buch auch nicht mit anderen Romanen, sondern nur mit Kinofilmen wie
Rain Man oder Forrest Gump.
Was nach der Lektüre außer einer gewissen Ratlosigkeit angesichts der Jubelzitate noch bleibt, ist die Frage, wie der Verlag auf die Idee kommen konnte, den bedeutungsgeladenen Titel
The Ha-Ha mit
Homecoming zu „übersetzen“ und dem Buch ein Cover zu geben, das irgendwie an Cecilia Aherns Liebesschnulzen erinnert. Mit vielen anderen Büchern kann man Homecoming über einen Kamm scheren, mit solchen literarischen wie inhaltlichen Ausfällen hat der Roman nun aber doch nichts gemein.